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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Mit der Frage nach den jeweils dom<strong>in</strong>ierenden Methoden der Mehrwertproduktion hat M. für<br />

die Analyse dieser Beziehungen se<strong>in</strong>e Leitfrage gefunden. Ihre Beantwortung steht immer neu<br />

auf der Tagesordnung. Wie anders könnte man im politischen Kampf mit den <strong>in</strong>neren Veränderungen<br />

der kapitalistischen Produktionsweise Schritt halten? Nur so kann der Grundriss der Klassenverhältnisse<br />

aktualisiert werden, der sich durch technische Umgestaltung der Arbeitsprozesse<br />

und die Optimierung der Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen fortlaufend verändert. Ohne Kenntnis dieses<br />

Grundrisses wäre e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ordnung der vielen Details des alltäglichen Klassenkampfs nicht möglich.<br />

Aber auch die Veränderungen etwa <strong>in</strong> der Struktur des Gesamtarbeiters, also die <strong>in</strong>neren<br />

Differenzierungen der Arbeiterklasse, lassen sich <strong>von</strong> dieser Leitfrage aus viel ergiebiger untersuchen.<br />

247<br />

Über e<strong>in</strong>es sollten wir uns aber klar se<strong>in</strong>: Wenn wir lässig <strong>von</strong> absolutem und relativem Mehrwert<br />

reden, s<strong>in</strong>d das unsere analytischen Begriffe. <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d nicht die Zielpunkte des Kapitalisten.<br />

Der Kapitalist sagt sich nicht: "Prima, verlängern wir doch die Arbeitszeit, damit der absolute<br />

Mehrwert steigt", oder: "Wir sollten mal den Lohn e<strong>in</strong> wenig senken und den relativen Mehrwert<br />

steigern" oder dergleichen. Für ihn gibt es es genausowenig e<strong>in</strong>en Mehrwert, weder absoluten<br />

noch relativen, wie es Platz <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Sicht für e<strong>in</strong>en objektiven Wertbegriff gibt. Für ihn<br />

stellt sich alles als unternehmerische Kostenrechnung dar. <strong>Das</strong> "Zwangsgesetz der Konkurrenz"<br />

248 richtet se<strong>in</strong>e Interessen darauf aus, m<strong>in</strong>destens so kostengünstig zu produzieren wie<br />

se<strong>in</strong>e Konkurrenten, am besten noch günstiger, um Gew<strong>in</strong>n und Marktposition zu verbessern.<br />

Auch für die Arbeitskraft existiert ke<strong>in</strong> Mehrwert. 249 Ihre Interessen richten sich auf die Gestaltung<br />

des Kaufvertrags, den sie mit dem Käufer der Arbeitskraft e<strong>in</strong>geht, also auf Arbeitszeit,<br />

Lohn und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen. Wie sich das im Kampf der Interessen zu mobilisierenden Forderungen<br />

nach dem 8-Stunden-Tag oder nach gerechtem Lohn oder nach Humanisierung der Arbeitswelt<br />

verdichtet, geht über unser Thema h<strong>in</strong>aus und wäre Gegenstand e<strong>in</strong>er darauf aufbauenden<br />

Analyse der Klassenkämpfe <strong>in</strong> Deutschland. Aber wir sehen, dass e<strong>in</strong>e solche Analyse aus<br />

der politischen Ökonomie heraus erfolgen müßte.<br />

Deshalb ist die Frage nach Entstehung des Mehrwerts und nach den Methoden se<strong>in</strong>er Steigerung<br />

für M. und uns <strong>von</strong> so großer Bedeutung. Damit fragen wir nach der Art und Weise, <strong>in</strong> der<br />

sich die ökonomischen Beziehungen zwischen den Klassen über die technologische und organisatorische<br />

Gestaltung des Arbeitsprozesses als Sozialstruktur ausbildet. Und wir werden sehen,<br />

dass die beständige technologische und organisatorische Umgestaltung des Arbeitsprozesses zur<br />

Sicherung der Mehrwertproduktion mit ebenso beständigen Änderungen der Sozialstruktur aller<br />

beteiligten Klassen verbunden ist.<br />

Und warum wird das Thema an dieser Stelle, im <strong>1.</strong> Band des "Kapital" so ausführlich behandelt,<br />

noch vor der Analyse der kapitalistischen Akkumulation und der kapitalistischen Konkurrenz?<br />

Noch bevor uns M. mit dem Profit bekannt macht, der die e<strong>in</strong>zige Form ist, <strong>in</strong> der dem Unternehmer<br />

der Mehrwert überhaupt begegnet? Es gibt e<strong>in</strong>e didaktische und e<strong>in</strong>e pragmatische<br />

Antwort.<br />

Didaktisch: Damit wir uns ganz und gar über den gesellschaftlichen Charakter des Mehrwerts<br />

klar werden. Er entspr<strong>in</strong>gt nicht e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelnen Fabrik und auch nicht e<strong>in</strong>fach allen Fabriken<br />

gleichzeitig. Er entspr<strong>in</strong>gt dem gesellschaftlichen Produktionsverhältnis, das wir Kapital nennen<br />

und das durch die gesellschaftliche Anwendung der Arbeitskraft als Ware def<strong>in</strong>iert ist.<br />

Pragmatisch gesehen war M.s Wunsch leitend, zum<strong>in</strong>dest die Rolle und Quelle des Mehrwerts<br />

ausführlich zu behandeln. Er wollte <strong>in</strong> dieser zentralen Frage Klarheit schaffen, unabhängig da<strong>von</strong>,<br />

ob es ihm überhaupt gel<strong>in</strong>gen würde, die weiteren Bände des "Kapital" fertigzustellen. 250<br />

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