09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

gungsstufen absolviert und der Erwerb der Fertigkeiten über längere Zeit erlernt werden muß?<br />

Auf dieser Stufe der Abstraktion umgeht M. das Thema. Spätestens aber dann, wenn wir den<br />

Prozess der Wertbildung untersuchen, werden wir diesen Punkt genauer beachten müssen.<br />

Um geistigen Verrenkungen vorzubeugen: Wir halten alle Versuche, aus M.s Begriff der komplizierten<br />

und e<strong>in</strong>fachen Arbeit e<strong>in</strong>e Art "physiologische Quantentheorie" zu entwickeln, um jede<br />

Art <strong>von</strong> Arbeit auf den geme<strong>in</strong>samen Maßstab "Veräußerung <strong>von</strong> Lebenskraft" zurückzuführen,<br />

für falsch. Selbst wenn das möglich wäre und wir zu e<strong>in</strong>em brauchbaren statistischen Verfahren<br />

kämen, wäre das folgenlos. Die Rückführung jeder warenproduzierenden Arbeit <strong>in</strong> den sozialen<br />

Maßstab des Werts f<strong>in</strong>det tagtäglich im Handeln der Akteure statt, die <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er "physiologischen<br />

Quantentheorie" nichts ahnen und gewiß auch nichts wissen wollen. <strong>Das</strong> ist es, was M.<br />

"e<strong>in</strong>en gesellschaftlichen Prozeß h<strong>in</strong>ter dem Rücken der Produzenten" und daher als "durch das<br />

Herkommen gegeben" bezeichnet. 110<br />

Kommen wir zunächst wieder auf unsere vorgestellte Warenproduktion zurück: M. macht im<br />

obigen Zitat schon klar, wie er sich die Bestimmung der Wertgröße vorstellt: Durch nichts anderes<br />

als den vieltausendfachen Austausch selbst und die dabei angewendeten Erfahrungen der<br />

beteiligten Akteure. Wie sonst? In der Soziologie würde man das heute e<strong>in</strong> wenig gespreizt<br />

"Wertgrößenbestimmung durch soziale Interaktion" nennen.<br />

Und damit hätten wir e<strong>in</strong>en wesentlichen Punkt herausgefunden. Wer die Werttheorie als ökonomisches<br />

Gesetz betrachtet wie etwa das Gesetz <strong>von</strong> Angebot und Nachfrage, betritt e<strong>in</strong>en<br />

Holzweg. Es ist e<strong>in</strong> Gesetz der Politischen Ökonomie. M. wußte noch nichts <strong>von</strong> Soziologie. Aber<br />

den soziologischen Gehalt des Wertgesetzes hat er klar erkannt. Gerade das gibt M.s Politischer<br />

Ökonomie e<strong>in</strong>e umfassende gesellschaftliche Perspektive, die sich <strong>von</strong> der se<strong>in</strong>er Vorgänger, und<br />

besonders deutlich <strong>von</strong> heutiger "Volkswirtschaft" oder Makroökonomik, unterscheidet.<br />

Friedrich Engels hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Nachtrag zum 3. Band des "Kapital" den Prozess der Wertbestimmung<br />

für die lange Periode der wenig entwickelten Warenproduktion veranschaulicht. Wer es<br />

gerne etwas handgreiflicher hat, sollte sich diesen Text unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>verleiben.<br />

Lektüre: Friedrich Engels: S.225<br />

Die Wertgröße bildet sich erst durch die soziale Interaktion, durch das Handeln der Menschen<br />

am Markt auf der Grundlage ihrer Erfahrungen. Weder handeln sie willkürlich noch handeln sie<br />

unbewußt. Sie werden durch Versuch und Irrtum ebenso gelenkt wie durch Traditon und Gewohnheit.<br />

Aber dabei bleiben sie stets <strong>in</strong>nerhalb der objektiven Vorgaben. Wenn <strong>in</strong> dieser<br />

unentwickelten Warenproduktion Waren gegen Waren getauscht werden, wird zwar eigentlich<br />

noch Arbeitszeit gegen Arbeitszeit getauscht, da die Unterschiede <strong>in</strong> der Kompliziertheit der Arbeit<br />

noch ger<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d. Aber dadurch wird e<strong>in</strong> Grundgesetz der Warenproduktion um so deutlicher:<br />

Im Durchschnitt aller Tauschakte e<strong>in</strong>es Produzenten muß für die getauschten Produkte<br />

ausreichend Wert zurückfließen, um die für diesen Zeitraum benötigten Lebens- und Produktionsmittel<br />

zu ersetzen. 111 Sonst hat der Produzent die längste Zeit produziert.<br />

Engels weist am Ende des <strong>von</strong> uns zitierten Textes auch darauf h<strong>in</strong>, dass sich das durch unsere<br />

Abstraktion fast schon idyllisierte Bild der frühen "e<strong>in</strong>fachen" Warenproduktion spürbar verändert,<br />

sobald die Arbeitsteilung zunimmt und sich die Spezialisierung verbreitert. Jetzt vervielfacht<br />

sich die Zahl der Tauschakte und das Geld wird <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em früh schon vorhandenen, aber meistens<br />

abwesenden und deshalb um so begehrteren Element zum überall wirkenden wichtigsten<br />

Motor dieser Entwicklung. Warenwirtschaft etabliert sich als Geldwirtschaft.<br />

39

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!