09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

hung <strong>von</strong> Lebensmitteln gefunden werden. Auch als die Arbeitsteilung schon <strong>in</strong> Ansätzen entwickelt war, g<strong>in</strong>g es<br />

durchweg noch um gehorteten Naturalreichtum als Schutz vor Mißernten, nicht um Reichtumsbildung im S<strong>in</strong>ne<br />

des Geldsacks. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Sippe, die viel Vieh besaß, war reich, gewiß. Aber die Herde beliebig vergrößern? Woher das<br />

Land nehmen? Wer soll die Tiere pflegen? Wer soll Milch oder Fleisch oder Wolle verbrauchen? In der Naturalwirtschaft<br />

s<strong>in</strong>d der Reichtumsbildung stoffliche Grenzen gesetzt. Jede Anhäufung <strong>von</strong> "Gold und Edelste<strong>in</strong>en"<br />

mag <strong>in</strong> Räuberhöhlen nett anzusehen se<strong>in</strong> und die Phantasie beflügelt haben, bleibt aber ohne die Möglichkeit<br />

des Austausches gegen Waren ökonomisch folgenlos.<br />

164 "Der Schatzbildner opfert daher dem Goldfetisch se<strong>in</strong>e Fleischeslust. Er macht Ernst mit dem Evangelium der<br />

Entsagung. Andrerseits kann er der Zirkulation nur <strong>in</strong> Geld entziehn, was er ihr <strong>in</strong> Ware gibt. Je mehr er produziert,<br />

desto mehr kann er verkaufen. Arbeitsamkeit, Sparsamkeit und Geiz bilden daher se<strong>in</strong>e Kard<strong>in</strong>altugenden,<br />

viel verkaufen, wenig kaufen, die Summe se<strong>in</strong>er politischen Ökonomie. (MEW 23, S.147) Paßt doch auf Dagobert,<br />

oder?<br />

165 E<strong>in</strong> Marschall des französischen Königs Ludwig XII brachte das zu Beg<strong>in</strong>n des 16. Jahrhunderts auf die heute<br />

noch gültige Formel: "Zum Kriegführen s<strong>in</strong>d drei D<strong>in</strong>ge nötig: Geld, Geld und nochmals Geld." Im heutigen Kapitalismus<br />

ist die Schatzbildung e<strong>in</strong> <strong>Teil</strong> der F<strong>in</strong>anzplanung jedes Unternehmens, sei es zur Vorbereitung <strong>von</strong> Aufkäufen<br />

oder anderen Expansionsplänen oder zur Abwehr fe<strong>in</strong>dlicher Übernahmen. Nur wird das Geld nicht wie<br />

bei Dagobert gebunkert (das ist die primitive, wenn auch lustvolle Form der Schatzbildung), sondern als e<strong>in</strong>trägliches<br />

Investment zwischengelagert. Wir kommen darauf zurück, wenn wir uns dem Akkumulationsprozess zuwenden.<br />

166 An dieser Stelle stehen wir bereits vor den Grenzen unseres Schemas. Es berücksichtigt nicht, dass das G <strong>in</strong>nerhalb<br />

des W-G oder G-W Prozesses selbst wiederum Kredit ist, der möglicherweise ebenfalls Kredit ist usw.<br />

Wenn man sich genau das vor Augen führt: Fast alles G <strong>in</strong> diesem Prozess ist geliehenes oder verliehenes, auf<br />

jeden Fall immer zu e<strong>in</strong>em größeren <strong>Teil</strong> "fremdes" Geld! dann erhält man e<strong>in</strong> Gefühl für die historisch sich im<br />

16.Jahrhundert herausbildende, immer komplexer werdende Waren- und Geldzirkulation. Mit der entwickelten<br />

Geldwirtschaft entsteht deshalb auch mit Banken und Börsen e<strong>in</strong>e eigene Infrastruktur für den Zahlungsverkehr<br />

und die dazu gehörenden Verwaltungstechniken wie Buchführung und Bilanzierung verbreiten sich rasend<br />

schnell.<br />

167 Die Kontierung, also die gegenseitige Verrechnung <strong>von</strong> Warenlieferungen ohne wirklichen Geldfluß, ist selbst<br />

e<strong>in</strong> Form des wechselseitigen Kredits. Dabei müssen Verkäufer und Käufer nicht e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> direkter Beziehung<br />

stehen. Handelshäuser (sogenannte Kontore) vermitteln die Geschäfte und führen die Konten der mite<strong>in</strong>ander<br />

handelnden Partner.<br />

168 Tatsächlich ist die zunehemende Abhängigkeit des Produzenten <strong>von</strong> der Rohstofflieferung und deren F<strong>in</strong>anzierung<br />

e<strong>in</strong>es der wichtigen E<strong>in</strong>fallstore für das frühe Geldkapital gewesen, um <strong>Teil</strong>e der handwerklichen Produktion<br />

unter se<strong>in</strong> Kommando zu zw<strong>in</strong>gen und <strong>in</strong> kapitalistische Produktion umzuwandeln. Wir werden dem als sogenanntes<br />

Verlagswesen wieder begegnen.<br />

169 So beschreibt M. ganz nebenbei die Entstehung e<strong>in</strong>er "F<strong>in</strong>anzmarktkrise", die bei ihm Geldkrise heißt, und<br />

aus der re<strong>in</strong>en Möglichkeit erst dann zur Wirklichkeit werden kann, wenn e<strong>in</strong> umfassendes Kreditsystem, e<strong>in</strong><br />

Geldverwertungsmarkt oder "F<strong>in</strong>anzmart" etabliert ist. Die Geldkrise entsteht, wenn <strong>in</strong> Preise notierte Werte<br />

nicht mehr <strong>in</strong> Geld umgewandelt werden, aber gleichzeitig Krteditverpflichtung und anderes <strong>in</strong> Geld geleistet<br />

werden müssen. Die Akteure, denen dergleichen geschieht, werden zunächst illiquide und letzlich <strong>in</strong>solvent:<br />

"Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel schließt e<strong>in</strong>en unvermittelten Widerspruch e<strong>in</strong>. Soweit sich die Zahlungen<br />

ausgleichen, funktioniert es nur ideell als Rechengeld oder Maß der Werte. Soweit wirkliche Zahlung zu<br />

verrichten, tritt es nicht als Zirkulationsmittel auf, als nur verschw<strong>in</strong>dende und vermittelnde Form des Stoffwechsels,<br />

sondern als die <strong>in</strong>dividuelle Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit, selbständiges <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> des Tauschwerts,<br />

absolute Ware. Dieser Widerspruch eklatiert <strong>in</strong> dem Moment der Produktions- und Handelskrisen, der Geldkrise<br />

heißt. Sie ereignet sich nur, wo die prozessierende Kette der Zahlungen und e<strong>in</strong> künstliches System ihrer Ausgleichung<br />

völlig entwickelt s<strong>in</strong>d. Mit allgeme<strong>in</strong>eren Störungen dieses Mechanismus, woher sie immer entspr<strong>in</strong>gen<br />

mögen, schlägt das Geld plötzlich und unvermittelt um aus der nur ideellen Gestalt des Rechengeldes <strong>in</strong> hartes<br />

Geld. Es wird unersetzlich durch profane Waren. Der Gebrauchswert der Ware wird wertlos, und ihr Wert verschw<strong>in</strong>det<br />

vor se<strong>in</strong>er eignen Wertform. Eben noch erklärte der Bürger <strong>in</strong> prosperitätstrunknem Aufklärungsdünkel<br />

das Geld für leeren Wahn. Nur die Ware ist Geld. Nur das Geld ist Ware! gellt's jetzt über den Weltmarkt. Wie<br />

276

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!