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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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H<strong>in</strong> und wieder f<strong>in</strong>den Lohnstatistiken auch ihren Weg <strong>in</strong> die Tagespresse, wie hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Grafik der WAZ. Die<br />

Überschrift "Wer verdient wieviel <strong>in</strong> Deutschland?" verspricht mehr, als die Grafik halten kann. Deutschland wird<br />

eben nicht nur <strong>von</strong> Lohnempfängern bewohnt. Man könnte witzelnd h<strong>in</strong>zufügen, dass die Grafik auch nicht zeigt,<br />

was Lohnempfänger verdienen, sondern nur, was sie bekommen.<br />

Was die Grafik uns aber immerh<strong>in</strong> verrät: Billige Frauenarbeit ist nach wie vor e<strong>in</strong>e Stütze der Mehrwertproduktion.<br />

Zu e<strong>in</strong>em Schrei der Empörung ist es dennoch nicht gekommen. Es gilt nach wie vor als normal.<br />

Zu beachten: Es handelt sich immer um Durchschnittswerte formaler Gruppen. Der Durschnittswert ist e<strong>in</strong> erprobtes<br />

statistisches Kampfmittel, um sich alle subversiven Fragen vom Hals zu schaffen. Was heißt schon Geschäftsführer?<br />

Der Leiter e<strong>in</strong>er "Nordsee"-Filiale steckt ebenso da dr<strong>in</strong> wie der CEO e<strong>in</strong>es Unternehmens. Und sehr viele<br />

"Raumpfleger<strong>in</strong>nen" wären froh, wenn sie den hier aufgeführten Bruttojahresverdient erreichenen würden.<br />

Es gilt auch für diese w<strong>in</strong>zige Statistik, was für die meisten Veröffentlichungen des statistischen Bundesamts zu<br />

sagen wäre: Viele Zahlen, wenig Aussage. Oder: Man bleibt letztlich doch arg h<strong>in</strong>ter den eigenen Möglichkeiten<br />

zurück. Sogar die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung machen e<strong>in</strong>en vornehmen Bogen um die<br />

wirklich Reichen. Angeblich aus Datenschutzgründen. Tatsächlich würden die E<strong>in</strong>kommensdaten dieser Gruppe<br />

<strong>von</strong> weniger als 1% der Bevölkerung die Statistiken ordentlich purzeln lassen. Dann würden wir auch über jene<br />

mit dem XXXXXXL E<strong>in</strong>kommen etwas erfahren und die Frage würde womöglich aufkommen, ob wir uns die wirklich<br />

leisten können.<br />

285 Mit diesem Zitat leitet M. e<strong>in</strong>e knappe Skizze zum "Extramehrwert" e<strong>in</strong>, die er <strong>in</strong> die Darstellung zum relativen<br />

Mehrwert e<strong>in</strong>schiebt. Dort heißt es:<br />

"Die Art und Weise, wie die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion <strong>in</strong> der äußern Bewegung der<br />

Kapitale ersche<strong>in</strong>en, sich als Zwangsgesetze der Konkurrenz geltend machen und daher als treibende Motive dem<br />

<strong>in</strong>dividuellen Kapitalisten zum Bewußtse<strong>in</strong> kommen, ist jetzt nicht zu betrachten, aber soviel erhellt <strong>von</strong> vornhere<strong>in</strong>:<br />

Wissenschaftliche Analyse der Konkurrenz ist nur möglich, sobald die <strong>in</strong>nere Natur des Kapitals begriffen ist,<br />

ganz wie die sche<strong>in</strong>bare Bewegung der Himmelskörper nur dem verständlich, der ihre wirkliche, aber s<strong>in</strong>nlich<br />

nicht wahrnehmbare Bewegung kennt." (MEW 23, S.335)<br />

Soll sagen: Ohne Mehrwerttheorie muß ich das, was der Kapitalist für se<strong>in</strong>e Motive hält, ebenfalls für die Erklärung<br />

halten. Wenn ich nicht weiß, dass alle<strong>in</strong> die auf der gesellschaftlichen Anwendung der Arbeit basierende<br />

Mehrwertproduktion, also die Verwertung des Kapitals, über Erfolg oder Mißerfolg entscheiden, kann ich auch<br />

<strong>von</strong> erfolgreichem oder schlechtem Kostenmanagement oder <strong>von</strong> starker oder schwacher Wettbewerbsposition<br />

oder <strong>von</strong> steigendem oder fallenden Dax reden.<br />

Klar, wer auf die Mehrwerttheorie verzichtet, hat es e<strong>in</strong>facher. Vom erfolgreichen Kapitalisten sagt man: Gutes<br />

Management! Hat die Zeichen der Zeit erkannt! pipapo. Vom gescheiterten Kapital sagt man: Managementfehler!<br />

Anschluß verpasst! und ähnliches. Nur: Warum muß er überhaupt "Kostenmanagement" betreiben? Was<br />

treibt den Konkurrenzkampf an? Warum steht der e<strong>in</strong>e als Gew<strong>in</strong>ner, der andere unversehens als Depp da? Warum<br />

muß es überhaupt Gew<strong>in</strong>ner und Verlierer geben? Und warum werden, trotz aller Verlierer, letztenendes<br />

dennoch alle Kapitalisten zusammen immer reicher? Wir haben das bereits mehrmals erwähnt: Man wird M. nur<br />

gerecht, wenn man sich se<strong>in</strong>er Suche nach dem <strong>in</strong>neren Zusammenhang der Produktionsweise anschließt, aus<br />

denen sich die Konkurrenz der Kapitale nicht als Verhaltensstörung habgieriger Manager, sondern als struktureller<br />

Zwang ergibt, der <strong>in</strong> den subjektiven Motiven der Akteure nur ideell aufbereitet wird. -<br />

Im Anschluß an das Zitat oben br<strong>in</strong>gt M. übrigens e<strong>in</strong> Beispiel zum "Extramehrwert", das wir <strong>in</strong> ähnlicher Form<br />

(nur ohne die krummen Zahlen der britischen Währung im 19. Jahrhundert) für unsere Illustration im nächsten<br />

Kapitel verwenden.<br />

286 Nehme ich <strong>in</strong> dieser Frage die Perspektive des Unternehmers e<strong>in</strong>, dann betrachte ich die Kosten me<strong>in</strong>er eigenen<br />

Produktion. Etwas anderes <strong>in</strong>teressiert mich nicht, denn etwas anderes bekomme ich auch nicht zu sehen.<br />

Geld geht h<strong>in</strong>aus: <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d die Kosten für Arbeitskräfte, Rohstoffe, Zulieferer, Energie, Werbung, Patentgebühren,<br />

Mieten, Z<strong>in</strong>sen usw. Geld kommt here<strong>in</strong>: <strong>Das</strong> ist der Umsatz. Ziehe ich vom Umsatz alle Kosten ab, bleibt mir<br />

me<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n. Also entspr<strong>in</strong>gt für den Unternehmer der Mehrwert aus der kostengünstigen Komb<strong>in</strong>ation aller<br />

Elemente des Produktionsprozesses.<br />

Was wir im früheren Kapitel sehr allgeme<strong>in</strong> den Fetischcharakter der Ware nannten, setzt sich hier fort: Für den<br />

Kapitalisten ist se<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n das Ergebnis kostengünstiger Produktion. Niedrige Löhne, effektiver E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Ma-<br />

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