09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Wir müssen uns an dieser Stelle wieder an den Gesamtarbeiter er<strong>in</strong>nern, zu dem der Schlosser<br />

ebenso gehört wie der Schweißer und der Ingenieur, der Kranführer ebenso wie der Maurer und<br />

Architekt und Statiker, der LKW-Fahrer ebenso wie der Lokführer, der Lehrer ebenso wie der IT-<br />

Fachmann, der Buchhalter ebenso wie der Geschäftsführer und so fort. Der gesellschaftliche Gesamtarbeiter<br />

unter der Regie des Kapitals ist Basis und Quelle der Mehrwertproduktion, nicht<br />

das e<strong>in</strong>zelne Unternehmen. <strong>Das</strong> e<strong>in</strong>zelne kapitalistische Unternehmen spielt <strong>in</strong> der gesellschaftlich<br />

organisierten Produktion dieselbe Rolle wie der Warenproduzent <strong>in</strong> unserem Modell der Warenproduktion.<br />

Wie die modellierten Warenproduzenten s<strong>in</strong>d auch die E<strong>in</strong>zelkapitale aufe<strong>in</strong>ander<br />

angewiesen und bilden nur <strong>in</strong> der Gesamtheit e<strong>in</strong>en funktionierenden zusammenhängenden<br />

Arbeitsprozess, der die wirkliche Grundlage ihrer <strong>in</strong>dividuellen Verwertungs<strong>in</strong>teressen ist. Gleichzeitig<br />

stehen sie <strong>in</strong> scharfer Konkurrenz zue<strong>in</strong>ander, nicht nur als Produzenten derselben Branche<br />

um Marktanteile, sondern viel umfassender: In Konkurrenz als Kapitalverwerter um die Verteilung<br />

des gesellschaftlich produzierten Mehrwerts.<br />

Der kapitalistischen Anwendung der Arbeitskraft entspr<strong>in</strong>gt nicht nur der Mehrwert, sondern<br />

überhaupt die soziale Struktur der Gesellschaft. Und der Sicherung und Steigerung des Mehrwerts<br />

entspr<strong>in</strong>gen die historisch wechselnden Formen dieser Anwendung, die immer auch Änderungen<br />

<strong>in</strong> der sozialen Struktur zur Folge haben: Manufaktur oder Fabrik oder moderne Industrie<br />

oder transnationaler Konzern, Fließbandproduktion und Gruppenarbeit, Kernbelegschaft und<br />

Randbelegschaft, M<strong>in</strong>ijobs und Leiharbeit... s<strong>in</strong>d immer nur bestimmte Formen, die sich herausbilden<br />

oder durch andere Formen verdrängt werden, weil und soweit sie der Mehrwertproduktion<br />

unter den jeweiligen Bed<strong>in</strong>gungen mehr oder weniger dienlich s<strong>in</strong>d.<br />

Wer es bis jetzt noch nicht gemerkt hat, dass im "Kapital" beständig über uns, über unsere Gesellschaft,<br />

über unsere Lebensfragen gesprochen wird: Spätestens hier sollte uns e<strong>in</strong> Licht aufgehen.<br />

Se<strong>in</strong>en zeitgenössischen Lesern hat M. selbst e<strong>in</strong>en Kronleuchter angezündet, <strong>in</strong>dem er<br />

mit Hilfe der neu gewonnenen Kategorien absoluter Mehrwert und relativer Mehrwert beschreibt,<br />

wie sich die Klassenverhältnisse unter der Herrschaft des Kapitals zwischen 1600 und<br />

1865 immer wieder neu strukturieren. Wir sehen uns das näher an und versuchen, Bezüge zur<br />

Gegenwart herzustellen.<br />

Romantische Freiheitsduselei und e<strong>in</strong>e Menge Dressur<br />

Was ist an der Frage nach dem absoluten Mehrwert für uns wichtig? Mit der Frage erhalten wir<br />

e<strong>in</strong>e besondere Perspektive. Wir erkennen, warum für den Kapitalisten die Länge des Arbeitstags,<br />

überhaupt die Gestaltung der Arbeitszeit e<strong>in</strong>e so große Rolle spielt und wie der Kampf um<br />

die Regulierung des Arbeitstags, gerade auch um se<strong>in</strong>e Verkürzung, die kapitalistische Entwicklung<br />

vorantreibt und nicht etwa hemmt.<br />

In der Frühphase des Kapitalismus g<strong>in</strong>g es darum, die handwerkliche Produktion <strong>in</strong> praktisch unveränderter<br />

Form unter die Regie des Kapitals zu nehmen. <strong>Das</strong> ist die Periode des Verlagssystems<br />

und der Manufakturen, noch stark geprägt durch die umgebende feudale Gesellschaft. Wir haben<br />

das <strong>in</strong> der strukturellen Analyse als formelle Subsumtion bereits kennengelernt.<br />

M.s historische Skizze im achten Kapitel des "Kapital" 251 zeigt uns diese Periode als harten und<br />

erbitterten Kampf der englischen Bourgeosie, die sich auf der e<strong>in</strong>en Seite gegen die etablierte<br />

Klasse der Grundbesitzer behaupten, die sich auf der anderen Seite den "doppelt freien Lohnarbeiter"<br />

erst gefügig machen muß. Ohne diesen entscheidenden Schritt, <strong>in</strong> England zwischen<br />

1600 und 1750 getan, <strong>in</strong> Deutschland etwa 100 Jahre später und zudem mit viel preußischem<br />

86

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!