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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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der <strong>in</strong> Ausübung se<strong>in</strong>es Lehr- und Forschungsamtes <strong>von</strong> se<strong>in</strong>en Probanden aus methodologischen<br />

und forschungsethischen Gründen entstuhlt und vertrieben wurde.<br />

54. Ist der Kapitalismus nicht tatsächlich e<strong>in</strong>e tolle Erfolgsgeschichte?<br />

Ist er. M. hat das immer wieder betont, wo es ihm um die Entfaltung der Produktivkräfte geht.<br />

Aber das ist nur e<strong>in</strong>e Seite… Es wäre <strong>in</strong>teressant, mal e<strong>in</strong>e Wirtschaftsgeschichte des Kapitalismus<br />

als Geschichte des Scheiterns zu schreiben. Wir me<strong>in</strong>en jetzt gar nicht die großen Katastrophen,<br />

die imperialen Eroberungs- und Vernichtungskriege. Bleiben wir bei den "normalen" D<strong>in</strong>gen:<br />

Was hat nicht funktioniert? Welche Fehlentscheidungen haben welche kle<strong>in</strong>en und großen<br />

und gigantischen Pleiten ausgelöst? Welche wissenschaftlichen Entdeckungen wurden viel zu<br />

spät oder auch überhaupt nicht genutzt oder kurzfristigen Interessen geopfert? Wonach wird<br />

überhaupt nicht geforscht, weil es durch die Rendite-Optik nicht erfaßt wird? usw.<br />

Wir haben uns daran gewöhnt, dass man uns immer nur die Erfolge um die Ohren dröhnt: Aber<br />

selbst die wenigen Unternehmungen mit mehr als 100jähriger Geschichte wurden ja auf den<br />

Trümmern gescheiterter Unternehmen errichtet. Jedes Jahr verlassen zehntausende Unternehmen<br />

das Profit-Rat(t)en-Rennen; und beileibe nicht nur kle<strong>in</strong>e Betriebe. Da man immer nur sehen<br />

kann, was übrig geblieben ist, halten wir das für die Geschichte des Erfolgs, obwohl es doch genauso<br />

e<strong>in</strong>e Geschichte des Scheiterns ist.<br />

Wir sehen nur das, was herauskommt. Aber vielleicht s<strong>in</strong>d ja viel bessere Lösungen, Erf<strong>in</strong>dungen,<br />

Ideen auf der Strecke geblieben, <strong>von</strong> denen wir nie etwas hörten, weil sie unbeachtet blieben<br />

oder e<strong>in</strong>fach niemals <strong>in</strong> Angriff genommen wurden. Und vielleicht nicht e<strong>in</strong>mal deshalb, weil sie<br />

systemwidrig waren, sondern vielleicht nur aus dem simplen Grunde, weil für kurze Zeit die falschen<br />

Interessen dom<strong>in</strong>ierten. Als Edisons Erf<strong>in</strong>dung der Glühbirne dem Geschäft mit dem<br />

Lampenöl <strong>in</strong> USA den Docht ausknipste, stürzte sich Rockefeller als Ölmagnat se<strong>in</strong>er Zeit mit<br />

Macht auf die Verbrennungsmotoren. Die zur selben Zeit schon stattf<strong>in</strong>denden Versuche mit<br />

Elektromobilen wurden jäh beendet. <strong>Das</strong> Ergebnis st<strong>in</strong>kt um uns herum.<br />

Der Trick, mit dem es den Propagandisten des Kapitals gel<strong>in</strong>gt, ihre Geschichte als sche<strong>in</strong>bar<br />

immerwährende und ungetrübte Erfolgsgeschichte zu feiern, läßt sich am Dow Jones Börsen<strong>in</strong>dex<br />

schön zeigen. <strong>Das</strong> ist der Stammvater aller Wirtschafts<strong>in</strong>dikatoren, e<strong>in</strong>e Art Gottheit voll der<br />

Weisheit mit zahlreichen Untergöttern, durch deren Anrufung man uns täglich <strong>in</strong> der Tagesschau<br />

und <strong>in</strong> allen anderen Fernsehsendern mit den Weisheiten der Börse trimmt. Die Sache ist<br />

natürlich e<strong>in</strong> Riesenwitz, nur dass den habgierigen Anlegern und superhektischen Börsianern vor<br />

lauter Habgier und Hektik die Po<strong>in</strong>te entgeht.<br />

Der Dow Jones Industrial Index wurde 1896 gestartet und bestand damals aus 11 "angesehenen<br />

Unternehmen"; heute besteht er aus 30 "angesehenen Unternehmen". Nur General Electric gehörte<br />

damals wie heute zu den für würdig befundenen Aktiengesellschaften. Und das ist der<br />

ganze Trick: Nur erfolgreiche Unternehmen kommen re<strong>in</strong>. Auch General Electric wurde <strong>in</strong> den<br />

letzten 100 Jahren zweimal wegen schlechter Geschäftslage aus dem Dow Jones für e<strong>in</strong>ige Jahre<br />

suspendiert, um das Bild des Index nicht dauerhaft zu trüben. <strong>Das</strong> gilt heute immer noch: Unternehmen,<br />

die enttäuschen, werden durch die H<strong>in</strong>tertür entfernt und gegen bessere ausgetauscht.<br />

522<br />

Jeder der zahlreichen Indizes hat nun e<strong>in</strong>mal zum obersten Ziel, e<strong>in</strong> fortdauerndes Wachstum zu<br />

dokumentieren, <strong>in</strong> dem die Krisen und Katastrophen nur als temporäre Abschwünge enthalten<br />

se<strong>in</strong> dürfen. So wurde das Trimmen der Indizes <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er Reklame-Idee zu e<strong>in</strong>em eigenen Geschäft.<br />

Warum auch nicht? Der Index wurde zu dem selben Zweck erfunden wie zahlreiche an-<br />

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