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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Jetzt zur Gegenwart: Seit mehr als 20 Jahren lassen neoliberale Propagandisten mit viel Aufwand die TINA Botschaft<br />

für ihre Weltwirtschaftsordnung unter die Leute br<strong>in</strong>gen: There Is No Alternative! Aber wenn e<strong>in</strong>e Ordnung<br />

als alternativlos dargestellt wird, ist das <strong>von</strong> den zitierten älteren Auffassungen gar nicht weit entfernt. Man verzichtet<br />

auf das göttliche Attribut, aber nicht auf den Anspruch ewiger Dauer. Wieder s<strong>in</strong>d es Markt, Privateigentum<br />

und unternehmerische Freiheit, die zu alternativlosen, irgendwie ur-menschlichen Qualitäten gestempelt<br />

werden.<br />

Die Forderung des SPD-Politikers Müntefer<strong>in</strong>g Anfang 2005, den E<strong>in</strong>fluß der Hedgefonds, die er medienwirksam<br />

als Heuschrecken bezeichnete, stärker zu kontrollieren, wurde <strong>von</strong> dem Hedgefounds-Boß Stanley F<strong>in</strong>k mit den<br />

markigen Worten bedacht: "Die Kritik er<strong>in</strong>nert mich e<strong>in</strong> wenig an e<strong>in</strong>en alten König <strong>in</strong> England, der dachte, er<br />

könnte Ebbe und Flut verbieten und erwartete, das Meer würde auf ihn hören, weil er König sei. Gegen Naturgesetze<br />

kommt man jedoch nicht an." (FAZNet v. 27.5.2005)<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne hat Anfang Mai 2009 auf dem St.-Gallen-Symposium, regelmäßiger Treffpunkt neoliberaler Theoretiker<br />

und Praktiker, der Chef des <strong>in</strong>ternationalen Konzerns ABB, unter Beifall der Anwesenden auch den Freihandel<br />

als "Naturgesetz" bezeichnet (NZZ 9.5.2009). Edmund Burke läßt grüßen! Wehe, man stellt diese beste<br />

aller Welten <strong>in</strong> Frage...dann gibt es was mit dem Polizeiknüppel, <strong>in</strong> Heiligendamm und sonstwo!<br />

76 Dem Bankier Fürstenberg wird e<strong>in</strong>e weniger höfliche Umschreibung nachgesagt. Als der nämlich <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Besucher se<strong>in</strong>er Bank nach der Toilette gefragt wurde, soll er kenntnisreich geantwortet haben: "Wozu Toilette?<br />

Hier bescheißt e<strong>in</strong>er den anderen."<br />

77 Sogar während der häufiger werdenen Krankheitsphasen versuchte M., die Arbeit fortzusetzen. In se<strong>in</strong>em gewohnt<br />

schnoddrigen Ton beschreibt er se<strong>in</strong>e Arbeitssituation gegenüber se<strong>in</strong>em Freund Kugelmann so: "Während<br />

me<strong>in</strong>es Unwohlse<strong>in</strong>s (das jetzt hoffentlich bald ganz aufhören wird) habe ich nicht schreiben können (= am<br />

2. Band), aber enorme Massen 'Stoff', statistischen und anderen, heruntergewürgt, der Leuten, die nicht an diese<br />

Art Futter und rasche Verdauung desselben gewöhnten Magen besitzen, alle<strong>in</strong> schon hätte sick (= krank) machen<br />

können. Me<strong>in</strong>e Verhältnisse s<strong>in</strong>d sehr pe<strong>in</strong>lich, weil ich ke<strong>in</strong>e Geld e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>genden Nebenarbeiten machen<br />

konnte und doch stets, der K<strong>in</strong>der wegen, e<strong>in</strong>en gewissen Sche<strong>in</strong> aufrechterhalten muß. Wenn ich nicht noch die<br />

2 verdammten Bände zu liefern hätte (außerdem englischen Verleger suchte), wofür London alle<strong>in</strong> der Ort, g<strong>in</strong>ge<br />

ich nach Genf, wo ich sehr gut mit den mir disponiblen (= verfügbaren) Mitteln leben könnte." (Brief vom<br />

6.3.1868; MEW 32, S.539) Die schwierige Lebenssituation und die angegriffene Gesundheit erzeugen starke<br />

Stimmungsschwankungen bei M., verständlich. Der Brief unterstreicht aber auch M.s Auffassung, dass stets die<br />

aktuelle Situation Grundlage der Analyse se<strong>in</strong> muß: Warum sonst die schwerverdauliche Kost aus Statistiken und<br />

anderem Stoff? M. hat das "Kapital" nicht als Jahrhundertwerk, sondern für die aktuellen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

geschrieben. Gerade deshalb hat es weit über se<strong>in</strong> eigenes Jahrhundert h<strong>in</strong>ausgehende Bedeutung.<br />

78 Daher gehen alle Versuche, M.s Theorie durch die Behauptung zu entwerten, sie gelte "nur für den e<strong>in</strong>fachen<br />

Kapitalismus", am Kern vorbei. Schon zu M.s Zeit war der Kapitalismus alles andere als e<strong>in</strong>fach. Und trotz aller<br />

Veränderungen <strong>in</strong> den letzten 150 Jahren bleibt es doch immer noch, wie wir sehen werden, Kapitalismus.<br />

79 Vielleicht wurde diese Fehldeutung <strong>von</strong> M.s Methode durch das Gerücht verstärkt, <strong>Marx</strong> und Holmes seien<br />

sich 1881 persönlich begegnet. Jedenfalls geht e<strong>in</strong> gewisser Lewis S.Feuer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bericht "The Case of the<br />

Revolutionist's Daughter" (Prometheus Books: New York 1983) mit diesem Gerücht hausieren.<br />

Wir halten das Machwerk aus den USA jedoch für e<strong>in</strong>e Fälschung, offenbar geschaffen, um anderen Veröffentlichungen<br />

desselben Autors über die Ladentheke zu helfen, die sich mit <strong>in</strong>tellektuellen Subkulturen im viktorianischen<br />

England und ähnlich obskuren Themen befassen.<br />

Im übrigen war Holmes e<strong>in</strong> viel zu ausgeprägter politischer Ignorant und krim<strong>in</strong>ologischer Fachidiot, um die <strong>von</strong><br />

Feuer unterstellten Kenntnisse zu besitzen. Man denke nur an die Feststellungen Dr.Watsons, der Holmes'<br />

Kenntnisse <strong>in</strong> Philosophie als gleich Null und <strong>in</strong> Politik als nur sehr schwach e<strong>in</strong>stuft (vgl. Watson, J.H.: A Study <strong>in</strong><br />

Scarlet; London 1887).<br />

Und falls sich M. und Holmes tatsächlich 1881 begegnet s<strong>in</strong>d, so wäre ja wohl e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>fluß Holmes' auf M. so kurz<br />

vor dessen Tod e<strong>in</strong>e alberne Vermutung. Wenn überhaupt, dürfte M.s Methode bei Holmes e<strong>in</strong>iges bewirkt haben.<br />

Vielleicht verdient diese Frage mal e<strong>in</strong>e gründliche Untersuchung durch die umtriebigen Sherlockianer?<br />

80 In "<strong>Das</strong> Zeichen der Vier" übergibt Dr.Watson die Uhr se<strong>in</strong>es Bruders an Holmes mit der Aufforderung, daraus<br />

auf die Person des Besitzers zu schließen. Holmes erkennt natürlich sofort, dass es sich um die Uhr <strong>von</strong> Watsons<br />

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