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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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zugspunkt ist die Entwicklung der Arbeitsproduktivität und deren E<strong>in</strong>fluß auf die Wertbildung.<br />

Wenn wir über gestiegene Löhne reden wollen, dürfen wir nicht <strong>in</strong> der Welt der Preise bleiben,<br />

sondern müssen die Wertbildung zum Ausgangspunkt nehmen.<br />

Sehen wir uns zunächst M.s Antwort an, um anschließend zu überlegen, welche Zusammenhänge<br />

zu betrachten s<strong>in</strong>d. M. schreibt:<br />

"Mit der Produktivkraft der Arbeit wächst die Produktenmasse, wor<strong>in</strong> sich e<strong>in</strong> bestimmter Wert,<br />

also auch Mehrwert <strong>von</strong> gegebner Größe, darstellt. Bei gleichbleibender und selbst bei fallender<br />

Rate des Mehrwerts, sofern sie nur langsamer fällt, als die Produktivkraft der Arbeit steigt,<br />

wächst die Masse des Mehrprodukts.... Aber mit der wachsenden Produktivität der Arbeit geht,<br />

wie man gesehn, die Verwohlfeilerung des Arbeiters, also wachsende Rate des Mehrwerts, Hand<br />

<strong>in</strong> Hand, selbst wenn der reelle Arbeitslohn steigt. Er steigt nie verhältnismäßig mit der Produktivität<br />

der Arbeit. Derselbe variable Kapitalwert setzt also mehr Arbeitskraft und daher mehr Arbeit<br />

<strong>in</strong> Bewegung. Derselbe konstante Kapitalwert stellt sich <strong>in</strong> mehr Produktionsmitteln, d.h.<br />

mehr Arbeitsmitteln, Arbeitsmaterial und Hilfsstoffen dar, liefert also sowohl mehr Produktbildner<br />

als Wertbildner oder Arbeitse<strong>in</strong>sauger. Bei gleichbleibendem und selbst abnehmendem Wert<br />

des Zusatzkapitals f<strong>in</strong>det daher beschleunigte Akkumulation statt. Nicht nur erweitert sich die<br />

Stufenleiter der Reproduktion stofflich, sondern die Produktion des Mehrwerts wächst schneller<br />

als der Wert des Zusatzkapitals." (MEW 23, S.631)<br />

Man muß sich diesen Unterschied vor Augen führen: Die Höhe des Lohns und die Menge der<br />

damit käuflichen Waren spielt sich <strong>in</strong> der Welt der Preise ab. Wenn wir fragen, ob der Mehrwert<br />

ausgeht, dürfen wir nicht <strong>in</strong> Preisen denken, sondern müssen nach dem Wert fragen. Welche<br />

Wert, also welche Masse an gesellschaftlicher Arbeit, repräsentiert das E<strong>in</strong>kommen e<strong>in</strong>es Arbeiterhaushalts<br />

heute im Vergleich zu e<strong>in</strong>em Haushalt 1870. Es ist ke<strong>in</strong>eswegs übertrieben zu sagen,<br />

dass die Küchenmöbel (handmade) des Arbeiterhaushalts 1870 mehr Wert repräsentieren<br />

als die gesamte Unterhaltungselektronik des Arbeiterhaushalts <strong>von</strong> 2010. <strong>Das</strong> Denken <strong>in</strong> Preis<br />

statt <strong>in</strong> Wert führt auf Abwege, wenn man über den Mehrwert redet.<br />

E<strong>in</strong> anderer wichtigerer Zusammenhang ist aus M.s Äußerung ableitbar. Er hat die stoffliche Erweiterung<br />

der Reproduktion vor Augen, aber das tatsächliche Ausmaß dieser Ausweitung <strong>in</strong> den<br />

vergangenen 150 Jahren geht über M.s Annahmen und alle Erwartungen weit h<strong>in</strong>aus. Der Zusammenhang<br />

ist e<strong>in</strong>fach: Wenn mit demselben variablen Kapital mehr Produktmasse erzeugt<br />

wird, ist die gesellschaftliche Nachfrage schneller befriedigt. Es werden zusätzliche Arbeitskräfte<br />

für die produktive Nutzung frei. Die Sphäre der Verwertung kann so fortlaufend ausgedehnt<br />

werden. Neue Produkte und neue Branchen erschließen immer wieder neue Verwertungsquellen.<br />

Die Expansion <strong>in</strong> neue und entwickelbare Märkte verschafft der sich ausweitenden Produktion<br />

die ausreichende neue Nachfrage. Plötzlich wächst die Zahl der "Wertbildner oder Arbeitskrafte<strong>in</strong>sauger"<br />

und mit ihr die Zahl der Mehrwertquellen. Völlig konfliktfrei? Im Gegenteil.<br />

Den <strong>in</strong>neren Widersprüchen dieses expansiven Prozesses werden wir an vielen Stellen immer<br />

wieder begegnen, und wir werden sie unter dem Stichwort "Krise" ausführlicher diskutieren.<br />

53. Hat die Debatte über die M<strong>in</strong>destsicherung oder den M<strong>in</strong>destlohn irgendetwas mit dem<br />

Wert der Arbeitskraft zu tun?<br />

Nur <strong>in</strong>sofern, als sie <strong>Teil</strong> e<strong>in</strong>er Kampagne ist, die Löhne auf breiter Front abzusenken. M<strong>in</strong>destsicherung<br />

z.B. für Hartz IV Empfänger oder die jetzt vom DGB geforderten M<strong>in</strong>destlöhne s<strong>in</strong>d politische<br />

Setzungen, <strong>in</strong> denen sich die bekämpfenden Interessen äußern. Die M<strong>in</strong>destlöhne sollen<br />

dem Druck auf die Löhne e<strong>in</strong>e untere Schranke setzen; das ist also e<strong>in</strong>e defensive Gewerk-<br />

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