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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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funktionieren. Wo das dem <strong>in</strong>dividuellen Kapital nicht gel<strong>in</strong>gt, löst sich das Kapitalverhältnis für den e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> Pleite,<br />

für die vielen <strong>in</strong> Arbeitslosigkeit auf. Wo die Reproduktion im Ganzen gestört wird, geht’s <strong>in</strong> die Krise.<br />

314 Die Akteure des F<strong>in</strong>anzmarkts er<strong>in</strong>nern uns an die beiden Weber <strong>in</strong> Andersens Märchen. Die versprechen dem<br />

Kaiser Kleider, die so wunderschön seien, dass angeblich nur kompetente und kluge Menschen sie sehen könnten.<br />

Natürlich lassen sie sich vorher bezahlen. Mit diesem e<strong>in</strong>fachen Trick setzten die beiden Weber (fast) alle<br />

Welt unter Druck, und schließlich wußte niemand mehr, was er eigentlich wußte.<br />

Da müssen wir dem Mädchen nacheifern, das unbee<strong>in</strong>druckt <strong>von</strong> der Propaganda ausruft: "Der Kaiser ist ja<br />

nackt!" Die hätte ohne Zweifel das Zeug zu e<strong>in</strong>er guten PolitÖkonom<strong>in</strong>. Kleider, die nur <strong>von</strong> klugen Menschen<br />

gesehen werden, s<strong>in</strong>d genauso selten, wie e<strong>in</strong> Verwertungsprozess ohne Arbeitsprozess.<br />

315 Weil jede Akkumulation an die sich ausweitende stoffliche Basis gebunden ist, schreibt M.: "Um zu akkumulieren,<br />

muß man e<strong>in</strong>en <strong>Teil</strong> des Mehrprodukts <strong>in</strong> Kapital verwandeln. Aber, ohne Wunder zu tun, kann man nur<br />

solche D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> Kapital verwandeln, die im Arbeitsprozeß verwendbar s<strong>in</strong>d, d.h. Produktionsmittel, und des ferneren<br />

D<strong>in</strong>ge, <strong>von</strong> denen der Arbeiter sich erhalten kann, d.h. Lebensmittel. Folglich muß e<strong>in</strong> <strong>Teil</strong> der jährlichen<br />

Mehrarbeit verwandt worden se<strong>in</strong> zur Herstellung zusätzlicher Produktions- und Lebensmittel, im Überschuß über<br />

das Quantum, das zum Ersatz des vorgeschossenen Kapitals erforderlich war. Mit e<strong>in</strong>em Wort: der Mehrwert ist<br />

nur deshalb <strong>in</strong> Kapital verwandelbar, weil das Mehrprodukt, dessen Wert er ist, bereits die sachlichen Bestandteile<br />

e<strong>in</strong>es neuen Kapitals enthält." (MEW 23, S.606f)<br />

Akkumulation des e<strong>in</strong>zelnen Kapitals ist nur möglich bei Akkumulation aller Kapitale, mit denen es verbunden ist,<br />

durch Ausrichtung des Mehrprodukts auf Wachstum. Wird die Produktion <strong>von</strong> Gullydeckeln ausgeweitet, liegt<br />

dem vielleicht die Ausweitung der Kanalisation zugrunde, ist aber nur möglich, wenn genügend Masch<strong>in</strong>en, Roheisen,<br />

Transportkapazität und Arbeitskräfte, dann natürlich auch Nahrung und Wohnung und Heizmaterial für die<br />

Arbeitskräfte verfügbar s<strong>in</strong>d, die für den Bau der Kanalisation und für die Produktion der Gullydeckel benötigte<br />

werden. Alles greift <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander. Hier f<strong>in</strong>den wir den ersten H<strong>in</strong>weis darauf, warum die kapitalistische Produktionsweise<br />

gerade über das private Akkumulations<strong>in</strong>teresse der e<strong>in</strong>zelnen Kapitale so eng mit dem "Wirtschaftswachstum"<br />

als gesellschaftspolitischer Orientierung verbunden ist.<br />

316 Kapitalistische Marktwirtschaft ist massenweiser Bl<strong>in</strong>dflug der konkurrierenden Kapitale im Versuch-und-<br />

Irrtum-Schema. Wo es kracht, korrigiert man den Irrtum. Doch <strong>in</strong> bestimmten Bereichen gibt es auch Absprachen,<br />

etwa im Bereich der Normierung und Standardisierung, die jedem Vorteile br<strong>in</strong>gen. Aber so lange durch staatliche<br />

oder quasi-staatlich Beihilfe solche Standards noch nicht existieren, versucht jeder, se<strong>in</strong>e eigene Entwicklung<br />

zum Standard zu machen. <strong>Das</strong> ist harter Wirtschaftskrieg mit zahlreichen Opfern. Die Geschichte der Unterhaltungselektronik<br />

hat solche Vorgänge immer wieder mal e<strong>in</strong>er breiteren Öffentlichkeit präsentiert; etwa bei der<br />

Durchsetzung e<strong>in</strong>er gültigen Norm für das Farbfernsehen <strong>in</strong> den 1960ern oder für das digitale Fernsehen vor e<strong>in</strong>igen<br />

Jahren. Zur Begrenzung exzessiver, womöglich ru<strong>in</strong>öser Wirtschaftskriege um Normen existiert e<strong>in</strong> breites<br />

Netz an Verbänden und Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften, <strong>in</strong> denen die Konkurrenten diese Form der Konkurrenz begrenzen<br />

können und Festlegungen treffen, die ihrer Stärke am Markt entsprechen.<br />

Dann gibt es natürlich auch die (heute) verbotenen Absprachen über Preise und Produktionsmengen. Solche Syndikate,<br />

die bis <strong>in</strong> die 1930er Jahre bei Kohle und Stahl, aber auch <strong>in</strong> anderen Bereichen legal herrschten, s<strong>in</strong>d mit<br />

der wirtschaftlichen Neuordnung nach dem 2. Weltkrieg als formelle Zusammenschlüsse verboten worden. In allen<br />

entwickelten kapitalistischen Ländern wachen sogenannte Kartellbehörden oder Anti-Trust-Kommissionen<br />

darüber, dass e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß an Konkurrenz zum<strong>in</strong>dest der Form nach bestehen bleibt. Wer aber die Bewegungen<br />

der Preise <strong>von</strong> Benz<strong>in</strong> oder Rohstoffen verfolgt, weiß, dass man ke<strong>in</strong> Syndikat benötigt, um sich zu e<strong>in</strong>igen.<br />

<strong>Das</strong> Augezw<strong>in</strong>kern im Industrie- oder Countryclub <strong>von</strong> CEO zu CEO genügt und läßt sich nicht beweisen.<br />

Durch das enorme Wachstum entstehen auch im Inneren der Kapitale große Bereiche, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e zentrale Planung<br />

konzernweit dom<strong>in</strong>iert, die man auf gesellschaftlicher Ebene so sehr verabscheut. Der Abscheu vor gesellschaftlicher<br />

Planung entspr<strong>in</strong>gt nicht der Vorliebe für Bl<strong>in</strong>dflüge, sondern dient dem Erhalt der Eigentumsrechte<br />

und damit der Machtstrukturen, die durch gesellschaftliche Planvorgaben bedroht würden, wie auch immer diese<br />

aussähen.<br />

317 "Die Zusammensetzung des Kapitals ist <strong>in</strong> zweifachem S<strong>in</strong>n zu fassen. Nach der Seite des Werts bestimmt sie<br />

sich durch das Verhältnis, wor<strong>in</strong> es sich teilt <strong>in</strong> konstantes Kapital oder Wert der Produktionsmittel und variables<br />

Kapital oder Wert der Arbeitskraft, Gesamtsumme der Arbeitslöhne. Nach der Seite des Stoffs, wie er im Produktionsprozeß<br />

fungiert, teilt sich jedes Kapital <strong>in</strong> Produktionsmittel und lebendige Arbeitskraft; diese Zusammenset-<br />

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