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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Zwischenfrage 48: Ist Geschichte nur e<strong>in</strong> wirres Knäuel aus vielen Milliarden tagtäglicher Handlungen<br />

oder liegt ihr e<strong>in</strong>e Richtung zugrunde? (S.199)<br />

M. spricht vom Kapitalisten an verschiedenen Stellen als e<strong>in</strong>er Charaktermaske und als Personifikation<br />

e<strong>in</strong>er ökonomischen Kategorie 230 ; er verwendet "Kapitalist" als Platzhalter für e<strong>in</strong>e gesellschaftliche<br />

Rolle. Welche Individuen diese Rolle ausfüllen, war und ist für M.s Analyse ganz<br />

gleichgültig. Die Rolle ist das Ergebnis des historischen Prozesses selbst, der wiederum das Ergebnis<br />

all der milliardenfachen Handlungen der Millionen Menschen ist, die (ohne es zu wissen)<br />

ihre Geschichte selbst aus all dem vorgefundenen Stoff gemacht haben, der ihnen <strong>von</strong> den vorigen<br />

Generationen vererbt wurde, denen es zu ihrer Zeit mit ihrer eigenen Geschichte nicht anders<br />

gegangen war. Uns geht es mit unserer eigenen Geschichte übrigens ebenso: Wir treiben<br />

sie mit unseren milliardenfachen alltäglichen Handlungen genauso voran wie die Generationen<br />

vor uns. 231<br />

Wie beim Kapitalisten haben wir es auch bei der Arbeitskraft immer mit wirklichen Menschen zu<br />

tun; <strong>in</strong> unserer Analyse aber steht "Ware Arbeitskraft" zunächst für die unter Kapitalregie angewendete,<br />

allen Menschen <strong>in</strong>newohnende Produktivkraft. Manche <strong>von</strong> M.s Kritikern sehen <strong>in</strong><br />

dieser Betrachtungsweise e<strong>in</strong>e "Tendenz zur Ent-Menschlichung", e<strong>in</strong>e Reduzierung des Menschen<br />

auf se<strong>in</strong>e Funktionen im Arbeitsprozess. Sie werfen ausgerechnet 232 M. vor, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Analyse<br />

unter dem Deckmantel der Abstraktion das "Menschliche am Menschen" zu vernichten und<br />

soziale Verhältnisse auf ökonomische Funktionen zu reduzieren. Unfug. Es s<strong>in</strong>d die <strong>von</strong> M. analysierten<br />

kapitalistischen Produktionsverhältnisse, <strong>in</strong> denen der Mensch als Arbeitskraft zur Ware<br />

und zum Anhängsel des Masch<strong>in</strong>ensystems wird. Es s<strong>in</strong>d die wirklichen Verhältnisse zur Verantwortung<br />

zu ziehen, nicht deren Analyse.<br />

Diese Verhältnisse wälzen alles um. Es geht nicht mehr um den e<strong>in</strong>zelnen Warenproduzenten,<br />

der sich morgens an se<strong>in</strong>e Töpferscheibe setzt und abends soundsoviele Teller und Krüge hergestellt<br />

hat. Diese unmittelbare B<strong>in</strong>dung der Arbeitskraft an das Produkt löst sich im kapitalistisch<br />

organisierten Arbeitsprozess vollständig auf. Was sollte auch das "Produkt" des Kohlenschauflers<br />

an der Dampfmasch<strong>in</strong>e se<strong>in</strong>? Was ist das Produkt des Fräsers oder Schweißers, der <strong>Teil</strong>e<br />

herstellt, die für sich gar ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n ergeben, sondern erst als Rohstoffe <strong>in</strong> anderen Arbeitsprozessen<br />

zu Produkten werden? Was ist das Produkt des Ingenieurs, der für e<strong>in</strong>e große Masch<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong> w<strong>in</strong>zig kle<strong>in</strong>es <strong>Teil</strong> konstruiert und vielleicht nicht e<strong>in</strong>mal weiß, wo und wie es später e<strong>in</strong>gesetzt<br />

wird?<br />

"...ke<strong>in</strong> Glück, sondern e<strong>in</strong> Pech"<br />

Wir haben oben bereits den gesellschaftlichen Charakter des kapitalistisch regierten Produktionsprozesses<br />

betont. Aber dadurch hören die Verwertungs<strong>in</strong>teressen der beteiligten Kapitalisten<br />

nicht auf, private Interessen zu se<strong>in</strong>, die mit den Interessen anderer Kapitalisten sowohl <strong>in</strong> Konkurrenz<br />

als auch <strong>in</strong> Abhängigkeit stehen. Behalten wir das für später im Gedächtnis! Aber was<br />

hat das für Auswirkungen auf die Stellung der Arbeitskraft? M. hat dafür den schönen Begriff<br />

des Gesamtarbeiters geprägt, der die andere Seite des gesellschaftlichen Verhältnisses darstellt,<br />

das wir Kapital nennen. Hören wir Orig<strong>in</strong>alton M.:<br />

"<strong>Das</strong> Produkt verwandelt sich überhaupt aus dem unmittelbaren Produkt des <strong>in</strong>dividuellen Produzenten<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> gesellschaftliches, <strong>in</strong> das geme<strong>in</strong>same Produkt e<strong>in</strong>es Gesamtarbeiters, d.h. e<strong>in</strong>es<br />

komb<strong>in</strong>ierten Arbeitspersonals, dessen Glieder der Handhabung des Arbeitsgegenstandes näher<br />

oder ferner stehn. Mit dem kooperativen Charakter des Arbeitsprozesses selbst erweitert sich<br />

daher notwendig der Begriff der produktiven Arbeit und ihres Trägers, des produktiven Arbei-<br />

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