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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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die Krise zusätzlich über das Kreditsystem fortpflanzen. So wird aus der Krise weniger Kapitale unter bestimmten<br />

Umständen e<strong>in</strong>e Krise sehr vieler Kapitale <strong>von</strong> gesellschaftlichem Ausmaß.<br />

Kapitalistische Vergesellschaftung ist Erfolgsstory und Leidensgeschichte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em. Auch wenn die privaten Kapitale<br />

objektiv mite<strong>in</strong>ander vergesellschaftet s<strong>in</strong>d, so bleiben es doch separate private Interessen, die mite<strong>in</strong>ander<br />

konkurrieren. Mit den Interessen der Gesellschaft, etwa an kont<strong>in</strong>uierlicher, krisenfreier Reproduktion, stehen<br />

diese Interessen ständig auf dem Kriegsfuß - ob die privaten Kapitale das wollen oder nicht.<br />

463 Die Gefahr bestünde sogar dann, wenn das fixierte Kapital nicht kreditf<strong>in</strong>anziert wäre. Dafür sorgt der moralische<br />

Verschleiß der Anlagen, ihre Entwertung durch technische Weiterentwicklung. Je schneller diese Entwicklung<br />

voranschreitet, desto größer die Gefahr, dass die eigenen Anlagen veralten und h<strong>in</strong>ter der Produktivität der<br />

neuen Anlagen zurückbleiben.<br />

Mit der Rolle des Kredits werden solche Entwertungen verstärkt und es entsteht dadurch e<strong>in</strong> weiterer Kanal, über<br />

den sich die Verwertungsprobleme e<strong>in</strong>zelner Kapitale auf andere übertragen und als Störfaktor im Kreditsystem<br />

sogar die Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen des Gesamtkapitals verändern können.<br />

464 MEW 24, S.185. Wir s<strong>in</strong>d dieser Triebkraft erstmals begegnet, als wir den Prozess <strong>von</strong> außen als Produktion<br />

relativen Mehrwerts untersuchten. Von dem sagte M., er "revolutioniert durch und durch die technischen Prozesse<br />

der Arbeit und die gesellschaftlichen Gruppierungen." (MEW 23, S.532f) Jetzt sehen wir uns an, was die<br />

Triebkraft, das ist Konkurrenz und Verwertungszwang, im <strong>in</strong>neren des Zirkulationsprozesses anrichtet.<br />

465 Denken wir an den Gullydeckel-Mann, der durch technische Innovationen die Produktivität se<strong>in</strong>er Arbeiter<br />

steigerte. Folge: <strong>Das</strong> fixe Kapital se<strong>in</strong>er Konkurrenz wird entwertet. Denn die Bed<strong>in</strong>gungen der Verwertung werden<br />

jetzt durch die fortgeschrittenste Technik markiert. Die Preiskalkulation der Konkurrenz wird Makulatur. Ihr<br />

bleibt nichts anderes übrig, als die eigenen Gew<strong>in</strong>ne zu senken, um weiter mitzuhalten, oder selbst e<strong>in</strong>e beschleunigte<br />

Ersetzung der eigenen Arbeitmittel vorzunehmen, noch bevor ihre Verwertung abgeschlossen ist. In<br />

solchen Situationen ruft nicht nur der rettende Kredit, da w<strong>in</strong>kt für manche auch die Pleite!<br />

Denken wir an den Wechsel <strong>von</strong> der Schallplatte zur CD <strong>in</strong> den 1980ern, die alten Branchen das Ende brachte<br />

und dafür neue Quellen erschloß. Auch an vielen anderen Stellen, etwa <strong>in</strong> der Drucktechnik oder Fotografie, hat<br />

die Digitalisierung gravierende Veränderungen, Kapitalentwertung und Umschichtung <strong>von</strong> Kapital und gesellschaftlicher<br />

Arbeit gebracht - mit allen <strong>in</strong> solchen Übergängen üblichen Spekulationsblasen und Überproduktionskrisen.<br />

Sollte es zu e<strong>in</strong>em massenweisen Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektromotor kommen, wird es zu beachtlicher<br />

Kapitalvernichtung und zu riesigen Umschichtungen <strong>von</strong> Kapital und gesellschaftlicher Arbeit kommen.<br />

dagegen werden die <strong>in</strong> der gegenwärtigen Überproduktionskrise der Automobil<strong>in</strong>dustrie sich abzeichnenden Kapitalvernichtungen<br />

und neuen Allianzen verblassen. Die alten Mehrwertquellen werden versiegen, neue müssen<br />

erschlossen werden. Was man jahrzehntelang nur propagandistisch vorgespielt hat, nämlich die Schaffung umweltverträglicher<br />

Mobilität, muß dann womöglich unter ökonomischem und politischem Druck <strong>in</strong> kurzer Zeit bewältigt<br />

werden. Da jeder der neu sich bildenden Konkurrenten an die neuen Mehrwertquellen will, s<strong>in</strong>d Produktionskapazitäten<br />

weit über die tatsächliche Nachfrage h<strong>in</strong>aus ebenso unvermeidbar wie e<strong>in</strong>e danach erneut folgende<br />

Überproduktionskrise mit tiefem Absturz. Die Massenarbeitslosigkeit wird nach kurzer Aufschwungphase<br />

als Folge der großen Investitionen mit zunächst extensiver Akkumulation abnehmen, dann aber sehr bald wieder<br />

durch Rückkehr zur <strong>in</strong>tensiven Akkumulation ansteigen und auf höherem Stand verbleiben. Im dritten <strong>Teil</strong> der<br />

<strong>Spurensuche</strong> haben wir Gelegenheit, solchen und anderen Anwendungen <strong>von</strong> M.s Theorie zu folgen.<br />

466 <strong>Das</strong> ist nur e<strong>in</strong>e andere Perspektive. Denn auch den Veränderungen der Preise etwa für Rohstoffe oder Zulieferungen<br />

liegen ja die Veränderungen der Arbeitsproduktivitäten an anderer Stelle zugrunde. Bei Preisbewegungen<br />

kommen aber auch außerökonomische E<strong>in</strong>flüsse zum Zuge: Dazu gehören die Errichtung oder der Abbau <strong>von</strong><br />

Zollschranken. <strong>Das</strong> können Kriege oder politische Machtwechsel se<strong>in</strong>, die zum Verlust <strong>von</strong> Märkten und Rohstoffquellen<br />

oder umgekehrt, zur Eroberung neuer Märkte und Rohstoffquellen führen. Bei den Rohstoffpreisen<br />

spielen zusätzlich die spekulativen Preisbewegungen e<strong>in</strong>e große Rolle, wobei sich der Zufluß des spekulierenden<br />

Kapitals wieder aus den Labilitäten <strong>in</strong> anderen Verwertungsfeldern speist.<br />

Der Krieg zwischen Ägypten und Israel 1973 und die als politische Waffe verwendete Drosselung der Erdölförderung<br />

trug über die steile Ölpreiserhöhung zur verschärften Wirtschaftskrise <strong>in</strong> den Industriestaaten bei, die bereits<br />

<strong>in</strong> der Rezessionsphase steckten. Durch den Ölpreisanstieg wurde e<strong>in</strong>e tiefe Wertrevolution mit vielfältigen Folgen<br />

ausgelöst.<br />

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