09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

deren Gebrauchswert ihm Genüge tut. Alle Waren s<strong>in</strong>d Nicht-Gebrauchswerte für ihre Besitzer, Gebrauchswerte<br />

für ihre Nicht-Besitzer. Sie müssen also allseitig die Hände wechseln. Aber dieser Händewechsel bildet ihren Austausch,<br />

und ihr Austausch bezieht sie als Werte aufe<strong>in</strong>ander und realisiert sie als Werte. Die Waren müssen sich<br />

daher als Werte realisieren, bevor sie sich als Gebrauchswerte realisieren können." (MEW Bd. 23, S.100)<br />

113 Natürlich nur die Ahnung dieser Möglichkeit. In diesem S<strong>in</strong>ne schreibt M. über die e<strong>in</strong>fachen Formen der Zirkulation:<br />

"Diese Formen schließen daher die Möglichkeit, aber auch nur die Möglichkeit der Krisen e<strong>in</strong>. Die Entwicklung<br />

dieser Möglichkeit zur Wirklichkeit erfordert e<strong>in</strong>en ganzen Umkreis <strong>von</strong> Verhältnissen, die vom Standpunkt<br />

der e<strong>in</strong>fachen Warenzirkulation noch gar nicht existieren." (MEW 23, S.128)<br />

114 Subsistenzwirtschaft bezeichnet e<strong>in</strong>e Produktionsweise, <strong>in</strong> der die Produzenten (Stamm, Sippe, Haushalt) nur<br />

zur Deckung des eigenen Bedarfs und nicht für den Austausch produzieren. Diese Produktionsweise dom<strong>in</strong>ierte<br />

über den größeren <strong>Teil</strong> der menschlichen Geschichte. In Europa war noch bis <strong>in</strong> die Neuzeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> der Anteil der<br />

Subsistenzwirtschaft vermutlich größer als der der Warenwirtschaft, aber sobald die Subsistenzwirtschaft e<strong>in</strong>en<br />

dauerhaften Überschuß produzierte, der dem Austausch zur Verfügung stand, war sie wichtiger Motor für die<br />

Herausbildung der Tauschverhältnisse und für die Etablierung der Warenproduktion.<br />

115 M. setzt diese Entwicklung als historisch gegeben voraus und kann sie daher <strong>in</strong> wenigen Sätzen abhandeln:<br />

"Die Personen existieren hier nur füre<strong>in</strong>ander als Repräsentanten <strong>von</strong> Ware und daher als Warenbesitzer. Wir<br />

werden überhaupt im Fortgang der Entwicklung f<strong>in</strong>den, daß die ökonomischen Charaktermasken der Personen<br />

nur die Personifikationen der ökonomischen Verhältnisse s<strong>in</strong>d, als deren Träger sie sich gegenübertreten." (MEW<br />

23, S.99f)<br />

<strong>Das</strong> geht bei M. wal wieder ratzfatz, aber er produziert sich eben nicht als Historiker. Wenn wir die Warenproduktion<br />

als Historiker untersuchen, haben wir die nach Zeit, Ort und Branche unterschiedlichen Prozesse zu beachten.<br />

In der politischen Ökonomie suchen wir die strukturellen Entwicklungsl<strong>in</strong>ien im historischen Stoff. Wenn<br />

wir weiterh<strong>in</strong> <strong>von</strong> "Warenproduzenten", <strong>von</strong> "Käufern" und "Verkäufern" sprechen, sehen wir e<strong>in</strong>zelne Personen<br />

vor uns, me<strong>in</strong>en aber die sozialen Klassen, die sich mit den zugrunde liegenden Produktionsverhältnissen<br />

herausbilden.<br />

Die "Charaktermaske", die M. erwähnt, greift auf Formen des Theaters zurückt, <strong>in</strong> dem bestimmte Charaktere<br />

durch vorgehaltene Masken dargestellt wurden. Ähnlich treten uns <strong>in</strong>nerhalb der ökonomischen Verhältnisse Individuen<br />

als austauschbare Rollenspieler gegenüber.<br />

116 �William Ewart Gladstone (1809-1898) war <strong>in</strong>sgesamt 63 Jahre Mitglied des britischen Unterhauses, 27<br />

Jahre Kab<strong>in</strong>ettsmitglied und zwölf Jahre Premierm<strong>in</strong>ister <strong>von</strong> Großbritannien. Im Gegensatz zu diesem Zeitgenossen<br />

hatte M. ganz andere Probleme. Als ihm nach Fertigstellung se<strong>in</strong>es Manuskripts "Zur Kritik der politischen<br />

Ökonomie", e<strong>in</strong>em Vorläufer des "Kapital", das Geld fürs Porto fehlte, um es nach Preußen abzusenden, schrieb<br />

er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief an Engels am 2<strong>1.</strong><strong>1.</strong>1859: "Ich glaube nicht, dass unter solchem Geldmangel je über 'das Geld'<br />

geschrieben worden ist. Die meisten autores über dies subject waren <strong>in</strong> tiefem Frieden mit the subject of their<br />

researches (= mit dem Gegenstand ihrer Forschung)." (MEW 29, S.385)<br />

117 An dieser Stelle der übliche H<strong>in</strong>weis: Wir sprechen <strong>von</strong> struktureller Analyse des historischen Stoffs. <strong>Das</strong> heißt<br />

eben nicht, M.s Analyse als Geschichtsschreibung zu sehen, vielmehr als Verdichtung des historischen Stoffs. Die<br />

wirkliche Geschichte des Geldes sähe viel varianten- und detailreicher aus. M. bestimmt die Funktionen des Geldes<br />

und deren Wurzeln <strong>in</strong> der Warenproduktion. Er zeigt, wie sich e<strong>in</strong>e wachsende Warenproduktion das Geld<br />

schaffen muß, um sich selbst zu schaffen, und wie das Geld <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Produkt der Warenproduktion zu ihrem<br />

wichtigsten Motor wird und die Warenwirtschaft als Geldwirtschaft etabliert. Nicht mehr, nicht weniger. Die untrennbare<br />

Verb<strong>in</strong>dung der Analyse mit dem historischen Stoff durchzieht gerade auch diese "abstrakten" Kapitel<br />

zur Entfaltung der Wertform.<br />

118 <strong>Das</strong> Zitat bei M. <strong>in</strong> ausführlicher Fassung: "D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d an und für sich dem Menschen äußerlich und daher<br />

veräußerlich. Damit diese Veräußerung wechselseitig, brauchen Menschen nur stillschweigend sich als Privateigentümer<br />

jener veräußerlichen D<strong>in</strong>ge und eben dadurch als <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander unabhängige Personen gegenüberzutreten.<br />

Solch e<strong>in</strong> Verhältnis wechselseitiger Fremdheit existiert jedoch nicht für die Glieder e<strong>in</strong>es naturwüchsigen<br />

Geme<strong>in</strong>wesens, habe es nun die Form e<strong>in</strong>er patriarchalischen Familie, e<strong>in</strong>er alt<strong>in</strong>dischen Geme<strong>in</strong>de, e<strong>in</strong>es Inkastaates<br />

usw. Der Warenaustausch beg<strong>in</strong>nt, wo die Geme<strong>in</strong>wesen enden, an den Punkten ihres Kontakts mit<br />

fremden Geme<strong>in</strong>wesen oder Gliedern fremder Geme<strong>in</strong>wesen. Sobald D<strong>in</strong>ge aber e<strong>in</strong>mal im auswärtigen, werden<br />

sie auch rückschlagend im <strong>in</strong>nern Geme<strong>in</strong>leben zu Waren. Ihr quantitatives Austauschverhältnis ist zunächst ganz<br />

267

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!