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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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dungsfeld für den neuen Masch<strong>in</strong>entyp. Die Werkzeugmasch<strong>in</strong>e imitiert die Handbewegung des<br />

Arbeiters, führt sie aber schneller, gleichmäßiger und vor allem mehrfach gleichzeitig aus. Erst<br />

wenn die Arbeitsschritte, die vorher <strong>in</strong> re<strong>in</strong>er Handarbeit erledigt wurden, durch Masch<strong>in</strong>en erledigt<br />

werden, werfen die neuen Masch<strong>in</strong>en die Frage nach der Antriebskraft auf.<br />

Anfänglich ist es menschliche oder tierische Körperkraft oder preiswerte Wasser- und W<strong>in</strong>dkraft,<br />

mit denen die neuen Werkzeugmasch<strong>in</strong>en zunächst der Sp<strong>in</strong>nereien, später auch der Webereien<br />

betrieben werden. Die E<strong>in</strong>führung der Dampfkraft erfolgt erst danach und zwar ebenso zögerlich<br />

wie die E<strong>in</strong>führung der Werkzeugmasch<strong>in</strong>en zuvor. Denn ob Werkzeugmasch<strong>in</strong>e oder<br />

Dampfkraft: Ihre E<strong>in</strong>führung ist deshalb e<strong>in</strong> so wechselvoller und langwieriger Prozess, weil die<br />

produktive kapitalistische Anwendung nicht alle<strong>in</strong> an die Existenz der Technik, sondern an weitere<br />

Bed<strong>in</strong>gungen geknüpft war.<br />

Erstens mußte die manuelle Arbeit aufhören, kostengünstiger als die Masch<strong>in</strong>enarbeit zu se<strong>in</strong>,<br />

entweder als Folge steigender Löhne oder durch schlichten Mangel an Arbeitskräften oder durch<br />

<strong>in</strong>dustrielle Fertigung der Masch<strong>in</strong>en und damit durch S<strong>in</strong>ken ihrer Preise. Zweitens brauchte es<br />

für den E<strong>in</strong>satz <strong>von</strong> Masch<strong>in</strong>en und Dampfkraft und die damit verbundene Steigerung der Arbeitsproduktivität<br />

die Entwicklung entsprechend aufnahmefähiger Märkte. Deshalb setzt sich<br />

Masch<strong>in</strong>isierung und Dampfkraft <strong>in</strong> den verschiedenen Branchen und Regionen zu unterschiedlichen<br />

Zeiten und erst über e<strong>in</strong>en recht langen Zeitraum h<strong>in</strong>weg durch: Im Bergbau zur Verstärkung<br />

der Pumpleistungen früher als <strong>in</strong> der Textil<strong>in</strong>dustrie, wo billige Frauen- und K<strong>in</strong>derarbeit<br />

die E<strong>in</strong>führung verzögerte.<br />

Wir kommen <strong>in</strong> wenigen Kapiteln darauf zu sprechen, warum die steigenden Löhne <strong>in</strong> der <strong>1.</strong><br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts und die zunehmenden Klassenkämpfe <strong>in</strong> den Betrieben mehr zur<br />

Beschleunigung der <strong>in</strong>dustriellen Revolution beigetragen haben als irgende<strong>in</strong> "Technik<strong>in</strong>st<strong>in</strong>kt"<br />

oder "Innovationstrieb" der Kapitalisten, wenn es auch unter den Kapitalisten der Zeit wahrhaftig<br />

begabte Techniker und starke, erf<strong>in</strong>dungsreiche Persönlichkeiten gab.<br />

Verglichen damit nehmen sich heutige Nieten <strong>in</strong> Nadelstreifen mit ihren wechselnden Geschäftsmodellen,<br />

designten F<strong>in</strong>anzprodukten und allgegenwärtigen Excel-Grafiken recht armselig<br />

aus. Doch armselig bedeutet nicht ärmlich. Denn die heutigen Vertreter der Klasse verdienen<br />

trotzdem sehr viel mehr als ihre wirklich kreativen und <strong>in</strong>novativen Vorgänger; und sie regieren<br />

über viel mehr Kapital als diese und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage, auch viel mehr Unheil zu stiften.<br />

5<strong>1.</strong> Ist M.s Analyse nicht schon wegen der gravierenden sozialen Veränderungen seit 1865<br />

hoffnungslos veraltet?<br />

Die Frage hatten wir schon <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>leitung, aber man sollte sich immer wieder damit ause<strong>in</strong>andersetzen.<br />

Immerh<strong>in</strong> ist es M.s Analyse, die uns die <strong>in</strong>neren Triebkräfte dieser sozialen Veränderungen<br />

offenlegt. Ist es wirklich so, dass soziale Veränderungen e<strong>in</strong>er Theorie der sozialen Veränderungen<br />

den Boden entziehen? Warum sollte ihre Gültigkeit an e<strong>in</strong>en zeitweiligen Zustand<br />

dieser sozialen Verhältnisse gebunden se<strong>in</strong>, wenn sich ansonsten <strong>in</strong> den Fundamenten der Theorie<br />

noch nichts geändert hat?<br />

Natürlich konnte M. nicht voraussehen, wie und wo und wann sich Mechanisierung und <strong>Teil</strong>automatisierung<br />

durchsetzen. M.s Bild vom Kapitalismus wurde durch die Schornste<strong>in</strong><strong>in</strong>dustrien<br />

geprägt. Ebenso g<strong>in</strong>g es dem Autor und allen anderen heute noch lebenden Menschen jenseits<br />

der 50. Natürlich wußte er so wenig wie wir vor 40 Jahren, dass e<strong>in</strong> großer <strong>Teil</strong> dieser urkapitalistischen<br />

Industrien e<strong>in</strong>mal aus den Vorreiterstaaten an die verme<strong>in</strong>tliche "Peripherie" der kapitalistischen<br />

Welt verlagert werden würde. Woher sollte M. 1865 wissen, welche Rolle die Elekt-<br />

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