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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Noch e<strong>in</strong>mal: Wert und Preis<br />

Bisher haben wir so etwas wie e<strong>in</strong> Loblied des Geldes gesungen. <strong>Das</strong> ist auch ganz richtig. Nichts<br />

anderes hat der Arbeitsteilung und damit der Entwicklung der Produktivität so auf die Sprünge<br />

geholfen, wie die endgültige Durchsetzung der Geldwirtschaft. Sie ist e<strong>in</strong>e universelle Errungenschaft<br />

der menschlichen Kultur.<br />

Aber wir können auch nicht übersehen, dass viele Zeugnisse aus dem Alltagsleben der Menschen<br />

die verderbliche Gewalt des Geldes beklagen. Geld hat nicht nur Macht über alle Waren;<br />

es macht auch zu Waren, was bisher auf ke<strong>in</strong>em Markt zu f<strong>in</strong>den war. Persönliche Dienstboten<br />

können jetzt mit Geld entlohnt, beliebige Dienstleistungen wie Waren behandelt werden. Sogar<br />

Ehre oder Gewissen oder Liebe werden käuflich. 157 Sche<strong>in</strong>bar läßt sich alles, was für irgendjemanden<br />

<strong>von</strong> Interesse ist, zu Geld machen oder mit Geld erwerben. "Geld regiert die Welt" wäre<br />

die passende folkloristische Floskel; "Jeder hat se<strong>in</strong>en Preis" das zynische Menschenbild der<br />

Geldmacht. Was uns bereits als Fetischcharakter der Ware begegnete, reproduziert sich im Geldfetisch:<br />

Es wird zum S<strong>in</strong>nbild für Leben, Sicherheit, Macht. Und ist doch nichts <strong>von</strong> dem.<br />

<strong>Das</strong> Geld hat die ihm zugeschriebene Macht nicht aus sich heraus. Auch nicht dann, wenn es<br />

uns als re<strong>in</strong>es Gold begegnet. Man mag e<strong>in</strong>en riesigen Berg Gold anbeten, weil das Material fasz<strong>in</strong>iert.<br />

Oder man mag daraus schwere Schüsseln herstellen, weil das Material leicht formbar ist.<br />

Aber außerhalb e<strong>in</strong>er Gold-Geldwirtschaft wäre jeder Goldberg auch zu nichts anderem Nutze.<br />

Nur e<strong>in</strong> Stoff, der hübsch anzusehen ist.<br />

<strong>Das</strong> Gold gew<strong>in</strong>nt se<strong>in</strong>e Macht erst über die Geldfunktion. Und jedes Geld, ob Goldmünze oder<br />

bedrucktes Papier, bezieht se<strong>in</strong>e Macht e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> aus se<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Funktion:<br />

Für den Leibdiener oder Friseur oder Politiker ist die Bezahlung mit Geld nur deshalb akzeptabel<br />

und verführerisch, weil es ihm das Tor zur Warenwelt öffnet. Nur <strong>in</strong> dieser Funktion ist es auch<br />

Schlüssel zur Macht und zur Herrschaft über Menschen. Außerhalb der Geldwirtschaft haben<br />

weder Gold noch Geld irgende<strong>in</strong>e besondere Kraft. 158<br />

Aber nicht nur die "Allmacht des Geldes" und se<strong>in</strong>e "Verderbtheit" ist e<strong>in</strong> wiederkehrendes<br />

folkloristisches Motiv, sondern auch se<strong>in</strong>e Treulosigkeit, die Unzuverlässigkeit se<strong>in</strong>es Werts, se<strong>in</strong>e<br />

Existenz als "gutes Geld" und "schlechtes Geld". 159 Auch diese im kollektiven Gedächtnis aufbewahrten<br />

Erfahrungen, dass der herrliche Schlüssel zum Warenreichtum vorübergehend se<strong>in</strong>e<br />

Kraft verlieren und entzaubert werden kann, liegt <strong>in</strong> der Geldfunktion begründet.<br />

Preis ist der Geldausdruck des Werts. Aber Preis ist nicht gleich Wert. Was wir die <strong>in</strong>teraktive<br />

Ermittlung des Werts nannten, f<strong>in</strong>det nur über den Preis statt. Der Wert als zu jedem Zeitpunkt<br />

gegebene objektive, aber faktisch unbekannte Größe, tritt <strong>in</strong> der Geldwirtschaft über die Vielzahl<br />

der Preisbildungen zu Tage. Jeder Preis ist das, worauf man sich im Austausch e<strong>in</strong>igt. Dabei<br />

widerspiegeln die Bewegungen der Preise nicht unbed<strong>in</strong>gt Bewegungen des Wertes. Denn der<br />

Preis hängt nicht nur vom Wert der jeweiligen Ware, sondern auch vom Wert der speziellen Ware<br />

ab, die <strong>in</strong> der Geldfunktion steht. 160<br />

Der Wert des Geldes wird wie der jeder anderen Ware durch die dar<strong>in</strong> verkörperte durchschnittliche<br />

gesellschatfliche Arbeit bestimmt. 161 Über die größte Zeit der Geldwirtschaft waren das<br />

vornehmlich Gold und Silber. Für die Geldware gilt, was für jede Ware gilt: Auch se<strong>in</strong> Wert ist<br />

nicht e<strong>in</strong>fach festgelegt, sondern bildet sich genauso <strong>in</strong>teraktiv, sozusagen als "Preis des Geldes".<br />

<strong>Das</strong> Geld fungiert nicht nur als allgeme<strong>in</strong>er Maßstab der Warenwerte. In der Vielzahl der Austauschprozesse<br />

f<strong>in</strong>det se<strong>in</strong> eigener Wert die Bestimmung. Als Konsequenz daraus umgibt den<br />

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