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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Denn darum geht es: Was uns heute selbstverständlich ist, die Pünktlichkeit am Arbeitsplatz, die<br />

Diszipl<strong>in</strong>, Arbeitszeiten gegen den biologischen Rhythmus und kulturelle Überlieferung, Angst<br />

vor Entlassung aus geisttötender Arbeit..., all das mußte früheren Generationen buchstäblich<br />

e<strong>in</strong>gebleut werden. Die historische Phase, der sich unsere Analyse jetzt zuwendet, ist die Phase<br />

e<strong>in</strong>er über Generationen h<strong>in</strong>weg stattf<strong>in</strong>denden Dressur. 203 Millionen Menschen, die aus ihren<br />

traditionellen Lebensverhältnissen entrissen wurden, mußten <strong>in</strong> die strenge Arbeitsdiszipl<strong>in</strong> der<br />

neuen Produktionsweise e<strong>in</strong>geübt werden. Damit wurde die Basis für die Lebensweise e<strong>in</strong>er<br />

neuen Klasse geschaffen, die wir heute Lohnabhängige oder Arbeiterklasse nennen und zu der<br />

(wahrsche<strong>in</strong>lich) auch alle gehören, die das jetzt lesen. 204<br />

Wie beg<strong>in</strong>nt die Herschaft des Kapitals über die Lohnabhängigen? Der erste Schritt <strong>in</strong> diese Richtung<br />

erfolgt unter der Regie des Handelskapitals. Zunächst wird e<strong>in</strong>e bestimmte Zahl selbständiger<br />

Produzenten durch das Handelskapital zusammengefaßt (= subsumiert). 205 <strong>Das</strong> ist <strong>in</strong> den<br />

Anfängen noch e<strong>in</strong>e Arbeitsteilung zu beiderseitigem Nutzen. Mag es sich um Handwerksprodukte<br />

oder um landwirtschaftliche Überschüsse handeln: Der Produzent beg<strong>in</strong>nt, für den Händler<br />

zu produzieren. Der nimmt ihm Last und Risiko des Verkaufs ab. Dafür erhält der Händler<br />

se<strong>in</strong>en Anteil am Mehrprodukt, das auf dieser Stufe der Entwicklung noch <strong>von</strong> selbständigen<br />

Produzenten, Handwerkern oder Bauernwirtschaften, aber ebenso oft <strong>von</strong> feudalen Gutswirtschaften<br />

erzeugt wird.<br />

Die urwüchsige Arbeitsteilung zwischen Produzent und Händler führt zu tatsächlicher Abhängigkeit<br />

der Produzenten: Wesentlicher Schritt dazu ist die Bereitstellung der Rohstoffe durch den<br />

Händler, der dadurch direkt <strong>in</strong> die Rolle e<strong>in</strong>es Geldkapitalisten schlüpft. M. bezeichnet diese frühen<br />

Formen der Produktion unter Kapitalregie als formelle Subsumtion 206 : Die Produzenten s<strong>in</strong>d<br />

zwar der Form nach (= formell) selbständig, tatsächlich aber f<strong>in</strong>det bereits e<strong>in</strong>e kapitalistische<br />

Aneignung der Produkte und e<strong>in</strong>es großen <strong>Teil</strong>s des Mehrprodukts statt. <strong>Das</strong> kl<strong>in</strong>gt harmloser,<br />

als es ist. Denn mit der formellen Subsumtion ergaben sich bereits neue und umgehend genutzte<br />

Möglichkeiten der Bereicherung auf der e<strong>in</strong>en und der Ausplünderung auf der anderen Seite.<br />

207<br />

Kooperation<br />

Indem der Geldkapitalist nicht nur Rohstoffbeschaffung und Absatz, sondern verschiedene Produzenten<br />

zu e<strong>in</strong>em Arbeitsprozess zusammenfaßt, geht man über das Verlagssystem h<strong>in</strong>aus. <strong>E<strong>in</strong>e</strong><br />

spürbar höhere Produktivität wird erreicht. Die Produzenten konzentrieren sich auf die Produktion,<br />

die im größeren Maßstab erfolgt. Betriebswirte würden heute <strong>von</strong> "Skalenökonomie"<br />

sprechen, also: Produktionsvorteile durch größeren Maßstab. Durch erste Versuche e<strong>in</strong>er Standardisierung,<br />

aber auch durch die Beseitigung <strong>von</strong> "Handwerksgeheimnissen" und "Handwerksstolz"<br />

wandelt sich der Charakter der Produktion. M. nennt diese als formelle Subsumtion<br />

erreichte neue Qualität die Kooperation, die nachfolgend alle kapitalistisch organisierten Arbeitsprozesse<br />

auszeichnet:<br />

"Es ist die erste Änderung, welche der wirkliche Arbeitsprozeß durch se<strong>in</strong>e Subsumtion unter<br />

das Kapital erfährt. Diese Änderung geht naturwüchsig vor sich. Ihre Voraussetzung, gleichzeitige<br />

Beschäftigung e<strong>in</strong>er größren Anzahl <strong>von</strong> Lohnarbeitern <strong>in</strong> demselben Arbeitsprozeß, bildet<br />

den Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktion." 208<br />

Die Überlegenheit der Kooperation im Vergleich zur isolierten Produktion der unabhängigen<br />

Produzenten vergrößert schnell ihren Wirkungsbereich und führt zum fortschreitenden Ru<strong>in</strong> der<br />

alten Handwerksbetriebe. Diese Entwicklung ist nicht schlagartig, sondern schleichend, f<strong>in</strong>det<br />

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