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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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oder Ziegen, wenn sie vorübergehend die Geldfunktion ausfüllten. So wie dabei der Wert nicht<br />

zu e<strong>in</strong>em Tierfell oder e<strong>in</strong>er Ziege wurde, wird der Wert jetzt nicht zu Geld oder Preis. Aber der<br />

Preis wird zum flexiblen, empf<strong>in</strong>dlich reagierenden Instrument des Wertgesetzes, der mal über<br />

oder mal unter dem Wert liegt und nur ausnahmsweise mit ihm übere<strong>in</strong>stimmt. 148 Die Akteure<br />

<strong>in</strong>teressiert das herzlich wenig. Gehen wir der Sache weiter auf den Grund.<br />

Der alltägliche Todessprung<br />

Was wissen wir bereits über den Zusammenhang <strong>von</strong> Wert und Preis? Mit Wert bezeichnen wir<br />

die <strong>in</strong> der Ware vergegenständlichte Arbeit, gemessen <strong>in</strong> der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit.<br />

M. nennt das die abstrakte Arbeit. Der Zusatz "gesellschaftlich" <strong>in</strong> Bezug auf die Arbeitszeit<br />

ist wichtig. Denn natürlich wird e<strong>in</strong>e Ware nicht deshalb wertvoller, weil e<strong>in</strong> Handwerker<br />

besonders umständlich oder langsam arbeitet. Der Wert bemißt sich an der im gesellschaftlichen<br />

Durchschnitt aufzuwendenden Arbeitszeit, wie sie sich <strong>in</strong> der Preisbildung zeigt. 149<br />

Dieser Durchschnitt ist den Akteuren aber nicht bekannt. Was vorher im vere<strong>in</strong>zelten Tausch<br />

ausgehandelt wurde, wird <strong>in</strong> der Geldwirtschaft über den Preis beständig ermittelt. Und der<br />

Preis ist genau das, was im Kaufakt für e<strong>in</strong>e Ware an Geld gezahlt wird. Dieser Preis wird bestenfalls<br />

zufällig dem Wert entsprechen. Und wenn das e<strong>in</strong>tritt, wird es den Akteuren dennoch<br />

verborgen bleiben. <strong>Das</strong> stört die Akteure nicht; denn die Marktteilnehmer <strong>in</strong>teressieren sich nicht<br />

für das Wertgesetz. Sie <strong>in</strong>teressieren sich dafür, wie sie möglichst günstige Preise erzielen, ob bei<br />

Kauf oder Verkauf. Und natürlich <strong>in</strong>teressiert sie das Ziel, ihr eigenes Geschäft zum<strong>in</strong>dest zu erhalten,<br />

aber viel besser noch e<strong>in</strong> gutes Geschäft zu machen.<br />

Zwischenfrage 36: Bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis? (S.190)<br />

So wird der Preis je nach Angebot und Nachfrage, abhängig <strong>von</strong> der Dr<strong>in</strong>glichkeit des Kaufs<br />

oder Verkaufs, <strong>von</strong> der Kenntnis und Geschicklichkeit der Marktteilnehmer, also abhängig <strong>von</strong><br />

durchaus subjektiven Faktoren, mal unter oder mal über dem Wert liegen. 150 <strong>Das</strong> ist die <strong>von</strong> M.<br />

als "Witz der bürgerlichen Gesellschaft" bezeichnete notwendige Abweichung <strong>von</strong> Wert und<br />

Preis. 151 Sie ist nicht die Ausnahme, ke<strong>in</strong> Praxismakel der re<strong>in</strong>en Theorie, sondern die Regel, gehört<br />

zu der Art und Weise, <strong>in</strong> der sich das Wertgesetz verwirklicht. 152<br />

Wir haben bereits festgestellt, dass der e<strong>in</strong>fache Tauschakt <strong>in</strong> der geldvermittelten Zirkulation für<br />

den Produzenten mit der Umwandlung se<strong>in</strong>er Ware <strong>in</strong> Geld (W-G) beg<strong>in</strong>nt. M. nennt das den<br />

"Salto Mortale der Ware", den alltäglichen Todessprung mit der immer wiederkehrenden<br />

Schicksalsfrage für den Produzenten: Wird die <strong>von</strong> mir geleistete und jetzt <strong>in</strong> der Ware steckende<br />

private Arbeit durch Kauf me<strong>in</strong>er Waren als gesellschaftlich notwendige Arbeit anerkannt<br />

oder nicht? Gel<strong>in</strong>gt es mir, mit me<strong>in</strong>er Ware genügend Geld aus fremder Tasche zu ziehen? Genügend,<br />

um mich als Produzenten zu erhalten?<br />

Gel<strong>in</strong>gt der alltägliche Salto Mortale nicht, dann "ist zwar nicht die Ware geprellt, wohl aber der<br />

Warenbesitzer", wie M. sarkastisch anmerkt. <strong>Das</strong> ist se<strong>in</strong>e ständige Prüfung <strong>in</strong> der arbeitsteiligen<br />

Gesellschaft, <strong>in</strong> der für e<strong>in</strong> unbekanntes gesellschaftliches Bedürfnis produziert wird, das erst als<br />

Nachfrage am Markt <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung tritt. Doch mit dem erfolgreichen Verkauf ist nur e<strong>in</strong> Tageserfolg<br />

errungen. Die Gefahr, dass der Todessprung mißl<strong>in</strong>gt, erwächst immer wieder neu: "<strong>Das</strong><br />

Produkt befriedigt heute e<strong>in</strong> gesellschaftliches Bedürfnis. Morgen wird es vielleicht ganz oder<br />

teilweise <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er ähnlichen Produktenart aus se<strong>in</strong>em Platze verdrängt." 153<br />

Ke<strong>in</strong>e Frage, dass diese Art <strong>von</strong> Produktion für den Produzenten voller Risiken steckt, die sich<br />

ihm als Unwägbarkeiten darstellen. Völlig begreiflich, wenn sich se<strong>in</strong>e gesamten Anstrengungen<br />

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