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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Wenn diese 1000 Exemplare der 3.Auflage verkauft s<strong>in</strong>d, werde ich vielleicht das Buch so umarbeiten, wie ich es<br />

jetzt unter anderen Umständen getan hätte." (MEW 35, S.246)<br />

30 Schon gar nicht wollen wir uns e<strong>in</strong>en <strong>Marx</strong>ismus der Art aneignen, den Brecht se<strong>in</strong>er Figur Ziffel, dem dicken<br />

Physiker, <strong>in</strong> den "Flüchtl<strong>in</strong>gsgesprächen" <strong>in</strong> den Mund legt. Der schwadroniert drauf los:<br />

"Me<strong>in</strong>e Kenntnis vom <strong>Marx</strong>ismus ist unvollkommen", sagt Ziffel, "so seiens lieber vorsichtig. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> halbwegs<br />

komplette Kenntnis des <strong>Marx</strong>ismus kostet heut, wie mir e<strong>in</strong> Kollege versichert hat, zwanzigtausend bis fünfundzwanzigtausend<br />

Goldmark und das ist dann ohne die Schikanen. Drunter kriegen sie nichts Richtiges, höchstens<br />

so e<strong>in</strong>en m<strong>in</strong>derwertigen <strong>Marx</strong>ismus ohne Hegel oder e<strong>in</strong>en, wo der Ricardo fehlt usw. Me<strong>in</strong> Kollege rechnet übrigens<br />

nur die Kosten für die Bücher, die Hochschulgebühren und die Arbeitsstunden und nicht was Ihnen<br />

entgeht durch Schwierigkeiten <strong>in</strong> Ihrer Karriere oder gelegentliche Inhaftierung, und er läßt weg, daß die Leistungen<br />

<strong>in</strong> bürgerlichen Berufen bedenklich s<strong>in</strong>ken nach e<strong>in</strong>er gründlichen <strong>Marx</strong>lektüre; <strong>in</strong> bestimmten Fächern wie<br />

Geschichte oder Philosophie werdens nie wieder wirklich gut se<strong>in</strong>, wenns den <strong>Marx</strong> durchgegangen s<strong>in</strong>d" (Bertolt<br />

Brecht, Flüchtl<strong>in</strong>gsgespräche, 1940/41).<br />

So weit Ziffel, der h<strong>in</strong>ters<strong>in</strong>nige Schlauberger. Wir machen das sehr viel preiswerter und ganz ohne Hegel und<br />

andere Schikanen. Dafür s<strong>in</strong>d auch unsere Ziele bescheidener. Uns würde es schon reichen, am Ende besser zu<br />

begreifen, was da um uns herum geschieht, warum etwa Massenarbeitslosigkeit zur Normalität wird, warum Unternehmen<br />

zwar Gew<strong>in</strong>ne machen, aber dennoch "Rote Zahlen" schreiben, oder warum aus e<strong>in</strong>er Tour de Profit,<br />

die sche<strong>in</strong>bar gar nicht aufhören will, plötzlich e<strong>in</strong>e miese Krise all over the world wird. Die Gefahr freilich, am<br />

Ende unserer Beschäftigung mit M.s Analysen für die Alltagssicht der D<strong>in</strong>ge und den gesunden Menschenverstand<br />

zum Problemfall zu werden, ist nicht <strong>von</strong> der Hand zu weisen.<br />

31 Gabler Wirtschaftslexikon (15.Auflage), Wiesbaden 2000. Wir f<strong>in</strong>den zwar die etwas abseitigen E<strong>in</strong>träge "politische<br />

Ökonomie der Protektion" und "politische Ökonomie der Umwelt". Doch Politische Ökonomie pur kommt<br />

nicht vor. Es sche<strong>in</strong>t, als habe zwar die Protektion und die Umwelt, nicht aber die Ökonomie etwas "Politisches".<br />

Vom Wirtschaftslexikon ebenfalls unbemerkt blieb der unter dem erweiterten Etikett Internationale Politische<br />

Ökonomie (IPÖ) etablierte Versuch, die mit der "Globalisierung" auftretenden neuartigen Fragestellungen zu <strong>in</strong>ternationalen<br />

Wirtschaftsbeziehungen und die Wechselwirkungen zwischen <strong>in</strong>ternationaler Politik und ökonomischen<br />

Prozessen zu untersuchen. Mit unserer Politischen Ökonomie hat aber auch diese Richtung ke<strong>in</strong>e bewußten<br />

Berührungspunkte. Die apolitische Wirrnis makroökonomischer Perspektiven wird bloß <strong>in</strong>ternationalisiert.<br />

E<strong>in</strong> Kenner der Szene schreibt: "Offiziell haben die Fachvertreter stets bestritten, die Weltökonomie könne etwas<br />

mit der <strong>in</strong>ternationalen Politik zu tun haben, sie gar bestimmen." Trotz <strong>in</strong>zwischen zahlreicher Lehrstühle und<br />

wissenschaftlicher Kongresse und ungezählter Publikationen "ist die Internationale Politische Ökonomie e<strong>in</strong> theorieloses<br />

'Gebiet' ohne klare Grenzen, ohne Forschungsprogramm, ohne Struktur, e<strong>in</strong>e Ansammlung <strong>von</strong> Wissen<br />

und Wissenswertem, das den Namen Wissenschaft nicht verdient. Völlig kritiklos wird der kategoriale Wirrwarr<br />

der etablierten sozialwissenschaftlichen Diszipl<strong>in</strong>en aufgegriffen und munter reproduziert: 'Politik' und 'Ökonomie',<br />

'Staat' und 'Markt', das 'Nationale' wie das 'Internationale' gelten fraglos als erste, nicht weiter zu befragende<br />

oder analysierbare Kategorien. Sie reihen sich <strong>in</strong> die etablierten Denkschemata dieser Diszipl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>, die sich<br />

damit zufrieden gibt, ab und an neue verbale Verknüpfunge <strong>von</strong> 'Markt' und 'Staat' zu verkünden." (Michael R.<br />

Krätke, Erneuerung der Politischen Ökonomie: Wo <strong>Marx</strong> unersetzlich bleibt, 2007).<br />

32 Der E<strong>in</strong>trag zur �Politischen Ökonomie lautet vollständig (Stand 3.2008): "Lange Zeit war der Ausdruck<br />

gleichbedeutend mit der Klassischen Nationalökonomie, als deren Hauptvertreter Adam Smith und David Ricardo<br />

gelten. <strong>Karl</strong> <strong>Marx</strong> griff die Ergebnisse der klassischen Nationalökonomie kritisch auf und nannte se<strong>in</strong>e Untersuchungsergebnisse<br />

'Kritik der politischen Ökonomie'. Seit dem späten 19. Jahrhundert setzte sich der Begriff<br />

Volkswirtschaftslehre durch für dasjenige <strong>Teil</strong>gebiet der Wirtschaftswissenschaften, das die gesamte Wirtschaft<br />

e<strong>in</strong>er Gesellschaft zum Gegenstand hat. In der universitären Wissenschaft h<strong>in</strong>gegen wurde der Ausdruck 'Politische<br />

Ökonomie' weitgehend ungebräuchlich, seit der neoklassische Ökonom Alfred Marshall se<strong>in</strong> Werk<br />

'Pr<strong>in</strong>ciples of Economics' betitelte und sich vom herkömmlichen 'Political Economy' distanzierte. Die Neoklassiker<br />

die Ökonomik als unpolitische Wissenschaft und orientieren sich an naturwissenschaftlich-mathematischen Methoden.<br />

Von marxistischen Autoren h<strong>in</strong>gegen wurde der Ausdruck 'Politische Ökonomie' bewusst beibehalten."<br />

Mit den "Neoklassikern" s<strong>in</strong>d die Wirtschaftslehren geme<strong>in</strong>t, die sich zwar auf Smith und Ricardo berufen, sich<br />

aber durch Verzicht auf jede Werttheorie, die Ausgrenzung <strong>von</strong> Politik und das Primat des Marktes (statt der Produktion<br />

wie bei Smith und Ricardo) ganz entscheidend da<strong>von</strong> absetzen.<br />

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