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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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dem <strong>in</strong>nern Markt e<strong>in</strong>es Landes die Ausdehnung und den festen Bestand geben, deren die kapitalistische Produktionsweise<br />

bedarf." (MEW 23, 775f)<br />

Anfänglich verlangsamten die engen Grenzen <strong>von</strong> Arbeitsmarkt und Absatzmarkt die Ausweitung der neuen Produktionsweise.<br />

Aber das Problem wurde zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> England ab 1750 recht schnell gelöst. Als der <strong>in</strong>nere Markt<br />

zu eng wurde, konnten die englischen Fabrikanten die Kolonien nicht nur als Rohstofflieferanten, sondern zunehmend<br />

auch als Absatzmärkte nutzen. <strong>Das</strong> und die E<strong>in</strong>beziehung der Länder Europas als äußeren Markt ließ<br />

dann auch den englischen B<strong>in</strong>nenmarkt <strong>in</strong> historisch neue Dimensionen wachsen. Als schließlich auch andere<br />

Länder den "englischen Weg" beschritten, wurde dieser Prozess längst durch se<strong>in</strong>en eigenen Motor angetrieben,<br />

durch die ökonomische Konkurrenz der Kapitale und die politische Konkurrenz der Staaten.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs war dieser Prozess nicht kont<strong>in</strong>uierlich. Es war ke<strong>in</strong> Triumphmarsch mit flatternden Fahnen, sondern<br />

mehr e<strong>in</strong>e vorwärts hastende Spr<strong>in</strong>g- und Hüpfprozession, immer wieder durch Krisen und Kriege und politische<br />

Interventionen unterbrochen und vorangetrieben, bis sich schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts jener Weltmarkt<br />

herausbildete, den uns M. schon im "Kommunistischen Manifest" beschreibt, und der zu unserer Zeit dabei ist,<br />

sich jedes Dorf auf diesem Planeten als Absatzmarkt zu erschließen.<br />

312 <strong>Das</strong> gilt für alle Produktionsweisen. "Reproduktion" gehört zu den an anderer Stelle bereits erwähnten verständigen<br />

Abstraktionen, die M.s Ausgangspunkte fixieren:<br />

"So wenig e<strong>in</strong>e Gesellschaft aufhören kann zu konsumieren, so wenig kann sie aufhören zu produzieren. In e<strong>in</strong>em<br />

stetigen Zusammenhang und dem beständigen Fluß se<strong>in</strong>er Erneuerung betrachtet, ist jeder gesellschaftliche<br />

Produktionsprozeß daher zugleich Reproduktionsprozeß." (MEW 23, S.591)<br />

Dieser Reproduktionsprozess, <strong>von</strong> Tag zu Tag, <strong>von</strong> Jahr zu Jahr, war den größeren <strong>Teil</strong> der Menschheitsgeschichte<br />

e<strong>in</strong>fache Reproduktion: Was produziert wurde, sicherte die Existenz der Menschen, ohne nennenswerte Produktion<br />

über diesen Bedarf h<strong>in</strong>aus. Der Kampf der Menschen um das bloße Überleben gegen die Unbilden der Natur<br />

dom<strong>in</strong>ierte. Bis sich die Produktivkräfte so weit entwickelten, um e<strong>in</strong> stabiles Mehrprodukt und damit Arbeitsteilung<br />

und Sicherheit der Existenz herauszubilden, brauchte es viele tausend Generationen. So gesehen ist die kapitalistische<br />

Produktionsweise <strong>in</strong> der Geschichte der Menschheit weniger als e<strong>in</strong> Klacks. Wenn wir den 2 Millionen<br />

Jahre umfassenden Zeitraum unserer Menschheitsgeschichte e<strong>in</strong>em 8-Stunden-Tag gleichsetzen, spielt sich<br />

der Kapitalismus gerade mal <strong>in</strong> den letzten 4,3 Sekunden ab. <strong>Das</strong> reicht kaum, um nach der Arbeit den Sp<strong>in</strong>d<br />

aufzuschließen.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>fache kapitalistische Reproduktion ist als Entscheidung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dividuellen Kapitalisten vorstellbar. Aber<br />

eher würde der den ganzen Krempel verkaufen und mit dem Geld sich sonstwo die Plautze bräunen lassen. Für<br />

die Klasse im Ganzen wäre der Verzicht auf Akkumulation ohne Perspektive. M. macht uns den Unterschied ironisch<br />

klar: "Bei jener (e<strong>in</strong>fachen Reproduktion) vermöbelt der Kapitalist den gesamten Mehrwert, bei dieser (erweiterten<br />

Reproduktion) beweist er se<strong>in</strong>e Bürgertugend durch Verzehrung nur e<strong>in</strong>es <strong>Teil</strong>s, und Verwandlung des<br />

Restes <strong>in</strong> Geld." (MEW 23, S.612)<br />

Freilich steckt h<strong>in</strong>ter der "Bürgertugend" nichts anderes als der Zwang der Konkurrenz, die "Wirkung des gesellschaftlichen<br />

Mechanismus, wor<strong>in</strong> er (der Kapitalist) nur e<strong>in</strong> Triebrad ist. Außerdem macht die Entwicklung der<br />

kapitalistischen Produktion e<strong>in</strong>e fortwährende Steigerung des <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>dustriellen Unternehmen angelegten<br />

Kapitals zur Notwendigkeit, und die Konkurrenz herrscht jedem <strong>in</strong>dividuellen Kapitalisten die immanenten Gesetze<br />

der kapitalistischen Produktionsweise als äußere Zwangsgesetze auf. Sie zw<strong>in</strong>gt ihn, se<strong>in</strong> Kapital fortwährend<br />

auszudehnen, um es zu erhalten, und ausdehnen kann er es nur vermittelst progressiver Akkumulation." (MEW<br />

23, S.618)<br />

313 MEW 23, S.604. Es ist <strong>in</strong> diesem Prozess nicht nur so, dass die Arbeiter Arbeiter bleiben, ihre soziale Stellung<br />

also reproduziert wird. Es wird auch fortwährend produziert: Die Arbeiterklasse nimmt an Mitgliedern zu, durch<br />

Vermehrung, durch Zuwanderung, durch den Verlust sozialer Positionen als Handwerker oder Händler, Bediensteter<br />

oder ru<strong>in</strong>ierter Kle<strong>in</strong>bürger. <strong>Das</strong> Lohnarbeitsverhältnis weitet sich auf immer mehr Bereiche der Gesellschaft<br />

aus.<br />

Weil wir jetzt nicht nur das Schema, sondern den Prozess sehen, wird alles ungleich komplexer. Was wir für die<br />

e<strong>in</strong>fache Warenproduktion als "salto mortale" der Ware kennenlernten, als ihre Schicksalsfrage: Werde ich verkäuflich<br />

se<strong>in</strong>?, begegnet uns jetzt viel gewichtiger. Hier muß muß der komplette Akkumulationszyklus, sich ständig<br />

erweiternd und verändernd, <strong>in</strong> allen Zusammenhängen der beteiligten Produktionsprozesses, immer wieder<br />

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