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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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ken. Beide Schranken s<strong>in</strong>d aber sehr elastischer Natur und erlauben den größten Spielraum. So<br />

f<strong>in</strong>den wir Arbeitstage <strong>von</strong> 8, 10, 12, 14, 16, 18 Stunden, also <strong>von</strong> der verschiedensten Länge.<br />

Der Kapitalist hat die Arbeitskraft zu ihrem Tageswert gekauft. Ihm gehört ihr Gebrauchswert<br />

während e<strong>in</strong>es Arbeitstags. Er hat also das Recht erlangt, den Arbeiter während e<strong>in</strong>es Tags für<br />

sich arbeiten zu lassen. Aber was ist e<strong>in</strong> Arbeitstag? Jedenfalls weniger als e<strong>in</strong> natürlicher Lebenstag.<br />

Um wieviel? Der Kapitalist hat se<strong>in</strong>e eigne Ansicht über dies ultima Thule, die notwendige<br />

Schranke des Arbeitstags. Als Kapitalist ist er nur personifiziertes Kapital. Se<strong>in</strong>e Seele ist die<br />

Kapitalseele. <strong>Das</strong> Kapital hat aber e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Lebenstrieb, den Trieb, sich zu verwerten,<br />

Mehrwert zu schaffen, mit se<strong>in</strong>em konstanten <strong>Teil</strong>, den Produktionsmitteln, die größtmögliche<br />

Masse Mehrarbeit e<strong>in</strong>zusaugen. <strong>Das</strong> Kapital ist verstorbne Arbeit, die sich nur vampyrmäßig belebt<br />

durch E<strong>in</strong>saugung lebendiger Arbeit und um so mehr lebt, je mehr sie da<strong>von</strong> e<strong>in</strong>saugt. Die<br />

Zeit, während deren der Arbeiter arbeitet, ist die Zeit, während deren der Kapitalist die <strong>von</strong> ihm<br />

gekaufte Arbeitskraft konsumiert. Konsumiert der Arbeiter se<strong>in</strong>e disponible Zeit für sich selbst,<br />

so bestiehlt er den Kapitalisten.<br />

Der Kapitalist beruft sich also auf das Gesetz des Warenaustausches. Er, wie jeder andre Käufer,<br />

suchtden größtmöglichen Nutzen aus dem Gebrauchswert se<strong>in</strong>er Ware herauszuschlagen. Plötzlich<br />

aber erhebt sich die Stimme des Arbeiters, die im Sturm und Drang des Produktionsprozesses<br />

verstummt war:<br />

Die Ware, die ich dir verkauft habe, unterscheidet sich <strong>von</strong> dem andren Warenpöbel dadurch,<br />

daß ihr Gebrauch Wert schafft und größren Wert, als sie selbst kostet. Dies war der Grund, warum<br />

du sie kauftest. Was auf de<strong>in</strong>er Seite als Verwertung <strong>von</strong> Kapital ersche<strong>in</strong>t, ist auf me<strong>in</strong>er<br />

Seite überschüssige Verausgabung <strong>von</strong> Arbeitskraft. Du und ich kennen auf dem Marktplatz nur<br />

e<strong>in</strong> Gesetz, das des Warenaustausches. Und der Konsum der Ware gehört nicht dem Verkäufer,<br />

der sie veräußert, sondern dem Käufer, der sie erwirbt. Dir gehört daher der Gebrauch me<strong>in</strong>er<br />

täglichen Arbeitskraft. Aber vermittelst ihres täglichen Verkaufspreises muß ich sie täglich reproduzieren<br />

und daher <strong>von</strong> neuem verkaufen können. Abgesehn <strong>von</strong> dem natürlichen Verschleiß<br />

durch Alter usw., muß ich fähig se<strong>in</strong>, morgen mit demselben Normalzustand <strong>von</strong> Kraft, Gesundheit<br />

und Frische zu arbeiten, wie heute. Du predigst mir beständig das Evangelium der 'Sparsamkeit'<br />

und 'Enthaltung'. Nun gut! Ich will wie e<strong>in</strong> vernünftiger, sparsamer Wirt me<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges<br />

Vermögen, die Arbeitskraft, haushalten und mich jeder tollen Verschwendung derselben enthalten.<br />

Ich will täglich nur soviel <strong>von</strong> ihr flüssig machen, <strong>in</strong> Bewegung, <strong>in</strong> Arbeit umsetzen, als sich<br />

mit ihrer Normaldauer und gesunden Entwicklung verträgt. Durch maßlose Verlängrung des Arbeitstags<br />

kannst du <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tage e<strong>in</strong> größres Quantum me<strong>in</strong>er Arbeitskraft flüssig machen, als<br />

ich <strong>in</strong> drei Tagen ersetzen kann. Was du so an Arbeit gew<strong>in</strong>nst, verliere ich an Arbeitssubstanz.<br />

Die Benutzung me<strong>in</strong>er Arbeitskraft und die Beraubung derselben s<strong>in</strong>d ganz verschiedne D<strong>in</strong>ge.<br />

Wenn die Durchschnittsperiode, die e<strong>in</strong> Durchschnittsarbeiter bei vernünftigem Arbeitsmaß leben<br />

kann, 30 Jahre beträgt, ist der Wert me<strong>in</strong>er Arbeitskraft, den du mir e<strong>in</strong>en Tag <strong>in</strong> den andren<br />

zahlst, 1/365x30 oder 1/10950 ihres Gesamtwerts. Konsumierst du sie aber <strong>in</strong> 10 Jahren, so<br />

zahlst du mir täglich 1/10950 statt 1/3650 ihres Gesamtwerts, also nur 1/3 ihres Tageswerts,<br />

und stiehlst mir daher täglich 2/3 des Werts me<strong>in</strong>er Ware. Du zahlst mir e<strong>in</strong>tägige Arbeitskraft,<br />

wo du dreitägige verbrauchst. <strong>Das</strong> ist wider unsren Vertrag und das Gesetz des Warenaustausches.<br />

Ich verlange also e<strong>in</strong>en Arbeitstag <strong>von</strong> normaler Länge, und ich verlange ihn ohne Appell<br />

an de<strong>in</strong> Herz, denn <strong>in</strong> Geldsachen hört die Gemütlichkeit auf. Du magst e<strong>in</strong> Musterbürger se<strong>in</strong>,<br />

vielleicht Mitglied des Vere<strong>in</strong>s zur Abschaffung der Tierquälerei und obendre<strong>in</strong> im Geruch der<br />

Heiligkeit stehn, aber dem D<strong>in</strong>g, das du mir gegenüber repräsentierst, schlägt ke<strong>in</strong> Herz <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

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