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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Wir glauben genau wie M. <strong>von</strong> vornhere<strong>in</strong> nicht daran, dass Krisen <strong>in</strong> der Dummheit oder Habgier<br />

der Akteure ihre Ursachen haben. Dummheit und Habgier und das ganze psychologische<br />

Profil der Akteure spielen hier dieselbe Rolle wie <strong>in</strong> allen anderen <strong>von</strong> uns schon behandelten<br />

Fragen. Es entscheidet mit, wenn sich Verlierer und Gew<strong>in</strong>ner <strong>von</strong> e<strong>in</strong>ander scheiden; und das ist<br />

besonders <strong>in</strong> Krisenzeiten der Fall. 458<br />

Gibt es überhaupt so etwas wie e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samen Ursprung der Krisen? Schließlich kommen<br />

Krisen nicht durch Klonung irgende<strong>in</strong>er kapitalistischen Musterkrise zur Welt, sondern entstehen<br />

immer neu zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten auf ihre eigene Weise. Jede hat unverwechselbare<br />

Merkmale und ihre eigene Geschichte. Schon die Krisen des englischen Freihandelskapitalismus<br />

zu M.s Zeit unterschieden sich <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander deutlich nach Entstehung, Tiefe und<br />

Wirkung. M. selbst spricht <strong>von</strong> Handels- und Kreditkrisen, <strong>von</strong> Baumwollkrisen und e<strong>in</strong>er Krise<br />

des Schiffbaus oder e<strong>in</strong>er Eisenbahnkrise. Wir hören heute <strong>von</strong> Spekulationsblasen und Strukturkrisen.<br />

Es werden Rezessionen öffentlich verkündet, wenn das Brutto<strong>in</strong>landsprodukt 459 drei<br />

Quartale h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>ander s<strong>in</strong>kt. Und wir reden <strong>von</strong> Weltwirtschaftskrisen, wenn solche Rezessionen<br />

<strong>in</strong> vielen Ländern gleichzeitig auftreten.<br />

Jede Krise läßt sich im E<strong>in</strong>zelnen untersuchen. Die Weltwirtschaftskrise <strong>von</strong> 1929 hat Bibliotheken<br />

neuer Bücher hervorgebracht. Die gegenwärtige Wirtschaftskrise hat <strong>in</strong> kurzer Zeit (sobald<br />

man sich offiziell auf ihre Existenz gee<strong>in</strong>igt hatte) e<strong>in</strong>e ganz eigene Überproduktion auf dem<br />

Buchmarkt stimuliert. So <strong>in</strong>teressant es wäre, dabei mitzumischen: Beim gegenwärtigen Stand<br />

unserer <strong>Spurensuche</strong> müssen wir bescheidener se<strong>in</strong>. In den nächsten Kapiteln geht es erstmal<br />

darum, M.s H<strong>in</strong>weise auf den Ursprung der Krisen zusammenzustellen und zu prüfen.<br />

Dem ist e<strong>in</strong>e schlechte und e<strong>in</strong>e gute Nachricht voran zu schicken. Die schlechte: M. hat im<br />

"Kapital" ke<strong>in</strong> eigenes Kapitel h<strong>in</strong>terlassen, <strong>in</strong> dem er so etwas wie e<strong>in</strong>e Krisentheorie formuliert<br />

hätte. Die gute Nachricht: Möglicherweise schien ihm das ähnlich überflüssig zu se<strong>in</strong> wie e<strong>in</strong> eigenes<br />

Kapitel zur Werttheorie. Wir haben bereits M.s Rüffel an se<strong>in</strong>e Kritiker <strong>in</strong> dieser Frage gehört.<br />

Inhalt: Warum e<strong>in</strong> eigenes Kapitel zur Werttheorie? <strong>Das</strong> ganze "Kapital" handelt doch da<strong>von</strong>.<br />

Ganz ähnlich verhält es sich wohl <strong>in</strong> Sachen Krise. An allen Ecken und Enden schaut sie<br />

hervor und M. h<strong>in</strong>terläßt uns gerade auch im 2. Band e<strong>in</strong>e Menge an Ergebnissen zu diesem<br />

Thema, die wir für spätere Verwendung zusammenfassen.<br />

Wertrevolution, Kapitalfixierung und Spekulation<br />

Als wir das Schema für die Kreislaufbewegung des Kapitals diskutierten, s<strong>in</strong>d wir M. gefolgt und<br />

haben dafür normale Verwertung unter gleichbleibenden technologischen und Preisbed<strong>in</strong>gungen<br />

unterstellt. 460 Diese Annahme war vernünftig, um erst e<strong>in</strong>mal die grundlegenden Zusammenhänge<br />

zu klären. Jetzt müssen wir allerd<strong>in</strong>gs frühere Ergebnisse e<strong>in</strong>beziehen, <strong>in</strong>sbesondere<br />

die zentrale Rolle der Konkurrenz und des Verwertungszwangs, die sich aus unseren Erkenntnissen<br />

zu Mehrwert und Akkumulation ergeben. Gleichbleibende Bed<strong>in</strong>gungen, so etwas wie e<strong>in</strong>e<br />

normale Verwertung, können wir dann vergessen. Tatsächlich ändern sich die Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

beständig und periodische Krisen, Stockungen <strong>in</strong> der Verwertung des Kapitals mit<br />

unterschiedlicher Reichweite, s<strong>in</strong>d die Folge; unser Gully-Mann könnte e<strong>in</strong> Lied da<strong>von</strong> s<strong>in</strong>gen.<br />

M. bezeichnet solche plötzlichen Veränderungen <strong>in</strong> den Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen als Wertrevolutionen<br />

461 ; das ist die Krise <strong>von</strong> ihrem Ursprung her gesehen. Anders gesagt: Alle ökonomischen<br />

Krisen der kapitalistischen Produktionsweise wurzeln <strong>in</strong> der Umwälzung der Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen.<br />

Wenn wir uns fragen, was die Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen so anfällig macht, müs-<br />

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