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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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M. beschreibt im Kapitel über den Kreislauf des produktiven Kapitals die parallele Ansammlung <strong>von</strong> Geld als dessen<br />

notwendiges Element. Wieder ist es für ihn nicht <strong>Teil</strong> der Verwertung, sondern "Schatzbildung", e<strong>in</strong>e der<br />

Verwertung entzogene "Geldsumme, die nur anwächst, weil ohne ihr Zutun vorhandenes Geld <strong>in</strong> denselben Kasten<br />

geworfen wird." (MEW 24, S.88) Aber M. weiß genau, das viel mehr dah<strong>in</strong>ter steckt:<br />

"Wir nehmen hier die Geldanhäufung <strong>in</strong> ihrer ursprünglichen realen Form, als wirklichen Geldschatz. Sie kann<br />

auch existieren <strong>in</strong> der Form <strong>von</strong> bloßen Guthaben, Schuldforderungen des Kapitalisten, der W' verkauft hat. Was<br />

die andren Formen betrifft, wo dies latente Geldkapital <strong>in</strong> der Zwischenzeit selbst <strong>in</strong> Gestalt <strong>von</strong> Geld heckendem<br />

Geld existiert, z.B. als z<strong>in</strong>stragendes Depositum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Bank, <strong>in</strong> Wechseln oder Wertpapieren irgende<strong>in</strong>er Art, so<br />

gehören sie nicht hierher. Der <strong>in</strong> Geld realisierte Mehrwert verrichtet dann besondre Kapitalfunktionen außerhalb<br />

des Kreislaufs des <strong>in</strong>dustriellen Kapitals, dem er entsprungen; Funktionen, die erstens mit jenem Kreislauf als solchem<br />

nichts zu tun haben, zweitens aber <strong>von</strong> den Funktionen des <strong>in</strong>dustriellen Kapitals unterschiedne Kapitalfunktionen<br />

unterstellen, die hier noch nicht entwickelt s<strong>in</strong>d." (MEW 24, S.88f)<br />

440 MEW 24, S.494<br />

441 MEW 24, S.182<br />

442 Die Verwertung der dem Zirkulationsprozess vorübergehend entzogenen Geldmittel über den F<strong>in</strong>anzmarkt<br />

kann für das produzierende Unternehmen sogar e<strong>in</strong>e alternative Mehrwertquelle werden - mit allen Risiken.<br />

Schon M. konnte beobachten, "daß Industrielle und Kaufleute das für den Betrieb ihres Geschäfts nötige Geldkapital<br />

<strong>in</strong> Eisenbahnspekulationen etc. werfen und durch Anleihen auf dem Geldmarkt ersetzen." (MEW 24,<br />

S.317)<br />

E<strong>in</strong> aktuelles Beispiel für diese schon M. bekannte Praxis lieferte der General Motors Konzern, der <strong>in</strong> den 1990ern<br />

<strong>in</strong> kurzer Zeit über zahlreiche Anleihen se<strong>in</strong>e Kreditschulden auf über 200 Mrd.Dollar erhöhte. Mit dem größeren<br />

<strong>Teil</strong> dieses Geldes versuchte der Konzern, auf dem F<strong>in</strong>anzmarkt hohe Renditen zu erzielen. Die erwartete positive<br />

Differenz zwischen F<strong>in</strong>anzmarktrendite und Anleihez<strong>in</strong>sen sollte die Gew<strong>in</strong>nlage des Konzerns polieren und Gelder<br />

für die Restrukturierung freisetzen. <strong>Das</strong> g<strong>in</strong>g solange gut, wie die erhofften Renditen am F<strong>in</strong>anzmarkt flossen.<br />

Mit dem Platzen der Dotcom-Blase 2001 machte man bereits erhebliche Verluste, vor allem <strong>in</strong> den Pensionsfonds.<br />

Um die aufzufüllen, versuchte man dasselbe Spiel mit der Immobilien- und Wertpapierhausse ab 2003<br />

noch e<strong>in</strong>mal. Die Wirtschaftskrise ab 2007 vernichtete e<strong>in</strong>en großen <strong>Teil</strong> des <strong>in</strong>vestierten Kapitals und zertrümmerte<br />

den Buchwert der zur Absicherung <strong>von</strong> Krediten verwendeten Investments. Die Anleiheschulden blieben.<br />

Die Kredite zur Ref<strong>in</strong>anzierung dieser Schulden wurden teurer. In kürzester Zeit waren alle liquiden Mittel verbraucht.<br />

Zusammen mit der gleichzeitig sich bahnbrechenden Überproduktionskrise <strong>in</strong> der Autobranche führte<br />

das e<strong>in</strong>en der größten Konzerne der Welt, der über enormes Produktionspotential verfügt, <strong>in</strong> den Bankrott, der<br />

nur durch erhebliche staatliche Mittel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Neugründung des Konzerns umgewandelt werden konnte (Stand:<br />

Juli 2009).<br />

443 Die stückweise Ersetzung des fixen Kapitals ist übrigens selbst e<strong>in</strong>e eigenständige Quelle <strong>von</strong> Extramehrwert.<br />

Gel<strong>in</strong>gt es, die produktive Lebensdauer des fixen Kapitals im eigenen Unternehmen über den üblichen Durchschnitt<br />

zu verlängern, erhöht sich, bei gleichbleibender Konkurrenz, der Unternehmensgew<strong>in</strong>n. Jeder Masch<strong>in</strong>ene<strong>in</strong>satz<br />

über das kalkulierte Ende h<strong>in</strong>aus bereichert den Fabrikanten. Jeder nochmals auf Fahrt geschicke Seelenverkäufer<br />

bereichert die Reederei. Jeder Verzicht auf Klimatisierung oder Staubfilterung oder Lärmdämmung <strong>in</strong><br />

den Textilfabriken, aus denen wir unsere preiswerte Kleidung beziehen, ru<strong>in</strong>iert die Gesundheit der Beschäftigten,<br />

senkt die Produktionspreise, erhöht den Gew<strong>in</strong>n der Fabrikbetreiber und Händler und senkt unsere Lebenshaltungskosten.<br />

Jede Masch<strong>in</strong>e, die über ihre Abschreibungsfrist h<strong>in</strong>aus produktiv genutzt wird, steigert den Gew<strong>in</strong>n<br />

und verbessert die Möglichkeiten zur Gestaltung der Bilanz.<br />

E<strong>in</strong> historisches Beispiel: Viele Passagiere der Preußischen Eisenbahnen Ende des 19. Jahrhunderts erlebten die<br />

"Ökonomie des fixen Kapitals" am eigenen Leibe durch immer häufigere Unfälle. <strong>Das</strong> rief am Ende sogar e<strong>in</strong>e<br />

Regierungskommission auf den Plan, die als "Ursache der Unfälle und Verspätungen die äußerste Ausnutzung<br />

des Materials" benannte, wie es <strong>in</strong> ihrem Bericht heißt, und damit den letzten Anstoß zur Verstaatlichung der<br />

Eisenbahnen gab. Über ähnliche Ersche<strong>in</strong>ungen berichten die Medien derzeit (Juli 2009): Sowohl bei der Berl<strong>in</strong>er<br />

S-Bahn wie bei den Güterbetrieben der Deutschen Bahn wurden offenbar schwerwiegende technische Mängel<br />

am Gerät durch Überalterung und verzögerte Instandsetzung festgestellt. <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d nicht nur Schlampereien der<br />

Verantwortlichen, sondern historisch tausendfach belegte typische Folgen e<strong>in</strong>er Ökonomisierung des fixen Kapitals<br />

unter Verwertungszwang, allen Sicherheitsvorschriften zum Trotz.<br />

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