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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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onik <strong>in</strong> allen Bereichen mal spielen würde? Er kannte nicht e<strong>in</strong>mal die produktive Anwendung<br />

der Elektrizität.<br />

Die grandiose Steigerung der Arbeitsproduktivität seit M.s Zeit würde ihn und se<strong>in</strong>e Zeitgenossen<br />

nicht als Fakt, aber vermutlich dem Ausmaß nach überraschen. Wie auch nicht? Selbst für<br />

die Akteure dieses Prozesses ist er schließlich immer wieder e<strong>in</strong> Gegenstand staunender Lobhudeleien.<br />

Und dass sich auf diesem Weg zu hoher Arbeitsproduktivität der Gesamtarbeiter noch<br />

weiter differenziert hat und e<strong>in</strong> großer Bereich <strong>von</strong> Dienstleistungen außerhalb der eigentlichen<br />

Produktion entstehen konnte? M. wäre auch hier über das Ausmaß und das Tempo der Differenzierung,<br />

nicht über die Tatsache selbst erstaunt.<br />

M. war ke<strong>in</strong> Prophet und hat ke<strong>in</strong>e Prophezeiungen verlautbart. Er ass ke<strong>in</strong>e Fliegenpilze, litt<br />

nicht an Verzückungen und predigte ke<strong>in</strong>e Visionen. Aber mit der Mehrwerttheorie lieferte er<br />

uns e<strong>in</strong> immens produktives Instrument zur Analyse dieser fortlaufenden Veränderungen um uns<br />

herum. Wichtig ist nur, dass se<strong>in</strong>e Analyse immer wieder aktualisiert, also auf den Stand der eigenen<br />

Zeit und Gesellschaft gehoben wird, so wie M. es <strong>von</strong> sich selbst stets gefordert hat. M.s<br />

Erkenntnisse wollen angewendet, nicht gepredigt werden. Er liefert uns die Schlüssel, aufschließen<br />

müssen wir schon selber.<br />

Was immer Konzernchefs und Wirtschaftsgurus an Begründungen liefern und vielleicht sogar<br />

selber glauben: Ihren "Unternehmensphilosophien" und "Konzernstrategien" liegt der Zwang<br />

zur Verwertung zugrunde, ob als absoluter oder relativer Mehrwert. Diese Triebkräfte s<strong>in</strong>d es<br />

nach wie vor, die unsere Arbeitswelt und damit unsere Gesellschaft ständig verändern und natürlich<br />

auch zu Veränderungen <strong>in</strong> der sozialen Struktur der Arbeiterklasse führen. Wie wir im<br />

Text schon zitierten: Der Kampf um den relativen Mehrwert "revolutioniert durch und durch die<br />

technischen Prozesse der Arbeit und die gesellschaftlichen Gruppierungen." 517<br />

Wir haben diese ständigen Veränderungen mit Formulierungen wie "sozialer Wandel", "Innovation",<br />

"weltweiter Wettbewerb" und "globalisierte Welt" längst mehr oder weniger ver<strong>in</strong>nerlicht.<br />

Wir haben uns an Masch<strong>in</strong>en und Montagebänder, an Pausengymnastik und Supervis<strong>in</strong>g,<br />

an Schichtarbeit und flexible Arbeitszeiten, an Staus vor und nach der Arbeit, an Fastfood zwischendurch,<br />

an Urlaubsritual und Psychotherapie, an Kostendruck und Psychodruck gewöhnt.<br />

Sie s<strong>in</strong>d zu e<strong>in</strong>em <strong>Teil</strong> unserer beschleunigten Lebensweise geworden.<br />

Und die meisten <strong>von</strong> uns teilen vielleicht die allgeme<strong>in</strong>e Wertschätzung für Geschw<strong>in</strong>digkeit und<br />

Pünktlichkeit 518 , für Effizienz, Effektivität und ökonomischen E<strong>in</strong>satz der Mittel. Vielleicht halten<br />

wir das alles für natürliche oder sogar für "deutsche", unbed<strong>in</strong>gt aber für erstrebenswerte Tugenden.<br />

Wir kommen womöglich <strong>in</strong>s Schleudern, wenn uns der Urlaubstrip mal mit Lebensweisen<br />

<strong>in</strong> Berührung br<strong>in</strong>gt, wo "unsere Werte" des <strong>in</strong>dustriellen Kapitalismus noch ke<strong>in</strong>eswegs als<br />

unbed<strong>in</strong>gtes Muss akzeptiert s<strong>in</strong>d. Dann stöhnen wir womöglich und erf<strong>in</strong>den "Schlamperei"<br />

und "Faulheit" als Merkmale dieser und jener "Mentalität"... Auch wenn es sich bei genauer<br />

Betrachtung bei all dem Effizienz-Gerede nur um Schlagworte e<strong>in</strong>er Produktions- und Lebensweise<br />

handelt, die uns <strong>in</strong> dieser entwickelten Form erst seit 5 Generationen, also gerade mal seit<br />

150 Jahren dressiert und dennoch <strong>in</strong> ihren Bann schlägt. Diese Bannkraft ist gewaltig, ob uns<br />

das gefällt oder nicht.<br />

52. Warum ist den Unternehmern wegen der gestiegenen Löhne der Mehrwert noch nicht<br />

ausgegangen?<br />

Wir haben bereits darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass man die Lohnentwicklung nicht nom<strong>in</strong>ell und auch<br />

nicht alle<strong>in</strong> nach der Kaufkraft, also als Reallohnentwicklung betrachten darf. Wichtigster Be-<br />

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