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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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der Fabrik, ob republikanisches Idol oder Ure<strong>in</strong>wohner. Der Arbeitsprozess ist so etwas wie "ewige<br />

Naurbed<strong>in</strong>gung des menschlichen Lebens". <strong>Das</strong> Produkt selbst: Weizen, Fleisch, Tontopf... trägt zunächst nur die<br />

Signatur der konkreten Arbeit, nicht die Signatur der Produktionsverhältnisse. Aber eben nur dann, wenn wir den<br />

Arbeitsprozess <strong>in</strong> "se<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen und abstrakten Momenten" darstellen. <strong>Das</strong> darf aber nur der E<strong>in</strong>stieg se<strong>in</strong>.<br />

Es sollte schon klar geworden se<strong>in</strong>, dass M. an ewigen Wahrheiten nicht <strong>in</strong>teressiert ist, auch wenn er damit gerne<br />

die Ausgangspunkte se<strong>in</strong>er Analyse fixiert. Der Übergang zu den konkreten Wahrheiten ist se<strong>in</strong> Metier. Und so<br />

werden wir sehen, dass der Übergang zum kapitalistischen Arbeitsprozess auch an den Gebrauchswerten ke<strong>in</strong>eswegs<br />

spurlos vorüber geht.<br />

Noch e<strong>in</strong>mal zurück zum Zitat. Der Wilde, der mit e<strong>in</strong>em Ste<strong>in</strong> das Wild erlegt, wird <strong>von</strong> M. am Ende des Zitats<br />

nur zu dem e<strong>in</strong>zigen Zweck bemüht, um e<strong>in</strong>en Witz samt Kalauer über die Rampe zu br<strong>in</strong>gen. Er fügt nämlich<br />

se<strong>in</strong>er Bemerkung zum Arbeitsprozess "<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen und abstrakten Momenten" die Fußnote h<strong>in</strong>zu: "Aus<br />

diesem höchst logischen Grund entdeckt wohl Oberst Torrens*) <strong>in</strong> dem Ste<strong>in</strong> des Wilden – den Ursprung des Kapitals."<br />

Und er zitierte besagten Oberst mit den Worten: "In dem ersten Ste<strong>in</strong>, den der Wilde auf die Bestie wirft,<br />

die er verfolgt, <strong>in</strong> dem ersten Stock, den er ergreift, um die Frucht niederzuziehn, die er nicht mit den Händen<br />

fassen kann, sehn wir die Aneignung e<strong>in</strong>es Artikels zum Zweck der Erwerbung e<strong>in</strong>es andren und entdecken so –<br />

den Ursprung des Kapitals." <strong>Das</strong> ist für M. natürlich starker Tobak, und er schließt die Fußnote mit der galligen<br />

Anmerkung: "Aus jenem ersten Stock ist wahrsche<strong>in</strong>lich auch zu erklären, warum stock im Englischen synonym<br />

mit Kapital ist." (MEW 23, S.199, Fußnote)<br />

*) Robert Torrens (1780-1864), britischer Offizier (daher der "Oberst"), der mit zahlreichen ökonomische Schriften<br />

an der wirtschaftpolitischen Debatte teilnahm, meist zugunsten der agrarkapitalistischen Fraktion.<br />

215 MEW 23, S.200. <strong>Das</strong> ist wieder die "Eigentumsfrage", die eben gar ke<strong>in</strong>e juristische Frage ist, sondern <strong>in</strong> den<br />

Produktionsverhältnissen wurzelt. Juristisch wird das Eigentum am Kapital und an den Produkten der per Lohn<br />

gekauften Arbeitskraft im Bürgerlichen Gesetzbuch oder im Handelsgesetzbuch oder im Wertpapierhandelsgesetz,<br />

<strong>in</strong> hunderten <strong>von</strong> Gesetzestexten und Verordnungen abgesichert, aber es hatte sich bereits etabliert, als <strong>von</strong><br />

all diesen Gesetzen noch gar nichts zu sehen war.<br />

216 "Man sieht: der früher aus der Analyse der Ware gewonnene Unterschied zwischen der Arbeit, soweit sie<br />

Gebrauchswert, und derselben Arbeit, soweit sie Wert schafft, hat sich jetzt als Unterscheidung der verschiednen<br />

Seiten des Produktionsprozesses dargestellt. Als E<strong>in</strong>heit <strong>von</strong> Arbeitsprozeß und Wertbildungsprozeß ist der Produktionsprozeß<br />

Produktionsprozeß <strong>von</strong> Waren; als E<strong>in</strong>heit <strong>von</strong> Arbeitsprozeß und Verwertungsprozeß ist er kapitalistischer<br />

Produktionsprozeß, kapitalistische Form der Warenproduktion." (MEW 23, S.211)<br />

217 Der gesellschaftliche Charakter der Produktion drückt sich auch <strong>in</strong> der wachsenden Bedeutung der allgeme<strong>in</strong>en<br />

Produktionsbed<strong>in</strong>gungen aus. <strong>Das</strong> ist M.s Bezeichnung für das, was <strong>in</strong> der bürgerlichen Ökonomie lange Zeit<br />

als "Infrastruktur", heute häufiger als "Standortfaktoren" bezeichnet wird. <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d jene Elemente der Produktion,<br />

die <strong>von</strong> vielen Produktionsprozessen geme<strong>in</strong>sam genutzt werden:<br />

"Im weitren S<strong>in</strong>n zählt der Arbeitsprozeß unter se<strong>in</strong>e Mittel außer den D<strong>in</strong>gen, welche die Wirkung der Arbeit auf<br />

ihren Gegenstand vermitteln und daher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er oder der andren Weise als Leiter der Tätigkeit dienen, alle gegenständlichen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen, die überhaupt erheischt s<strong>in</strong>d, damit der Prozeß stattf<strong>in</strong>de. Sie gehn nicht direkt <strong>in</strong><br />

ihn e<strong>in</strong>, aber er kann ohne sie gar nicht oder nur unvollkommen vorgehn. <strong>Das</strong> allgeme<strong>in</strong>e Arbeitsmittel dieser Art<br />

ist wieder die Erde selbst, denn sie gibt dem Arbeiter den locus standi und se<strong>in</strong>em Prozeß den Wirkungsraum<br />

(field of employment). Durch die Arbeit schon vermittelte Arbeitsmittel dieser Art s<strong>in</strong>d z.B. Arbeitsgebäude, Kanäle,<br />

Straßen usw." (MEW 23, S.195)<br />

218 Wir könnten an dieser Stelle unsere frühere Diskussion wieder aufnehmen, <strong>in</strong> der es um den Ursprung des<br />

Mehrwerts g<strong>in</strong>g. Da sich für den e<strong>in</strong>zelnen Kapitalisten die Wertbildung nur als Kostenrechnung darstellt und die<br />

am Markt zu zahlenden Preise schwanken, hat jeder Kapitalist die Möglichkeit, günstiger oder teurer e<strong>in</strong>zukaufen.<br />

Dementsprechend kann er kostengünstiger oder ungünstiger produzieren. Gegenüber se<strong>in</strong>en Konkurrenten<br />

br<strong>in</strong>gt ihn das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e bessere oder schlechtere Position. <strong>Das</strong> alles ändert aber nichts an der Wertbildung und<br />

schon gar nichts an der Mehrwertquelle. Lug und Betrug und Gerissenheit verschafft dem e<strong>in</strong>en Kapitalisten vielleicht<br />

zeitweilige Vorteile <strong>in</strong> der Konkurrenz. Aber wie lange? Wir kommen wieder auf unser bekanntes Resultat:<br />

Geschicklichkeit ist <strong>von</strong> Vorteil. Sie kann, wie wir später sagen werden, die Profitrate erhöhen, ist aber nicht die<br />

Quelle <strong>von</strong> Wert und schon gar nicht <strong>von</strong> Mehrwert.<br />

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