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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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lisierend. Da sich wegen der s<strong>in</strong>kenden Energiepreise sehr schnell e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>kende Inflation errechnen ließ, gab das<br />

der europäischen Zentralbank nämlich freie Hand zur Absenkung der Leitz<strong>in</strong>sen bis nahe Null Prozent.<br />

Auf der produktiven Seite, <strong>in</strong> der sogenannten Realwirtschaft, br<strong>in</strong>gt der Absturz des Ölpreises e<strong>in</strong>en Rückgang<br />

der Investitionen für die Erdölförderung um fast 200 Mrd.$ <strong>in</strong> 2009 und e<strong>in</strong>en Rückgang der Investitionen im Bereich<br />

der alternativen Energien um 40% <strong>in</strong> ähnlicher Höhe. So sehr der niedrige Ölpreis <strong>in</strong> Abteilung 2 für Entlastung<br />

sorgt, so bedeutet er für Abteilung 1 gleichzeitig e<strong>in</strong>en spürbaren Rückgang der Nachfrage und für die<br />

Weltwirtschaft möglicherweise mittelfristige Versorgungsprobleme für Rohöl. <strong>Das</strong> Beispiel soll noch e<strong>in</strong>mal unseren<br />

H<strong>in</strong>weis unterstreichen, dass jede kapitalistische Krise ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Übertragungswege<br />

hat. Jede Krise ist anders.<br />

Wer sich aber nur <strong>von</strong> den äußerlichen Merkmalen leiten läßt, übersieht leicht ihre geme<strong>in</strong>samen Grundlagen.<br />

Immobilienblase, Rohstoffspekulation, Aktienboom, Politik des billigen Geldes, Risikomanagement... all das s<strong>in</strong>d<br />

veränderbare Umstände, die nicht den Ausbruch des Vulkans hervorbr<strong>in</strong>gen, sondern nur E<strong>in</strong>fluß darauf nehmen,<br />

an welcher Stelle und mit welcher Intensität der Ausbruch erfolgt. Jede kapitalistische Krise ist anders und alle<br />

kapitalistischen Krisen s<strong>in</strong>d gleich.<br />

483 Was dem e<strong>in</strong>zelnen Akteur an Überblick fehlt, versucht die Klasse der Kapitalisten als Geme<strong>in</strong>schaftsaufgabe<br />

zu lösen. Durch viele Krisen gewitzt, hat man bei den Regierungen und Kapitalverbänden schon sehr früh spezielle<br />

Institute geschaffen, <strong>in</strong> denen ausgebildete Volkswirte und Wirtschaftsstatistiker das Wirtschaftsgeschehen <strong>in</strong><br />

Zahlen aufbereiten. Doch brauchbare Daten über den Wirtschaftsgang erhält man immer nur mit zeitlicher Verzögerung.<br />

Und selbst wenn mit goldenen Lettern und mit höchster Aktualität geschrieben stünde: Achtung!<br />

Überkapazitäten drohen! würde nichts anderes geschehen als tatsächlich immer wieder geschieht. Es werden<br />

Überkapazitäen aufgebaut. Solange es nur eben geht, wird jeder versuchen, sich <strong>von</strong> der Konjunktur e<strong>in</strong> größeres<br />

Stück abzuschneiden als der lästige Konkurrent. Alle folgen demselben Pr<strong>in</strong>zip: "Wo ich b<strong>in</strong> ist vorne. Den letzten<br />

holt die Krise." Die Vernunft sitzt <strong>in</strong> der Falle des Verwertungszwangs.<br />

484 <strong>Das</strong> Schema macht auch e<strong>in</strong>sichtig, warum etwa der deutsche Masch<strong>in</strong>enbau, wichtiger Sektor <strong>in</strong> Abteilung<br />

1, sich so stark auf den Export orientiert hat. Wäre er überwiegend auf den B<strong>in</strong>nenmarkt fixiert, hätte er wegen<br />

der zyklischen Nachfrage erheblich Auslastungsprobleme. Da aber <strong>in</strong> verschiedenen Ländern diese Zyklen meist<br />

unterschiedlich verlaufen, kommt es nicht nur zu e<strong>in</strong>er besseren Auslastung, sondern auch zu e<strong>in</strong>em Wachstum<br />

weit über die Nachfrage des B<strong>in</strong>nenmarkts h<strong>in</strong>aus. Andererseits ist die starke Exportabhängigkeit auch gefährlich,<br />

wie die gegenwärtige Krise zeigt. Auftragsrückgänge <strong>von</strong> über 50% treten jetzt auf, da die Nachfrage nach<br />

Produktionsmitteln derzeit <strong>in</strong> vielen wichtigen Exportländern zurückgeht.<br />

485 Dieselbe Vernunft, die im Herrschaftsbereich des E<strong>in</strong>zelkapitals durch viele Betriebswirte und IT-Fachleute<br />

und Buchhalter und Revisoren und Formulare und jede Menge an Controll<strong>in</strong>g und Innenrevision durchgesetzt<br />

wird, macht sich rar, sobald sich die E<strong>in</strong>zelkapitale auf dem Feld der Konkurrenz begegnen. Dann herrscht dieselbe<br />

verdrehte Vernunft wie auf jedem Schlachtfeld. Man steckt dr<strong>in</strong>. Man kommt nicht mehr raus. Nur gew<strong>in</strong>nen<br />

und überleben ist wichtig.<br />

Gesellschaftliche Bedürfnisse br<strong>in</strong>gen sich nur über den mühevollen außerökonomischen Weg, über Klassenkampf<br />

und erzwungene staatliche Interventionen zur Sprache. Dennoch spielen sie auch für die Bewältigung der<br />

Krisen e<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Ohne Errungenschaften wie das Arbeitslosengeld wären die Krisen noch tiefer und die<br />

sozialen Folgen für die Beschäftigten würden uns dann wieder an M.s Zeiten er<strong>in</strong>nern.<br />

Es hat se<strong>in</strong>e Berechtigung, wenn bürgerliche Ökonomen das Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld als "automatische<br />

Stabilisatoren" bezeichnen, weil sie <strong>in</strong> der Krise den Rückgang des <strong>in</strong>dividuellen Konsums durch<br />

Massenentlasssungen bremsen und die zahllosen Konsumentenkredite auch <strong>in</strong> Krisenzeiten absichern. Wenn dieselben<br />

Ökonomen außerhalb der Krisen mit Forderungen kommen, die auf e<strong>in</strong>e Beschneidung der automatischen<br />

Stabilisatoren h<strong>in</strong>auslaufen, die dann als "soziale Hängemagtte" und ähnliches bezeichnet werden, ist das auch<br />

nur e<strong>in</strong>e Form desselben Widerspruchs: Gesellschafts<strong>in</strong>teresse oder Verwertungs<strong>in</strong>teresse? Beides gibt es nicht<br />

gleichzeitig.<br />

486 Im Wirtschaftsjargon tituliert man den Konkurrenten am geme<strong>in</strong>samen Markt höflicher als Mitbewerber. Aber<br />

das ändert nichts an der ausschließlichen Gegnerschaft. Denn was der verkauft, kann man nicht selbst verkaufen.<br />

Dessen Gew<strong>in</strong>n ist eigener Verlust.<br />

487 "Die Tatsache, daß die Warenproduktion die allgeme<strong>in</strong>e Form der kapitalistischen Produktion ist, schließt bereits<br />

die Rolle e<strong>in</strong>, die das Geld, nicht nur als Zirkulationsmittel, sondern als Geldkapital <strong>in</strong> derselben spielt, und<br />

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