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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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eigenen Leib) und die kreative Ause<strong>in</strong>andersetzung mit anderen Sichtweisen anderer Ökonomen,<br />

Philosophen oder Politiker.<br />

Wichtig ist aber M.s Standpunkt, der Wissenschaft als "das Produkt der allgeme<strong>in</strong>en geschichtlichen<br />

Entwicklung <strong>in</strong> ihrer abstrakten Qu<strong>in</strong>tessenz" bezeichnet. 503 <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>er unserer Liebl<strong>in</strong>gssätze,<br />

mit dem M. sich e<strong>in</strong>en zentralen Grundsatz e<strong>in</strong>prägte: Die Gesellschaft ist das Subjekt (!)<br />

der Erkenntnis. Der e<strong>in</strong>zelne Wissenschaftler, mag er noch so bedeutend se<strong>in</strong>, ist nur ihr Agent,<br />

der das gesellschaftlich produzierte Wissen zwar formuliert und damit unter Umständen e<strong>in</strong>en<br />

beachtlichen <strong>in</strong>dividuellen Beitrag leistet. Aber ohne die Leistungen anderer Wissenschaftler se<strong>in</strong>er<br />

eigenen Zeit, ohne die Beiträge der vielen tausend Wissenschaftler vergangener Zeiten und<br />

vor allem: Ohne die gesellschaftliche Basis ihrer Arbeit, die milliardenfachen Alltagserfahrungen,<br />

die den Fundus gesellschaftlicher Erfahrungen erzeugen, wäre nichts dabei herausgekommen.<br />

Bei den Physikern, die mit viel Gerät arbeiten, das selbst wieder Ergebnis e<strong>in</strong>er über Generationen<br />

fortgesetzten kont<strong>in</strong>uierlichen technischen und wissenschaftlichen Arbeit ist, wird der gesellschaftliche<br />

Charakter <strong>von</strong> Erkenntnissen direkt fühlbar. Physiker arbeiten etwa an gigantischen<br />

<strong>Teil</strong>chenbeschleunigern, um den Bauste<strong>in</strong>en der Materie auf die Spur zu kommen. Ihr Arbeitsgerät<br />

ist selbst die Essenz des technischen Know-how unserer Zeit. Immer nur auf dieser<br />

Grundlage s<strong>in</strong>d weitere Fortschritte möglich.<br />

<strong>Das</strong> ist für die Gesellschaftswissenschaften nicht anders. Auch hier können Erkenntnisse über die<br />

Gesellschaft nicht nach Belieben gewonnen werden, sondern s<strong>in</strong>d an den Entwicklungsstand der<br />

Gesellschaft selbst gebunden und erhalten <strong>von</strong> dort ihre Impulse. Die politische Ökonomie des<br />

18. Jahrhunderts konnte nicht die des 19. Jahrhunderts se<strong>in</strong>. Neue Entwicklungen brachten<br />

neue Erkenntnisse. Und die politische Ökonomie unserer Zeit läßt sich nicht e<strong>in</strong>fach als Aufguß<br />

des "Kapital" herstellen, sondern muß unseren Entwicklungsstand verarbeiten – möglicherweise<br />

sogar mit anderen Ergebnissen.<br />

<strong>Das</strong> war übrigens M.s eigene Devise und machte den Entstehungsprozess des "Kapital" so<br />

langwierig. Deshalb schon 12 Jahre nach dem Ersche<strong>in</strong>en des ersten Bands se<strong>in</strong>e Hoffnung, die<br />

Zeit zu f<strong>in</strong>den, um die Veränderungen dieses Zeitraums e<strong>in</strong>arbeiten zu können.<br />

12. S<strong>in</strong>d die Ausgangsfragen des 19. Jahrhunderts: "Woher kommt der Reichtum?" und<br />

"Warum gehen Reichtum und Armut parallel?" für unsere Zeit alte Hüte? Oder <strong>in</strong> welcher<br />

Form begegnen uns diese Fragen heute?<br />

Der Kontrast zwischen Arm und Reich, der M.s Londoner Alltag bestimmte, ist nicht verschwunden.<br />

Er zeigt sich nur anders. Auch bei uns gibt es erhebliche Unterschiede im Reichtum. Wenn<br />

wir alle deutschen Haushalte nach der Höhe ihres Vermögens gruppieren, gehören den unteren<br />

50% der Haushalte nur 4% des Privatvermögens. Auf die oberen 10% der Haushalte entfallen<br />

h<strong>in</strong>gegen 42% des Privatvermögens. <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d die Erhebungen des "Armuts- und<br />

Reichtumsbericht" der Bundesregierung, der 2005 veröffentlicht wurde. Dabei wurde übrigens<br />

das oberste Prozent der Haushalte, die Superreichen, "aus Datenschutzgründen" nicht e<strong>in</strong>mal<br />

berücksichtigt.<br />

Noch deutlicher wird die ungleiche Verteilung, wenn wir nur das Betriebsvermögen, also das Eigentum<br />

an den Mehrwertquellen betrachten. Hier s<strong>in</strong>d es 6,2% der Haushalte, die über das gesamte<br />

Betriebsvermögen verfügen. <strong>Das</strong> schlägt sich <strong>in</strong> der Verteilung der Geldvermögen nieder.<br />

Die Vermögensberatung und Investmentbank Merrill Lynch (die es <strong>in</strong> der F<strong>in</strong>anzkrise fast zerbröselt<br />

hat) gibt regelmäßig e<strong>in</strong>en Report über die wirklich Reichen dieser Welt heraus. Demnach<br />

besitzen <strong>in</strong> Deutschland etwa 1% der Bevölkerung rund 60% des Geldvermögens.<br />

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