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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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90 In e<strong>in</strong>em Brief an Siegmund Schott vom 3.1<strong>1.</strong>1877 schreibt M. dazu: "In der Tat begann ich '<strong>Das</strong> Kapital' privatim<br />

genau <strong>in</strong> der umgekehrten Reihenfolge (beg<strong>in</strong>nend mit dem 3ten historischen <strong>Teil</strong>), wor<strong>in</strong> es dem Publikum<br />

vorgelegt wird, nur mit der Beschränkung, dass der erste, zuletzt <strong>in</strong> Angriff genommene Band gleich für den<br />

Druck zurechtgemacht wurde, während die beiden andren <strong>in</strong> der rohen Form blieben, welche alle Forschung<br />

orig<strong>in</strong>aliter besitzt." (MEW 34, S.307) Mit dem "historischen <strong>Teil</strong>" ist hier speziell der spätere 4. Band des "Kapital"<br />

geme<strong>in</strong>t, die "Theorien über den Mehrwert", <strong>in</strong> dem sich M. mit se<strong>in</strong>en Vorgängern und der Geschichte der<br />

Politischen Ökonomie bis <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Gegenwart ausführlich ause<strong>in</strong>andersetzt. <strong>Das</strong> gilt aber auch Allgeme<strong>in</strong>: Der<br />

Analyse im Kapital, mag sie noch so logisch und abstrakt daherkommen, liegt immer die wirkliche historische<br />

Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft zugrunde. Und wäre das nicht der Fall, wäre das Werk nichts wert.<br />

91 Adam Smith: <strong>E<strong>in</strong>e</strong> Untersuchung über Natur und Ursachen des Reichtums der Nationen (An Inquiry <strong>in</strong>to the<br />

Nature and Causes of the Wealth of Nations), 1776; David Ricardo: Grundsätze der politischen Ökonomie und<br />

der Besteuerung (Pr<strong>in</strong>ciples of Political Economy and Taxation), 1817.<br />

92 Man muß immer wieder daran er<strong>in</strong>nern, dass M. mit dem Ausgangspunkt "Ware" und "Warenproduktion"<br />

nicht nur e<strong>in</strong>en strukturellen, sondern vor allem e<strong>in</strong>en historischen Ausgangspunkt gefunden hat. Nur deshalb<br />

kann er auf die bei anderen ökonomischen Autoren so beliebten märchenhaften, sche<strong>in</strong>bar außerhalb <strong>von</strong> Raum<br />

und Zeit spielenden Rob<strong>in</strong>son-Crusoe-Geschichten und Jäger-Fischer-Anekdoten verzichten. Nicht zu vergessen:<br />

Mit der Frage nach den Voraussetzungen der Warenproduktion ist implizit schon die Frage nach ihrem Ende enthalten.<br />

93 "In der Gesamtheit der verschiedenartigen Gebrauchswerte oder Warenkörper ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e Gesamtheit<br />

ebenso mannigfaltiger, nach Gattung, Art, Familie, Unterart, Varietät verschiedner nützlicher Arbeiten – e<strong>in</strong>e gesellschaftliche<br />

<strong>Teil</strong>ung der Arbeit. Sie ist Existenzbed<strong>in</strong>gung der Warenproduktion, obgleich Warenproduktion<br />

nicht umgekehrt die Existenzbed<strong>in</strong>gung gesellschaftlicher Arbeitsteilung." (MEW 23, S.56)<br />

94 "Nur Produkte selbständiger und <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander unabhängiger Privatarbeiten treten e<strong>in</strong>ander als Waren gegenüber."<br />

(MEW 23, S.57) Deswegen reicht es nicht aus "für andere" zu produzieren. E<strong>in</strong> Produkt wird erst zur Ware,<br />

wenn es für den Austausch gegen andere Waren oder Geld produziert wird.<br />

95 M. formuliert diese Abhängigkeit der Warenproduktion <strong>von</strong> akzeptierten Eigentumsverhältnissen so: "Die Waren<br />

können nicht selbst zu Markte gehn und sich nicht selbst austauschen. Wir müssen uns also nach ihren Hütern<br />

umsehn, den Warenbesitzern. Die Waren s<strong>in</strong>d D<strong>in</strong>ge und daher widerstandslos gegen den Menschen. Wenn<br />

sie nicht willig, kann er Gewalt brauchen, <strong>in</strong> andren Worten, sie nehmen. Um diese D<strong>in</strong>ge als Waren aufe<strong>in</strong>ander<br />

zu beziehn, müssen die Warenhüter sich zue<strong>in</strong>ander als Personen verhalten, deren Willen <strong>in</strong> jenen D<strong>in</strong>gen haust,<br />

so daß der e<strong>in</strong>e nur mit dem Willen des andren, also jeder nur vermittelst e<strong>in</strong>es, beiden geme<strong>in</strong>samen Willensakts<br />

sich die fremde Ware aneignet, <strong>in</strong>dem er die eigne veräußert. Sie müssen sich daher wechselseitig als Privateigentümer<br />

anerkennen. Dies Rechtsverhältnis, dessen Form der Vertrag ist, ob nun legal entwickelt oder nicht, ist<br />

e<strong>in</strong> Willensverhältnis, wor<strong>in</strong> sich das ökonomische Verhältnis widerspiegelt. Der Inhalt dieses Rechts- oder Willensverhältnisses<br />

ist durch das ökonomische Verhältnis selbst gegeben." (MEW 23, S.99)<br />

Geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d hier nicht die Rechtsverhältnisse des gesellschaftlichen Überbaus, <strong>in</strong> denen sich die gedankliche<br />

und soziale Verarbeitung dieser Beziehungen <strong>in</strong> Institutionen manifestieren. <strong>Das</strong> "ökonomische Verhältnis" tritt<br />

nicht als Bürgerliches Gesetzbuch fertig <strong>in</strong> die Welt, sondern ist <strong>in</strong>neres Element der Warenproduktion selbst,<br />

lange bevor geschriebene Gesetze und Gerichte sich dieser Fragen annehmen. Warenproduktion kann nur als soziales<br />

und privateigentümliches Verhältnis existieren. Es gibt ke<strong>in</strong>e Ware und ke<strong>in</strong>en Austausch ohne dieses Verhältnis<br />

der privaten Produzenten als Wareneigentümer zue<strong>in</strong>ander. Deshalb läuft historisch die Herausbildung der<br />

Warenproduktion der Herausbildung <strong>von</strong> Klassen und Staat als dem obersten Hüter der Eigentumsverhältnisse<br />

parallel. Die staatliche Sicherung der Eigentumsverhältnisse sorgt dafür, dass der Tausch auch Tausch bleibt und<br />

der Raub so selten als möglich an se<strong>in</strong>e Stelle tritt.<br />

96 Zu sagen, dieser geme<strong>in</strong>same Maßstab sei das Geld, ist erstens historisch unkorrekt. Warenaustausch gab es<br />

schon, als es Geld noch nicht gegegeben hat. Und es gibt Warenaustausch dort, wo das Geld zeitweilig verschw<strong>in</strong>det,<br />

etwa im Schwarzhandel nach dem 2. Weltkrieg, wo für kurze Zeit wieder Naturaltausch herrschte und<br />

auch Zigaretten oder Nylonstrümpfe nur unvollkommener Geldersatz waren. Wir werden aber auch ohne<br />

Schwarzhandel sehen, wie sich das Geld erst aus dem Warenaustausch heraus entwickelt. Zweitens löst der<br />

Rückgriff auf das Geld nicht unser Problem. Denn dann bleibt immer noch ungeklärt, worauf sich der allen Waren<br />

geme<strong>in</strong>same Geldmaßstab gründet.<br />

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