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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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listischen Entwicklung. Es ist aber auch hier wieder nicht e<strong>in</strong>fach die Arbeitsproduktivität schlechth<strong>in</strong>, auf die es<br />

ankommt. Wie immer gilt die Feststellung: "Produktiv" im kapitalistischen S<strong>in</strong>n ist nur, was der Verwertung<br />

dient. Deshalb wurden tatsächlich viele Potentiale zur Steigerung der Arbeitsproduktivität nicht zum Zeitpunkt<br />

ihrer technischen Entdeckung, sondern mit unterschiedlich großer zeitlicher Verzögerung übernommen. Nämlich<br />

erst dann, wenn neben der technischen Realisierung auch die Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen gegeben waren. Es<br />

reicht nicht, mit dampfgetriebenen Sp<strong>in</strong>nmasch<strong>in</strong>en zu arbeiten; der E<strong>in</strong>satz der Masch<strong>in</strong>erie muß gegenüber der<br />

Arbeitskraft kostengünstiger se<strong>in</strong> und die vergrößerte Produktmasse muß natürlich auch e<strong>in</strong>en aufnahmefähigen<br />

Markt f<strong>in</strong>den.<br />

289 Meistens wird er den Weg der Marktoffensive beschreiten müssen; selten hat er die hier beschriebene Wahl.<br />

Se<strong>in</strong>e verdoppelte Produktion will verkauft werden. Wenn die Nachfrage nach Gullydeckeln nicht gleichzeitig angestiegen<br />

ist, ist der Verdrängungswetttbewerb schon programmiert. Aber wenn se<strong>in</strong>e Preispolitik gut läuft, wird<br />

er am Ende nicht nur preiswerter und mehr verkauft haben als die Konkurrenz. Er wird an jedem Gullydeckel wegen<br />

se<strong>in</strong>er gesunkenen Kosten mehr verdienen als jeder andere aus der Branche.<br />

Im übrigen gehen wir <strong>in</strong> unserem Beispiel nicht auf die Probleme e<strong>in</strong>, die unser Innovator bereits gelöst haben<br />

muß, um überhaupt se<strong>in</strong>e Produktion technisch umzukrempeln. Darauf kommen wir im Akkumulationskapitel<br />

erstmals zu sprechen und greifen die Frage nach den Bed<strong>in</strong>gungen des Wachstums wieder auf, wenn wir M.s<br />

Analyse zum Zirkulationsprozess des Kapitals folgen.<br />

290 Wir ahnen hier, warum die kapitalistische Entwicklung <strong>von</strong> Anfang an auf die Sicherung <strong>von</strong> Erf<strong>in</strong>dungen und<br />

Produktionsverfahren aus war, sei es durch strikte Geheimhaltung, Patente und staatlichen Schutz. In Zeiten gefährdeter<br />

Profitraten werden solche Maßnahmen "zum Schutz des geistigen Eigentums" sogar zu strategischen<br />

Grundfragen aufgepustet, die heute wesentlichen Raum <strong>in</strong> den diversen Welthandelsabkommen e<strong>in</strong>nehmen. Ziel:<br />

E<strong>in</strong>mal gewonnenen Vorsprung mit allen Mittel sichern, natürlich auch mit Hilfe der politischen Macht.<br />

291 Ohne Frage ist unsere Behauptung, dass gesteigerte Arbeitsproduktivität ke<strong>in</strong>e Änderung der Wertmasse<br />

bewirkt, nur bed<strong>in</strong>gt richtig. Sie gilt nur für unser vere<strong>in</strong>fachtes Beispiel. Da gesteigerte Produktivität hier<br />

überweigend als technologische Produktivität gesehen wird, wächst <strong>in</strong> der Regel der Wertumfang des e<strong>in</strong>gesetzten<br />

konstanten Kapitals; wir lernten das bereits als wachsende organische Zusammensetzung des Kapitals kennen.<br />

Wir vernachlässigen diese Wirkung wachsender Technisierung des Arbeitsprozesses an dieser Stelle mit dem<br />

Versprechen, dem Wachstum des konstanten Kapitals noch genügend Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

Zweifellos ist die Steigerung der Arbeitsproduktivität e<strong>in</strong>e zentrale Antriebskraft für das Kapital. Aber gesteigerte<br />

Arbeitsproduktivität bedeutet eben nicht sofort absolute Steigerung des Mehrwerts, sondern bewirkt erst e<strong>in</strong>mal<br />

e<strong>in</strong>e Umverteilung. Um diesen Zusammenhang richtig zu erfassen, müssen wir e<strong>in</strong>en Schritt weitergehen und das<br />

Gesamtkapital als viele agierende E<strong>in</strong>zelkapitale betrachten, die <strong>in</strong> Konkurrenz zue<strong>in</strong>ander stehen. In dieser Konkurrenz<br />

wird die Steigerung der Arbeitsproduktivität für die Kapitale zum Königsweg, um den eigenen Platz <strong>in</strong><br />

der Konkurrenz zu sichern oder durch Erzielung <strong>von</strong> Wettbewerbsvorteilen zu verbessern. Dabei gehen Steigerung<br />

<strong>von</strong> Mehrwert mit Maßnahmen zur Umverteilung des Mehrwerts zwischen den Kapitalen Hand <strong>in</strong> Hand.<br />

Klar, wir könnten diesen Schritt auch sofort vollziehen, könnten uns sagen "Schluß mit langatmigem Mehrwert-<br />

Gerede. Sehen wir uns doch stattdessen den Wettbewerb der Unternehmen an. E<strong>in</strong>ige s<strong>in</strong>d große Gew<strong>in</strong>ner, andere<br />

dümpeln vor sich h<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>ige Zehntausend jährlich werfen das Handtuch." Aber was hätten wir da<strong>von</strong>? Wir<br />

würden dann vor lauter Unternehmen den Zusammenhang nicht mehr sehen. Am Ende müßte uns notgedrungen<br />

das geschickte Kostenmanagement als Quelle der Wertschöpfung ersche<strong>in</strong>en, und wir hätten wieder unser altes<br />

Problem: Woher kommt der Mehrwert? Aber auch im entwickelten Kapitalismus br<strong>in</strong>gt cleveres Kostenmanagement<br />

ke<strong>in</strong>en Mehrwert hervor. Es sorgt nur dafür, dass das Unternehmen den Vorgaben des Wertgesetzes folgt<br />

und mit se<strong>in</strong>er Arbeitsproduktivität m<strong>in</strong>destens dem gesellschaftlichen Durchschnitt entspricht. Wer auf Dauer mit<br />

se<strong>in</strong>en Kosten über dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegt, fliegt raus. Wer darunter produziert, sichert sich<br />

e<strong>in</strong>en Wettbewerbsvorteil. Wir werden uns das noch genauer ansehen und vor allem die Widersprüche untersuchen,<br />

die daraus erwachsen.<br />

292 M. betont gerade diese Wirkung der der technischen Innovationen auf den Gesamtarbeiter: "Die Masch<strong>in</strong>erie<br />

wirkt jedoch nicht nur als übermächtiger Konkurrent, stets auf dem Sprung, den Lohnarbeiter 'überflüssig' zu machen.<br />

Als ihm fe<strong>in</strong>dliche Potenz wird sie laut und tendenziell vom Kapital proklamiert und gehandhabt. Sie wird<br />

das machtvollste Kriegsmittel zur Niederschlagung der periodischen Arbeiteraufstände, strikes usw. wider die Autokratie<br />

des Kapitals. Nach Gaskell war gleich die Dampfmasch<strong>in</strong>e e<strong>in</strong> Antagonist der 'Menschenkraft', der den<br />

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