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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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sche<strong>in</strong>bar an die Stelle der Verhältnisse treten. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> <strong>von</strong> M.s großen Leistungen ist es, die Verhältnisse h<strong>in</strong>ter den<br />

D<strong>in</strong>gen wieder sichtbar zu machen! Wir werden sehen, dass Kapital für M. nicht e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong> Faktor <strong>in</strong> der Produktion<br />

und nicht e<strong>in</strong>fach Masch<strong>in</strong>en oder Geld ist, sondern nur <strong>in</strong> der Beziehung <strong>von</strong> Kapitalist und Arbeitskräften,<br />

und dann auch nur als Privateigentum (und daher gleichzeitig als Beziehung <strong>von</strong> Kapitalist und Staat) existiert.<br />

Auch deshalb die programmatische Bezeichnung "Politische Ökonomie". Auf diesem Punkt werden wir noch<br />

häufiger herumreiten.<br />

45 Seit 1851 lag M.s Arbeitsschwerpunkt auf der politischen Ökonomie. Aber trotz se<strong>in</strong>er zahlreichen Publikationen<br />

lagen bis 1857 noch ke<strong>in</strong>e zusammenhängenden Ergebnisse vor. Nicht nur Engels drängte ihn. Auch die politischen<br />

Gefährten forderten immer häufiger, doch endlich mit Ergebnissen herauszukommen. Die erste Weltwirtschaftskrise<br />

<strong>von</strong> 1857, durch die man e<strong>in</strong>en Aufschwung der Arbeiterbewegung erwartete, brachte M. dazu, se<strong>in</strong>e<br />

Forschungsergebnisse für die Veröffentlichung vorzubereiten. Um die Sache zu beschleunigen, plante er die<br />

Herausgabe e<strong>in</strong>er Fortsetzungsreihe <strong>in</strong> Heften "Zur Kritik der politischen Ökonomie". Erschienen ist da<strong>von</strong> allerd<strong>in</strong>gs<br />

nur das erste Heft; aus se<strong>in</strong>em berühmten Vorwort haben wir den Zwischentext. Warum blieb es nur bei<br />

e<strong>in</strong>em Heft? Zum e<strong>in</strong>en war der verlegerische und publizistische Erfolg des Heftes eher bescheiden. Auch erwiesen<br />

sich die Zeiten nach der Krise als viel ruhiger; revolutionäre Entwicklungen jedenfalls blieben aus. Wichtiger<br />

aber waren M.s neuerliche Unsicherheiten, was die Darstellung se<strong>in</strong>er Ergebnisse, aber vermutlich auch e<strong>in</strong>zelne<br />

Aspekte se<strong>in</strong>er Analyse betraf. Er g<strong>in</strong>g noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> den Stoff zurück, und es dauerte dann wieder fast 10 Jahre,<br />

bis M. mit dem <strong>1.</strong> Band des "Kapital" se<strong>in</strong>e Kritik der politischen Ökonomie zur Diskussion stellte, die bis<br />

heute andauert und an der wir selber heute teilnehmen.<br />

46 E<strong>in</strong> kurzes Wort zu den Eigentumsverhältnissen, die e<strong>in</strong>e so zentrale Rolle <strong>in</strong> M.s Überlegungen spielen. Uns<br />

begegnen sie <strong>in</strong> Form <strong>von</strong> Gesetzen und Paragraphen, als Justizapparat und Polizei und Gefängnis. Aber das ist<br />

hier zunächst nicht geme<strong>in</strong>t. <strong>Das</strong> alles erwächst zwar daraus, aber als Eigentumsverhältnisse bezeichnen wir die<br />

<strong>in</strong> die sozialen Beziehungen zwischen den Gruppen selbst e<strong>in</strong>geprägten Beziehungen, die sich auch als Beziehungen<br />

der sozialen Gruppen zu den Sachen äußern, aus denen der Reichtum e<strong>in</strong>er Gesellschaft besteht. Noch<br />

vor der Polizei und dem Gefängnis gibt es bereits das sich im historischen Prozess selbst entwickelnde und legitimierende<br />

Eigentum. Es ist bereits <strong>Teil</strong> der sozialen Konfiguration, die wir Produktionsverhältnisse nennen. Polizei<br />

und Gefängnis und andere staatliche Institutionen entwickeln sich als Instrumente zur Sicherung der Eigentumsverhältnisse,<br />

br<strong>in</strong>gen sie aber nicht hervor und dürfen auch nicht mit den Eigentumsverhältnissen identifiziert<br />

werden. Anders gesagt: Die Verstaatlichung e<strong>in</strong>es Konzerns schafft zwar neue Eigentümerverhältnisse im juristischen<br />

S<strong>in</strong>ne, aber noch ke<strong>in</strong>e neuen Eigentumsverhältnisse <strong>in</strong> M.s S<strong>in</strong>ne. Dazu müßten sich auch die Beziehungen<br />

zwischen den Klassen und damit die Formen verändern, <strong>in</strong> denen der gesellschaftliche Reichtum angeeignet<br />

und genutzt wird.<br />

47 Friedrich Engels: Herrn Eugen Dühr<strong>in</strong>gs Umwälzung der Wissenschaft (MEW 20, S.136f und S.139)<br />

48 Vielen selbsternannten Analytikern kommt es gerade auf das "h<strong>in</strong>wegarbeiten" an. So brauste 2007 die Überalterungswelle<br />

über Deutschland. Dank mächtig gerührter Werbetrommeln und rühriger Medienpromotion war<br />

plötzlich die "Methusalem-Gesellschaft" <strong>in</strong> aller Munde. Sterben die Deutschen aus? Muß demnächst e<strong>in</strong> Erwerbstätiger<br />

nicht nur se<strong>in</strong>e Familie, sondern auch noch wildfremde Greise im Dutzend durchfüttern? Können wir<br />

die Rentenlasten noch schultern? usw. Geme<strong>in</strong>t war der simple Umstand, dass die wachsende Lebenserwartung<br />

und e<strong>in</strong> gehobener Lebensstandard mit dem Rückgang der K<strong>in</strong>derzahlen e<strong>in</strong>e veränderte Altersstruktur erzeugt.<br />

Gut und schön; das ist seit Beg<strong>in</strong>n der 1980er Jahre wissenschaftlich aufgearbeitet. Aber warum ersche<strong>in</strong>t das<br />

plötzlich <strong>von</strong> so zentraler Bedeutung zu se<strong>in</strong>, dass man daraus den Dreh- und Angelpunkt der gesellschaftspolitischen<br />

Debatte schnitzte? Und sogar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise, die es geradezu als persönliches Unglück ersche<strong>in</strong>en läßt,<br />

länger leben zu dürfen? Da sollte man nicht nur als Nachdenker, sondern e<strong>in</strong>fach als irgendwann Betroffener<br />

hellhörig werden. Warum will man uns ausgerechnet die Errungenschaft längeren Lebens mit angeblicher ökonomischer<br />

Vernunft madig machen?<br />

Zweifellos muß man über die demographischen Veränderungen und ihre gesellschaftlichen Folgen sprechen. Unbed<strong>in</strong>gt<br />

sogar, schließlich stecken wir persönlich ja mitten dr<strong>in</strong>. Aber warum die Leichenbittermiene? Wer über<br />

demographischen Wandel redet, muß gleichzeitig über die Entwicklung der Arbeitsproduktivität reden, die das<br />

alles ja erst möglich gemacht hat. Und wer me<strong>in</strong>t, dass sich unsere Gesellschaft alte Menschen nicht leisten<br />

kann, der muss klipp und klar sagen, wie er sich deren Entsorgung (und das bedeutet: unsere eigene Entsorgung!)<br />

und überhaupt die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums vorstellt. Ansonsten kommt nur der gewöhnliche<br />

Talk-Show-Uns<strong>in</strong>n dabei heraus. Aber vermutlich ist das sowieso der eigentliche Zweck. Alternativ<br />

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