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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Marktanalyse, Produktion auf Bestellung, demographisch fundierte Kapazitätsplanung und vieles<br />

mehr, also die Übernahme planwirtschaftlicher Elemente <strong>in</strong> die kapitalistische Produktionsweise,<br />

können die Folgen der Krise für das betroffene Kapital m<strong>in</strong>dern, aber nicht die zyklischen Krisen<br />

verh<strong>in</strong>dern, mit denen wir uns noch beschäftigen werden. Außerdem hat uns die dichte Folge<br />

der Krisen seit 1980 und der schnelle Übergang der F<strong>in</strong>anzmarktkrise <strong>von</strong> 2007 <strong>in</strong> die Weltwirtschaftskrise<br />

<strong>von</strong> 2009 die gewaltigen Krisenpotentiale demonstriert, die sich im modernen Kapitalismus<br />

noch verstärkt haben. Aber darauf e<strong>in</strong>zugehen soll den Schlußfolgerungen unserer <strong>Spurensuche</strong><br />

vorbehalten se<strong>in</strong>.<br />

32. Spielt der "Fetischcharakter der Ware" <strong>in</strong> unserem Leben überhaupt e<strong>in</strong>e Rolle? Oder ist<br />

das letztenendes doch nur e<strong>in</strong>e geschwollen formulierte Spekulation, die viel zu<br />

abgehoben ist, um praktische Bedeutung zu haben?<br />

Vielleicht ist die Sache mit dem Fetischcharakter bei M. etwas "geschwollen" formuliert. Dennoch<br />

ist sie, was die Analyse der Ideologien <strong>in</strong> der bürgerlichen Gesellschaft betrifft, e<strong>in</strong> W<strong>in</strong>k<br />

mit dem Zaunpfahl. Nämlich die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft vorhandenen Vorstellungen über diese Gesellschaft<br />

nicht e<strong>in</strong>fach als "Spiel der Ideen", sondern als Äußerungen der im ökonomischen<br />

Prozess wirkenden Interessen zu betrachten. <strong>Das</strong> hat immerh<strong>in</strong> unzählige Gesellschaftwissenschaftler<br />

weit über den Kreis der erklärten <strong>Marx</strong>isten h<strong>in</strong>aus zu großartigen Untersuchungen <strong>in</strong>spiriert.<br />

Dabei ist die Unterscheidung zwischen dem äußeren Ansche<strong>in</strong> und den dah<strong>in</strong>ter verborgenen<br />

gesellschaftlichen Verhältnissen <strong>von</strong> enormer heuristischer Bedeutung, z.B. <strong>in</strong> der Sozialpsychologie.<br />

Nehmen wir als Beispiel die für uns heute selbstverständliche Neigung, alles <strong>in</strong> Geldbegriffen<br />

auszudrücken. Etwa die Formulierung "jemand verkauft sich gut" für gewandtes Auftreten<br />

oder "das ist e<strong>in</strong>e lohnende Investition" für die Pflege <strong>von</strong> Bekanntschaften. <strong>Das</strong> ist erst <strong>in</strong> den<br />

letzten Jahrzehnten entstanden und Ausdruck e<strong>in</strong>es Bewußtse<strong>in</strong>s, bei dem das <strong>in</strong> Ware und Geld<br />

verd<strong>in</strong>glichte Kapitalverhältnis zum allgeme<strong>in</strong>en Modell sozialen (oder unsozialen) Verhaltens<br />

wird. Dagegen ersche<strong>in</strong>en Solidarität oder Hilfsbereitschaft als Verhaltensweisen, die "sich nicht<br />

rechnen" oder die "e<strong>in</strong>em nichts e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen".<br />

Nehmen wir das heute allgegenwärtige Mantra aller Neoliberalen, diese immer wieder gemurmelte<br />

Formel "Der Markt wird es schon richten", an dem auch festgehalten wird, nachdem der<br />

F<strong>in</strong>anzmarkt im Jahre 2008 und danach so manches zugrunde gerichtet hat. <strong>Das</strong> Mantra sagt<br />

uns: Die höheren Mächte der Ökonomie (so wie Götter <strong>in</strong> Religionen) weisen uns den rechten<br />

Weg. Als ob im Austausch der Waren, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aktienkurs, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wertpapierpreis oder anderen<br />

Kennziffern des Marktes so etwas wie e<strong>in</strong>e höhere Weisheit verborgen liege. Obwohl<br />

doch mit jedem Verkaufsangebot lediglich geprüft wird, ob irgendjemand bereit ist, dafür zu<br />

tauschen. So gesehen wäre schon jede Briefmarkenbörse e<strong>in</strong> Hort der Weisheit, weil sie es zustande<br />

br<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong>e Konrad-Adenauer-Briefmarke <strong>von</strong> 1967 auf e<strong>in</strong>en Preis <strong>von</strong> 9,80 Euro zu hieven.<br />

Am ausgeprägtesten begegnet uns der Fetischismus an der Börse, die für sich bereits e<strong>in</strong> komplexes<br />

Kulissenspiel ist, h<strong>in</strong>ter dem die realen Prozesse der materiellen Produktion, die alle<strong>in</strong> Basis<br />

und Inhalt der Börse s<strong>in</strong>d, vollständig verborgen werden. Deshalb die blumige Ausdrucksweise<br />

der Börsianer.<br />

E<strong>in</strong> schönes Beispiel liefert die DowJones- oder DAX-Gläubigkeit. Als im März 2006 der DAX<br />

kurz vor dem Wert 6000 stand, schrieb e<strong>in</strong>er dieser Börsianer: "Der Markt will e<strong>in</strong>e runde Zahl<br />

sehen." <strong>Das</strong> ist aber übliche Schreibe, die so tut, als sei der Markt e<strong>in</strong> Wesen aus Fleisch und<br />

Blut und als habe e<strong>in</strong>e "runde" Zahl e<strong>in</strong>e besondere magische Wirkung. Aber für Börsianer, de-<br />

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