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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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unerschöpflich s<strong>in</strong>d. Wie bei vielen anderen brisanten Themen fand M. auch hier nicht die Zeit,<br />

se<strong>in</strong>e umfangreichen Notizen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e systematische Darstellung zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Berühmt ist se<strong>in</strong>e sche<strong>in</strong>bare Abschweifung im Kapitel über "Baustellenrente, Bergwerksrente,<br />

Bodenpreis" im 3. Band des "Kapital", mit der er darauf h<strong>in</strong>weist, wie erst durch bestimmte<br />

Produktionsverhältnisse das Privateigentum am Boden entsteht. Für den kapitalistischen Grundbesitzer<br />

ist der Privatbesitz am Boden durch den Kauf begründet und se<strong>in</strong> Anspruch auf die<br />

oberirdische und unterirdische Nutzung des Bodens wird für ihn genauso zu e<strong>in</strong>em <strong>Teil</strong> der natürlichen<br />

Ordnung wie der Anspruch des feudalen Grundherrn auf den Boden für diesen e<strong>in</strong> <strong>Teil</strong><br />

der göttlichen Ordnung war. M. schreibt:<br />

"Ganz so ersche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>em Sklavenhalter, der e<strong>in</strong>en Neger gekauft hat, se<strong>in</strong> Eigentum an dem<br />

Neger nicht durch die Institution der Sklaverei als solche, sondern durch Kauf und Verkauf <strong>von</strong><br />

Ware erworben. Aber der Titel (= Eigentumstitel) selbst wird durch den Verkauf nicht erzeugt,<br />

sondern nur übertragen. Der Titel muß da se<strong>in</strong>, bevor er verkauft werden kann, und sowenig<br />

wie e<strong>in</strong> Verkauf, kann e<strong>in</strong>e Reihe <strong>von</strong> solchen Verkäufen, ihre beständige Wiederholung, diesen<br />

Titel schaffen. Was ihn überhaupt geschaffen hat, waren die Produktionsverhältnisse." Und M.<br />

zieht daraus auf se<strong>in</strong>e übliche Art e<strong>in</strong>e kühne Schlußfolgerung, die jedem ökologisch engagierten<br />

Menschen heute vollständig vertraut ist und ke<strong>in</strong>eswegs mehr als kühn ersche<strong>in</strong>t:<br />

"Vom Standpunkt e<strong>in</strong>er höhern ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum<br />

e<strong>in</strong>zelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt ersche<strong>in</strong>en wie das Privateigentum e<strong>in</strong>es<br />

Menschen an e<strong>in</strong>em andern Menschen. Selbst e<strong>in</strong>e ganze Gesellschaft, e<strong>in</strong>e Nation, ja alle<br />

gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, s<strong>in</strong>d nicht Eigentümer der Erde. Sie s<strong>in</strong>d nur<br />

ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias (= gute Familienväter) den<br />

nachfolgenden Generationen verbessert zu h<strong>in</strong>terlassen." (MEW 25, S.784)<br />

9. Gibt es <strong>in</strong> der marxistischen Theorie feststehende Wahrheiten?<br />

Ja und ne<strong>in</strong>. Wenn man die Feststellung, dass Menschen essen müssen, als allgeme<strong>in</strong>e Wahrheit<br />

versteht, gibt es sie. In diesem S<strong>in</strong>ne bezeichnet M. etwa die Arbeit als "allgeme<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gung<br />

des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur, ewige Naturbed<strong>in</strong>gung des menschlichen Lebens<br />

und daher unabhängig <strong>von</strong> jeder Form dieses Lebens, vielmehr allen se<strong>in</strong>en Gesellschaftsformen<br />

gleich geme<strong>in</strong>sam." (MEW 23, S.198)<br />

Aber M. gibt sich mit solchen Feststellungen niemals zufrieden: Sicher müssen alle Menschen essen.<br />

"Hunger ist Hunger", schreibt er, "aber Hunger, der sich durch gekochtes, mit Gabel und<br />

Messer gegeßnes Fleisch befriedigt, ist e<strong>in</strong> andrer Hunger, als der rohes Fleisch mit Hilfe <strong>von</strong><br />

Hand, Nagel und Zahn verschl<strong>in</strong>gt." (MEW 13, S.624) Nicht dass gegessen werden muß <strong>in</strong>teressiert<br />

ihn, sondern wie gegessen wird, woher das Essen stammt, wer es produziert, wie es <strong>in</strong> der<br />

Gesellschaft verteilt wird und so fort.<br />

Sofern wir glauben, e<strong>in</strong>e "Wahrheit" erkannt zu haben, handelt es sich nicht um e<strong>in</strong>e "marxistische<br />

Wahrheit", sondern eben um Wahrheit. Vielleicht wird sie nur <strong>von</strong> <strong>Marx</strong>isten akzeptiert<br />

(was schon verdächtig wäre), aber gelten muß sie auch außerhalb. Andererseits sollte klar se<strong>in</strong>,<br />

dass der <strong>Marx</strong>ismus die Wahrheit nicht gepachtet hat. Wir sollten vielleicht sowieso weniger <strong>von</strong><br />

Wahrheit, als vielmehr <strong>von</strong> weitgehend gesicherten Erkenntnissen sprechen. Ganz gewiß gibt es<br />

viele Erkenntnisse, die außerhalb der marxistischen Theorie und Methode nicht oder nicht wissenschaftlich<br />

exakt gewonnen werden können. <strong>Das</strong> gilt freilich auch für andere Wissenschaften.<br />

Bestimmte Erkenntnisse können eben nur mit Hilfe der Physik, andere nur mit Hilfe der Archäologie<br />

gewonnen werden. Es gibt sogar Erkenntnisse, die nur mit Hilfe der Betriebswirtschaft zu<br />

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