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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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den, die ja sogar zu Ricardos Lebzeiten noch nicht den Übergang zum Fabriksystem vollzogen hatte, den M. als<br />

Zeitzeuge miterlebt.<br />

194 Wir er<strong>in</strong>nern uns: Für M. gehört zur Politischen Ökonomie unbed<strong>in</strong>gt die Frage nach den Konflikten zwischen<br />

der kapitalistischen Entwicklung der Produktivkräfte und den kapitalistischen Produktionsverhältnissen: "Aus<br />

Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse <strong>in</strong> Fesseln derselben um. Es tritt dann e<strong>in</strong>e<br />

Epoche sozialer Revolution e<strong>in</strong>." (MEW 13, S.9) Für Engels ist es wesentliches Ziel der Politischen Ökonomie des<br />

Kapitalismus, jene Bruchstellen ausf<strong>in</strong>dig zu machen, an denen "diese Produktionsweise durch ihre eigne Entwicklung<br />

dem Punkt zutreibt, wo sie sich selbst unmöglich macht" und "<strong>in</strong>nerhalb der sich auflösenden ökonomischen<br />

Bewegungsform die Elemente der zukünftigen, jene Mißstände beseitigenden, neuen Organisation der<br />

Produktion und des Austausches aufzudecken." (MEW 20, S.139)<br />

195 "Die Frage, warum dieser freie Arbeiter ihm <strong>in</strong> der Zirkulationssphäre gegenübertritt, <strong>in</strong>teressiert den Geldbesitzer<br />

nicht, der den Arbeitsmarkt als e<strong>in</strong>e besondre Abteilung des Warenmarkts vorf<strong>in</strong>det. Und e<strong>in</strong>stweilen <strong>in</strong>teressiert<br />

sie uns ebensowenig." (MEW 23, S.183)<br />

196 Wer sich genauer mit der Entstehung des englischen Kapitalismus befassen will, f<strong>in</strong>det bei Hobsbawm* e<strong>in</strong>e<br />

fundierte Darstellung der Periode seit 1750. Hobsbawm nimmt e<strong>in</strong>ige Korrekturen vor. So war offenbar das im<br />

Kolonialhandel und <strong>in</strong> der Ausplünderung Indiens entstandene Kapital an der Entwicklung des <strong>in</strong>dustriellen Kapitalismus<br />

<strong>in</strong> England weniger beteiligt als lange Zeit angenommen. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> viel bedeutendere Rolle <strong>in</strong> der Frühphase<br />

des Kapitalismus spielten h<strong>in</strong>gegen kle<strong>in</strong>e Fabriken, die mit ger<strong>in</strong>gem Kapitalaufwand neue Produktionstechniken<br />

umsetzten.<br />

M. überschätzte aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Quellen auch die konkreten Ursachen für die Entstehung<br />

der neuen Arbeiterklasse. Die Vertreibung der Landbevölkerung durch Umwandlung der Anbauflächen <strong>in</strong><br />

Weideland ("E<strong>in</strong>hegung") war daran viel weniger (aber nicht weniger brutal) beteiligt, als nach M.s Quellen anzunehmen<br />

war. Tatsächlich fand die Vertreibung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte wegen der Umwandlung <strong>von</strong><br />

Pachtland <strong>in</strong> Weidefläche über e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum schon seit dem 14. Jahrhundert statt, so dass der junge<br />

Kapitalismus bereits auf e<strong>in</strong> großes Reservoir an Tagelöhnern außerhalb der Landwirtschaft bauen konnte. H<strong>in</strong>zu<br />

kam die starke Zunahme der Bevölkerung seit 1750 <strong>in</strong> den Städten, die das Reservoir des zunächst nur zögerlich<br />

entstehenden Fabrikkapitalismus <strong>in</strong> England vergrößerte.<br />

*Eric Hobsbawm: Industrie und Empire. Britische Wirtschaftsgeschichte seit 1750 (zwei Bände); 1970<br />

197 M. verdeutlicht diese historische Begrenzung der kapitalistischen Produktionsweise mit e<strong>in</strong>em hübschen dialektischen<br />

Konter, für die er ebenfalls berühmt (manche sagen: berüchtigt) ist. Dar<strong>in</strong> beschreibt er zunächst ausführlich<br />

die Geburt der kapitalistischen Produktionsverhältnisse <strong>in</strong> England als Geschichte der brutalen Expropriation<br />

(= Enteignung) <strong>von</strong> hunderttausenden ehemals selbständigen Bauern und Handwerkern, als brutale Vertreibung<br />

der Landbevölkerung <strong>in</strong> die Fabriken und Bergwerke, als Schaffung e<strong>in</strong>er Armee verwertbarer Arbeitskräfte.<br />

Aber die dabei freigesetzten <strong>in</strong>neren Bewegungskräfte der neuen Produktionsweise schlagen als erneute Expropriation<br />

auf die Akteure des Systems zurück:<br />

"Diese Expropriation vollzieht sich durch das Spiel der immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion<br />

selbst, durch die Zentralisation der Kapitale. Je e<strong>in</strong> Kapitalist schlägt viele tot. Hand <strong>in</strong> Hand mit dieser Zentralisation<br />

oder der Expropriation vieler Kapitalisten durch wenige entwickelt sich die kooperative Form des Arbeitsprozesses<br />

auf stets wachsender Stufenleiter, die bewußte technische Anwendung der Wissenschaft, die planmäßige<br />

Ausbeutung der Erde, die Verwandlung der Arbeitsmittel <strong>in</strong> nur geme<strong>in</strong>sam verwendbare Arbeitsmittel, die Ökonomisierung<br />

aller Produktionsmittel durch ihren Gebrauch als Produktionsmittel komb<strong>in</strong>ierter, gesellschaftlicher<br />

Arbeit, die Verschl<strong>in</strong>gung aller Völker <strong>in</strong> das Netz des Weltmarkts und damit der <strong>in</strong>ternationale Charakter des kapitalistischen<br />

Regimes. Mit der beständig abnehmenden Zahl der Kapitalmagnaten, welche alle Vorteile dieses<br />

Umwandlungsprozesses usurpieren und monopolisieren, wächst die Masse des Elends, des Drucks, der Knechtschaft,<br />

der Entartung, der Ausbeutung, aber auch die Empörung der stets anschwellenden und durch den Mechanismus<br />

des kapitalistischen Produktionsprozesses selbst geschulten, vere<strong>in</strong>ten und organisierten Arbeiterklasse.<br />

<strong>Das</strong> Kapitalmonopol wird zur Fessel der Produktionsweise, die mit und unter ihm aufgeblüht ist. Die Zentralisation<br />

der Produktionsmittel und die Vergesellschaftung der Arbeit erreichen e<strong>in</strong>en Punkt, wo sie unverträglich<br />

werden mit ihrer kapitalistischen Hülle. Sie wird gesprengt. Die Stunde des kapitalistischen Privateigentums<br />

schlägt. Die Expropriateurs werden expropriiert." (MEW 23, S.790f)<br />

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