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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit se<strong>in</strong>e Seele nach Geld, dem e<strong>in</strong>zigen Reichtum. In der Krise<br />

wird der Gegensatz zwischen der Ware und ihrer Wertgestalt, dem Geld, bis zum absoluten Widerspruch gesteigert.<br />

Die Ersche<strong>in</strong>ungsform des Geldes ist hier daher auch gleichgültig. Die Geldhungersnot bleibt dieselbe, ob <strong>in</strong><br />

Gold oder Kreditgeld, Banknoten etwa, zu zahlen ist." (MEW 23, S.151f)<br />

170 "Die Warenzirkulation ist der Ausgangspunkt des Kapitals. Warenproduktion und entwickelte Warenzirkulation,<br />

Handel, bilden die historischen Voraussetzungen, unter denen es entsteht. Welthandel und Weltmarkt eröffnen<br />

im 16. Jahrhundert die moderne Lebensgeschichte des Kapitals. Sehn wir ab vom stofflichen Inhalt der<br />

Warenzirkulation, vom Austausch der verschiednen Gebrauchswerte, und betrachten wir nur die ökonomischen<br />

Formen, die dieser Prozeß erzeugt, so f<strong>in</strong>den wir als se<strong>in</strong> letztes Produkt das Geld. Dies letzte Produkt der Warenzirkulation<br />

ist die erste Ersche<strong>in</strong>ungsform des Kapitals." (MEW 23, S.161)<br />

171 Gewiß ist es schon vor dem Siegeszug des Geldes vorgekommen, dass landwirtschaftliche Produkte vor der<br />

Ernte verkauft werden mußten; solche Notlagen waren E<strong>in</strong>fallstor für alle Varianten des Wuchers. Und natürlich<br />

gab es Waren, die <strong>in</strong> bäuerlichen Wirtschaften im W<strong>in</strong>ter produziert und erst später zu günstigen Zeitpunkten<br />

verkauft wurden. Ebenso hat natürlich jeder Handwerker auf Vorrat produziert, wenn größere Märkte bevorstanden.<br />

Aber all das spielte im gesamten Wirtschaftsgeschehen e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Rolle und war <strong>in</strong> dieser Form unabhängig<br />

<strong>von</strong> der Rolle des Geldes.<br />

172 Im europäischen Mittelalter, vor dem Siegeszug des Kapitalismus, setzten die Zünfte und andere Zwangsformen<br />

dem Wachstum der Produzenten enge Grenzen. Dennoch wurde auch auf Seiten der Warenproduzenten e<strong>in</strong><br />

Wertzuwachs realisiert, sowohl über die Ausbeutung <strong>von</strong> Gesellen und Hilfskräften, als auch über höhere Arbeitsproduktivitäten<br />

und verbesserte Waren gegenüber den Konkurrenten. Darauf basiert die zwar zögerlich, aber<br />

dennoch stattf<strong>in</strong>dende Differenzierung nach dem Vermögen unter den Handwerkern. Aber daraus alle<strong>in</strong> ergibt<br />

sich historisch nicht der Übergang zur kapitalistischen Produktionsweise; es ist das Handelskapital, das die ersten<br />

Elemente e<strong>in</strong>er kapitalistischen Produktionsweise hervorbr<strong>in</strong>gt.<br />

173 Über die historisch längere Epoche dom<strong>in</strong>ierte der W-W oder W-G-W Tausch. Wer mehr Sch<strong>in</strong>ken hatte, als<br />

er verbrauchen konnte, legte ihn für schlechte Zeiten zurück. Oder er suchte jemanden, der mit se<strong>in</strong>em Bier <strong>in</strong><br />

derselben Situation, aber ohne Sch<strong>in</strong>ken war. Es stand der Austausch der Gebrauchswerte im Vordergrund. Sofern<br />

das Geld <strong>in</strong> der sich entwickelnden Geldwirtschaft selbst zum Ziel des Austauschs wurde, diente es (neben<br />

der Erfüllung <strong>von</strong> Pachtverträgen u.ä.) für die meisten auch nur dem Erwerb begehrter Waren (Stoffe, Gewürze,<br />

Tonwaren und anderes) zur Verbesserung der Lebensqualität. Mit dem Handel formiert sich erstmals e<strong>in</strong>e soziale<br />

Klasse, die auch Geldverleih und Wucher <strong>in</strong> sich aufnimmt, und für die das Geld selbst Anfangs- und Endpunkt<br />

ihres Handelns ist; die persönliche Lebensqualität wird nicht vergessen, tritt aber <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund, da hier <strong>in</strong><br />

viel größerem Maßstab gehandelt wird als dies e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner Handwerker oder Bauernhof jemals tun könnte. In<br />

M.s knappen Worten: "Die e<strong>in</strong>fache Warenzirkulation – der Verkauf für den Kauf – dient zum Mittel für e<strong>in</strong>en<br />

außerhalb der Zirkulation liegenden Endzweck, die Aneignung <strong>von</strong> Gebrauchswerten, die Befriedigung <strong>von</strong> Bedürfnissen.<br />

Die Zirkulation des Geldes als Kapital ist dagegen Selbstzweck, denn die Verwertung des Werts existiert<br />

nur <strong>in</strong>nerhalb dieser stets erneuerten Bewegung. Die Bewegung des Kapitals ist daher maßlos." (MEW 23,<br />

S.167)<br />

174 MEW 23, S.170. <strong>Das</strong> Wörtchen "ersche<strong>in</strong>t" am Ende des Zitats sollte beachtet werden. Hier wird schon klar,<br />

dass wir im vorkapitalistischen Handelskapital nur die Oberfläche der Kapitalentstehung sehen. Wir müssen <strong>in</strong><br />

den nächsten Kapiteln noch tiefer graben.<br />

175 Die besondere Rolle des frühen Handelskapitals für die Herausbildung der kapitalistischen Produktionsweise<br />

ist vom Standpunkt des entwickelten Kapitalismus aus erkennbar. <strong>Das</strong> heißt aber nicht, dass der durch das frühe<br />

Handelskapital erzielte Mehrwert bereits kapitalistischer Mehrwert war. Wir haben es noch <strong>in</strong> der Entstehungsphase<br />

des Kapitalismus mit e<strong>in</strong>em Handelskapital <strong>in</strong>nerhalb des Feudalismus zu tun, das sich e<strong>in</strong>en <strong>Teil</strong> des feudalen<br />

Mehrprodukts aneignet. Der "Mehrwert" des frühen Handelskapitals im G-W-G' Schema brachte unsere<br />

strukturelle Analyse zwar auf den Weg, hat aber ganz andere historische Ursachen. M. spricht <strong>von</strong> "der doppelseitigen<br />

Übervorteilung der kaufenden und verkaufenden Warenproduzenten durch den sich parasitisch zwischen<br />

sie schiebenden Kaufmann" (MEW 23, S.178). Die noch überwiegend "räuberische" Praxis des Handelskapitals<br />

hat zweifellos zur Popularität solcher Argumente beigetragen, die im "ungerechten Austausch" der Waren die<br />

Quelle des Mehrwerts sahen.<br />

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