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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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schlagen wir vor, <strong>in</strong> gleicher medienwirksamer Weise darüber zu debattieren, ob sich unsere Gesellschaft wirklich<br />

e<strong>in</strong>e weiter wachsende Zahl <strong>von</strong> Millionären und Milliardären und überhaupt <strong>von</strong> Investoren mit ihren stets unbefriedigten<br />

Ansprüchen leisten kann.<br />

Durch die Dramatisierung <strong>von</strong> Problemen, die man zu immer neuen "Schicksalsfragen" aufpustet, wird regelmäßig<br />

<strong>von</strong> der Debatte der wichtigen Punkte abgelenkt, z.B. <strong>von</strong> der Frage nach Quelle und Verteilung des gesellschaftlichen<br />

Reichtums. Dem schrumpfenden <strong>Teil</strong> der Öffentlichkeit, der überhaupt noch an gesellschaftspolitischen<br />

Fragen <strong>in</strong>teressiert ist, werden stattdessen <strong>von</strong> Medienagenturen speziell designte "kontroverse Knaller-<br />

Themen" <strong>in</strong> schneller Folge als Beschäftigungstherapie verordnet: Methusalem-Gesellschaft, Drogen-Mafia, Heuschrecken,<br />

islamistische Unterwanderung, Stasi-Akten, Kampftr<strong>in</strong>ken, Russen-Mafia, Sterbehilfe, Pisa-Studie,<br />

Manager-Boni, Steueroasen, Killerspiele... Offenbar handeln unsere Zeitgeist-Designer auf ihre Weise nach<br />

Chandlers Ratschlag für Krimi-Autoren: Wenn du nicht mehr weißt, wie es weitergehen soll, lass e<strong>in</strong>en Kerl mit<br />

Knarre auftreten.<br />

49 Die Frage ist deshalb so wichtig, weil die nachgeordneten Elemente für das Funktionieren der Gesellschaft<br />

nicht so wichtig s<strong>in</strong>d und daher viel mehr Raum zur Entwicklung haben. <strong>Das</strong> weniger Wichtige präsentiert sich<br />

daher meist variantenreich und macht e<strong>in</strong>e Menge <strong>von</strong> sich her. Es dom<strong>in</strong>iert unsere Wahrnehmung, während die<br />

zentralen Elemente, immer unter dem Druck, ständig funktionieren zu müssen, weniger Gestaltungsraum besitzen<br />

und bisweilen geradezu unsichtbar werden.<br />

Tagtäglich s<strong>in</strong>d zehntausende Menschen damit beschäftigt, uns mit tr<strong>in</strong>kbarem Wasser und Heizung und Strom<br />

zu versorgen. Wir me<strong>in</strong>en nicht die Absahner im obersten Stockwerk der Konzernzentralen, sondern die Arbeiter<br />

und Ingenieure, die wirklich die Arbeit machen. Wieviel Aufmerksamkeit ist über diesen Personenkreis h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong><br />

unserer Gesellschaft auf solche fundamentalen Aufgaben gerichtet? Was <strong>in</strong>formative Berichte aus der Welt der<br />

Arbeit angeht, beschränkt sich das fast schon auf die "Sendung mit der Maus". Wieviel Raum nehmen aber <strong>in</strong><br />

den Medien alle<strong>in</strong> die diversen Wehwehchen sogenannter Promis e<strong>in</strong>?<br />

Zum Thema werden die wichtigen D<strong>in</strong>ge erst, wenn sie nicht mehr funktionieren. Bei Stromausfall oder Wirtschaftskrise<br />

dämmert uns, dass die subjektiven Prioritäten unseres Alltags ke<strong>in</strong>eswegs mit den objektiven Prioritäten<br />

der Gesellschaft übere<strong>in</strong>stimmen.<br />

50 Zum Thema "Ökonomie <strong>in</strong> der Liebe" hätte auch M. etwas beitragen können. Se<strong>in</strong>e Frau Jenny heiratete mit<br />

M. unter ihrem Stand, gegen die Erwartungen ihrer Familie. Wenn M. auch auf Grund se<strong>in</strong>er eigenen Herkunft<br />

stets bemüht war, das Leben e<strong>in</strong>es Kle<strong>in</strong>bürgers mit Esszimmer und Dienstmädchen zu führen, so konnte er doch<br />

se<strong>in</strong>er Frau niemals den Lebensstil bieten, den sie <strong>von</strong> K<strong>in</strong>dheit an gewohnt war. Hier setzte sich die <strong>in</strong>dividuelle<br />

Zuneigung über die gesellschaftlichen Konventionen h<strong>in</strong>weg – und wurde ökonomisch dafür hart bestraft.<br />

�Jenny <strong>Marx</strong> (1814-1881)<br />

<strong>Das</strong>s M. ganz und gar nicht darüber erhaben war, kann man se<strong>in</strong>en Briefen entnehmen. Es wurmte ihn und verletzte<br />

se<strong>in</strong>en Stolz, weil er se<strong>in</strong>er Ehefrau nicht mehr zu bieten hatte. Viele <strong>Marx</strong>-Biografen pflegen diese "kle<strong>in</strong>bürgerliche<br />

Tendenz" bei Herrn M. zu geißeln. Für sie hat e<strong>in</strong> Revolutionär dem bürgerlichen Zerrbild des Revoluzzers<br />

zu entsprechen, der auf gesellschaftliche Konventionen pfeift, beim Essen furzt und se<strong>in</strong> Leben mit We<strong>in</strong>,<br />

Weib und revolutionären Liedern füllt. Ach ja: Zwischendurch auch noch Bomben wirft...<br />

M. war nichts da<strong>von</strong> (am ehesten käme er diesem Bild <strong>in</strong> Sachen "Weib" nahe), sondern vor allem e<strong>in</strong> revolutionärer<br />

Pfadf<strong>in</strong>der <strong>in</strong> den Gesellschaftswissenschaften, der diese wissenschaftliche Arbeit mit der politischen Praxis<br />

zu verb<strong>in</strong>den suchte und daher zu besonderen Leistungen fähig war. Nicht trotz se<strong>in</strong>er merkwürdigen politischen<br />

Neigungen, sondern wegen.<br />

51 MEW 3, S.7: <strong>Das</strong> ist die berühmte These 11 der "Thesen über Feuerbach", die M. 1845 im Brüsseler Exil<br />

schrieb und die <strong>von</strong> Engels 1888 (leicht redigiert) veröffentlicht wurden (MEW 3, S.533). <strong>Das</strong> Faksimile der Niederschrift<br />

aus M.s Notizbuch ist gleichzeitig wieder e<strong>in</strong> schönes Beispiel für Freud und Leid der Herausgeber <strong>in</strong><br />

Sachen Klaue.<br />

52 In der Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem englischen Ökonomen Malthus als Vertreter e<strong>in</strong>er eigennützigen Pseudo-<br />

Wissenschaft (heute würde man die neoliberalen Vorbeter und Talkshow-Turner wie S<strong>in</strong>n und Konsorten nennen)<br />

schreibt M.: "<strong>E<strong>in</strong>e</strong>n Menschen aber, der die Wissenschaft e<strong>in</strong>em nicht aus ihr selbst (wie irrtümlich sie immer se<strong>in</strong><br />

mag), sondern <strong>von</strong> außen, ihr fremden, äußerlichen Interessen entlehnten Standpunkt zu akkomodieren sucht,<br />

nenne ich 'geme<strong>in</strong>'." (MEW 26.2, S.112) Und wenn nicht 'geme<strong>in</strong>', dann auf gut deutsch 'vulgär' (aus dem la-<br />

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