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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Übergangs zum kapitalistischen Zeitalter im 15. bis 18. Jahrhundert <strong>in</strong>teressiert ist, wird Braudels (1979) Darstellung<br />

aus nicht marxistischer Sicht auf jeden Fall spannend und anregend f<strong>in</strong>den.<br />

296 Wir kennen das: Während <strong>in</strong> den Betrieben der Druck auf die Beschäftigten zunimmt und die Arbeitsbelastung<br />

wächst, müssen sich qualifizierte Arbeitskräfte auf dem Arbeitsamt regelmäßig die Nummer ziehen, um sich<br />

anzuhören, dass sie sich mehr Mühe geben müssen. M. kannte das auch:<br />

"Die Überarbeit des beschäftigten <strong>Teil</strong>s der Arbeiterklasse schwellt die Reihen ihrer Reserve, während umgekehrt<br />

der vermehrte Druck, den die letztere durch ihre Konkurrenz auf die erstere ausübt, diese zur Überarbeit und Unterwerfung<br />

unter die Diktate des Kapitals zw<strong>in</strong>gt. Die Verdammung e<strong>in</strong>es <strong>Teil</strong>s der Arbeiterklasse zu erzwungnem<br />

Müßiggang durch Überarbeit des andren <strong>Teil</strong>s und umgekehrt, wird Bereicherungsmittel des e<strong>in</strong>zelnen Kapitalisten<br />

und beschleunigt zugleich die Produktion der <strong>in</strong>dustriellen Reservearmee auf e<strong>in</strong>em dem Fortschritt der gesellschaftlichen<br />

Akkumulation entsprechenden Maßstab." (MEW 23, S.665f)<br />

M.s Lösung ist uns auch bekannt. Er sagt über England: "Se<strong>in</strong>e technischen Mittel zur 'Ersparung' <strong>von</strong> Arbeit s<strong>in</strong>d<br />

kolossal. Dennoch, würde morgen allgeme<strong>in</strong> die Arbeit auf e<strong>in</strong> rationelles Maß beschränkt und für die<br />

verschiednen Schichten der Arbeiterklasse wieder entsprechend nach Alter und Geschlecht abgestuft, so wäre die<br />

vorhandne Arbeiterbevölkerung absolut unzureichend zur Fortführung der nationalen Produktion auf ihrer jetzigen<br />

Stufenleiter. Die große Mehrheit der jetzt 'unproduktiven' Arbeiter müßte <strong>in</strong> 'produktive' verwandelt werden."<br />

(MEW 23, S.666)<br />

Die Entlastung der Beschäftigten würde zur Auflösung der Reservearmee führen. Es gibt <strong>Marx</strong>isten, die würden<br />

diese <strong>Marx</strong>'sche Idee der gestuften Arbeitszeitverkürzung für völlig unmarxistisch erklären.<br />

297 Wer die Tagespresse liest, wird immer wieder auf Meldungen dieser Art stoßen. Sie erschien passend zum<br />

Jahreswechsel am 2.<strong>1.</strong>2009 <strong>in</strong>mitten der Weltwirtschaftskrise. Die hatte Deutschland zwar kaum erreicht, warf<br />

ihre Schatten aber voraus. Da ist es Aufgabe der PR Abteilung <strong>in</strong> der Bundesagentur für Arbeit, ihren ganz besonderen<br />

Optimismus mit solchen Meldungen zu verbreiten: "Junge Leute sollten trotzdem ihren Kopf nicht <strong>in</strong><br />

den Sand stecken, sondern stetig an ihrem Marktwert arbeiten."<br />

Der eigentliche Witz der Meldung: Unter dem Etikett "Marktwert steigern" wird nur empfohlen, sich selber<br />

marktgängiger zu machen, als es der Konkurrent ist. Und Konkurrenten s<strong>in</strong>d alle anderen: Freunde, Schulkameraden,<br />

die vielen coolen Typen aus der Disco.<br />

Bekommt man dann aber den Arbeitsplatz wegen untertänigster Anpassung an die Bedürfnisse se<strong>in</strong>er Majestät,<br />

des Arbeitsgebers, wird man schnell merken, dass <strong>von</strong> gestiegenem Marktwert gar ke<strong>in</strong>e Rede ist. Mit der Ellenbogenkonkurrenz<br />

gegen die Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen hat man nämlich den wirklichen "Marktwert", den man<br />

als Lohn oder Gehalt gezahlt bekommt, runterkonkurriert.<br />

298 Reduktion <strong>von</strong> CO2 Abgasen? Gerne, aber das darf für die deutschen Autofirmen, die dreist den Klimaschutz<br />

ignorierten, nicht zu E<strong>in</strong>bußen führen. Neue Antriebe für Automobile? Warum nicht, wenn die Entwicklungskosten<br />

sozialisiert, die Gew<strong>in</strong>ne weiter privat angeeignet werden und am Ende m<strong>in</strong>destens genauso hoch s<strong>in</strong>d wie<br />

vorher – am besten noch höher. Sonst bleiben wir lieber beim alten... Man kann es immer wieder beobachten:<br />

Wo <strong>in</strong> der politischen Debatte Varianten e<strong>in</strong>er Maßnahme diskutiert werden, wird sich mit großer Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

diejenige durchsetzen, die umfassend mehrwertkompatibel ist. "<strong>Das</strong> muß sich schließlich rechnen" ist<br />

dann die wiederkehrende Redewendung, wobei das, was da berechnet wird, immer nur das Geld <strong>in</strong> den Taschen<br />

der Aktionäre und Investoren ist.<br />

Damit ke<strong>in</strong>e Mißverständnis aufkommen: In jeder Produktionsweise müssen Aufwand und Ergebnis <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vernünftigen<br />

Verhältnis stehen. Aber die kapitalistische Produktionsweise hat hier Grenzen. Gewiß gibt es non-profit<br />

Betriebe: K<strong>in</strong>dergärten, Opernhäuser, Museen... die werden durch Steuern im Umlageverfahren f<strong>in</strong>anziert. <strong>Das</strong> ist<br />

dem Kapitalisten aber durchaus nicht geheuer. Deshalb drängt er danach, alles, buchstäblich: Alles! <strong>in</strong> der Gesellschaft<br />

dem Pr<strong>in</strong>zip der Gew<strong>in</strong>norientierung zu unterwerfen, das ihm selbst so sehr zusagt. Nur steckt dah<strong>in</strong>ter<br />

noch mehr.<br />

Selbst e<strong>in</strong>e Kooperative <strong>von</strong> Menschen, die e<strong>in</strong>e Fabrik für K<strong>in</strong>derwagen oder Fahrräder betreiben und dabei e<strong>in</strong>e<br />

solide Rendite <strong>von</strong> 3% erwirtschaftet, wäre zwar ökonomisch rentabel, aber kapitalistisch nicht lebensfähig. Sie<br />

würde trotz des völlig ausreichenden Gew<strong>in</strong>ns sogenannte "rote Zahlen" schreiben. Warum das so ist? Kriegen<br />

wir später.<br />

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