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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Geld hat, will mit der Rolex se<strong>in</strong>en Reichtum demonstrieren. E<strong>in</strong> gewisser <strong>Teil</strong> des Warenmarktes<br />

lebt da<strong>von</strong>, dass Konsumenten über Geldmittel verfügen, die nicht <strong>von</strong> vornhere<strong>in</strong> durch unabweisbare<br />

Ausgaben gebunden s<strong>in</strong>d. Wenn Nahrung, Kleidung, Heizung, Wohnraum und andere<br />

alltäglichen Bedarfsartikel bezahlt s<strong>in</strong>d, bleibt e<strong>in</strong> <strong>Teil</strong> übrig.<br />

Für diese nicht <strong>von</strong> vornhere<strong>in</strong> gebundenen Mittel (wie groß die auch se<strong>in</strong> mögen) habe ich die<br />

freie Wahl der Verwendung. Jährlich nach Mallorca oder e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> 10 Jahren e<strong>in</strong>e "Luxuskreuzfahrt"?<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong>n Nissan Micra kaufen oder e<strong>in</strong>en VW Passat? Solche Fragen tauchen nur auf, wenn<br />

die unbed<strong>in</strong>gt erforderlichen Bedürfnisse befriedigt s<strong>in</strong>d und dennoch monatlich etwas auf dem<br />

Girokonto übrig bleibt.<br />

In den Industrieländern wie Deutschland, Frankreich, USA und anderen ist das für e<strong>in</strong>en größeren<br />

<strong>Teil</strong> der Bevölkerung der Fall. Da s<strong>in</strong>d spezielle Produkte im Angebot: Luxus für Arme und<br />

Luxus für besser Verdienende, aber natürlich auch echter Luxus für wirklich reiche und ganz reiche<br />

Leute.<br />

Unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen kommen z.B. Markenartikel zum Zuge, die nicht nur e<strong>in</strong> Shirt, sondern<br />

e<strong>in</strong> Lebensgefühl verkaufen. Dafür zahlt man dann e<strong>in</strong>en höheren Preis, als er üblicherweise<br />

für Artikel gleichen Gebrauchswerts zu zahlen ist. Solche externen Aufpreisungen widersprechen<br />

genausowenig dem Wertgesetz wie der Kauf e<strong>in</strong>es VW Passat auf Ratenbasis anstelle e<strong>in</strong>es<br />

Micra gegen Barzahlung. Wenn es gel<strong>in</strong>gt, bestimmten Waren e<strong>in</strong>en höheren Preis aufzustempeln,<br />

freut das den Hersteller und den Händler. Kurioserweise freut sich meist auch der Käufer.<br />

Es ist Umverteilung <strong>von</strong> Kaufkraft. Wenn mehr Konsumenten auf Kle<strong>in</strong>wagen statt auf teure Luxuswagen<br />

umsteigen, trifft das die Hersteller der Luxus-PKW. Aber es setzt e<strong>in</strong>e Menge Kaufkraft<br />

für andere Waren frei.<br />

Wir haben ja bereits an anderer Stelle Bischof Whateley zitiert, der die Preisbildung für Perlen<br />

gegen jede Art <strong>von</strong> Werttheorie <strong>in</strong>s Feld geführt hat. Aber Preisbildungen am Kunstmarkt oder<br />

für Schmuck oder anderen teuren T<strong>in</strong>nef bewegen sich im Segment der freien Mittel. <strong>Das</strong> ändert<br />

gar nichts an der e<strong>in</strong>fachen Tatsache: Wenn irgendjemand für e<strong>in</strong>e Ware e<strong>in</strong>en Preis zahlt, der<br />

den durch die Ware verkörperten Anteil an gesellschaftlicher Arbeit weit übersteigt, muß irgendwo<br />

e<strong>in</strong> Ausgleich stattf<strong>in</strong>den. Wir werden noch sehen, dass dafür nur zwei Quellen <strong>in</strong> Frage<br />

kommen: E<strong>in</strong>mal der durch E<strong>in</strong>satz der Lohnarbeit erzeugte Mehrwert für die exorbitanten Luxusbedürfnisse<br />

der Reichen. Aber natürlich auch Millionen Waren, die zwangsweise unter ihrem<br />

Wert verkauft werden. Darunter f<strong>in</strong>den wir nicht zuletzt die Arbeitskraft <strong>von</strong> Millionen Lohnabhängigen<br />

weltweit.<br />

Der Kampf um die Kaufkraft am Konsumentenmarkt ist e<strong>in</strong> wichtiges Feld der kapitalistischen<br />

Konkurrenz. E<strong>in</strong> Beispiel: In 2009 beschloß die Bundesregierung angeblich zur Krisenabwehr die<br />

sogenannte Abwrackprämie. Es gab 2.500 Euro für jeden an Stelle e<strong>in</strong>es m<strong>in</strong>destens 9 Jahre alten<br />

Autos gekauften Neuwagen als Zuschuß. (Der Autor hat selber da<strong>von</strong> Gebrauch gemacht!)<br />

<strong>Das</strong> bedeutet <strong>in</strong> etwa: Mit der auf 5 Mrd. Euro begrenzten Aktion werden maximal 2 Mio.<br />

Neuwagen gekauft. Nehmen wir für die e<strong>in</strong>en durchschnittlichen Eigenanteil der Käufer <strong>von</strong><br />

18.000 Euro an, dann bedeutet das e<strong>in</strong>e Umschichtung <strong>von</strong> Kaufkraft <strong>in</strong> Höhe <strong>von</strong> 36 Mrd.Euro<br />

zu Gunsten der Auto<strong>in</strong>dustrie – und zu Lasten der anderen Produzenten. Auch wenn man unterstellt,<br />

dass viele der Anschaffungen ohneh<strong>in</strong> erfolgt wären und vielleicht tatsächlich Arbeitsplätze<br />

<strong>in</strong> der Automobil<strong>in</strong>dustrie und damit Kaufkraft erhalten bleibt: Die Aktion zugunsten e<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>zelnen Branche schädigt alle anderen durch plötzliche disproportionale Umlenkung der<br />

Kaufkraftströme.<br />

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