09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

unterstellt entweder e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren, bereits gegebenen Zusammenhang der Begriffe, der nur<br />

aufzudecken sei und mißachtet das Primat der Empirie, also des wirklichen historischen Stoffes.<br />

69 Diese Art des logischen Herangehens ist zwar <strong>in</strong> der <strong>Marx</strong> betreffenden Literatur 70 reichlich<br />

vertreten; wir können sie aber mit M.s eigener Analyse nicht <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung br<strong>in</strong>gen.<br />

Auf der anderen Seite wird "logisch" allzu leicht mit "Kapitallogik" übersetzt; und das ist gewiß<br />

e<strong>in</strong>e Argumentation, um die wir e<strong>in</strong>en weiten Bogen machen. 71<br />

Mit struktureller Analyse me<strong>in</strong>en wir die Sichtbarmachung der <strong>in</strong>neren Zusammenhänge, z.B.<br />

zwischen Warenproduktion und Arbeitsteilung oder zwischen Warentausch und Geld. Die <strong>in</strong>neren<br />

Zusammenhänge werden durch Bildung <strong>von</strong> Begriffen herausgearbeitet, die diesen wirklichen,<br />

aber eben nicht direkt sichtbaren Zusammenhang umfassen sollen. Wir er<strong>in</strong>nern uns: M.<br />

bezeichnet solche Begriffe als verständige Abstraktionen.<br />

Zwischenfrage 18: Ist M.s analytischer Ansatz der e<strong>in</strong>zig denkbare? Oder der e<strong>in</strong>zig wissenschaftliche?<br />

Oder doch nur der e<strong>in</strong>zige uns zusagende Ansatz? (S.176)<br />

Zwischenfrage 19: Wie entscheidet man, welcher analytische Ansatz "richtig" oder "falsch" ist? Welche<br />

Trennl<strong>in</strong>ien für verschiedene Ansätze gibt es? Welche Rolle spielt dabei das "Historische"? (S.177)<br />

Nehmen wir als Beispiel die Feststellung: Alle Menschen müssen essen. Dem ist kaum zu widersprechen.<br />

Dann ist aber auch klar, dass es zwischen den unabweisbaren Lebensbedürfnissen<br />

und den Handlungen der Menschen e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren Zusammenhang geben muß, was auch immer<br />

die Menschen selbst darüber me<strong>in</strong>en. Sie mögen sich e<strong>in</strong>bilden, <strong>von</strong> Luft und Liebe und<br />

großen Ideen zu leben. Aber irgendwo wird gegessen und irgendwo wird das Essen produziert<br />

und irgendwie wird es verteilt. Deshalb muß <strong>in</strong> allen Gesellschaften e<strong>in</strong>e Produktion <strong>von</strong> Nahrungsmitteln<br />

erfolgen. Und es müssen soziale Strukturen existieren, die für die Verteilung des<br />

produzierten Reichtums sorgen. Solche allgeme<strong>in</strong>en Feststellungen s<strong>in</strong>d unerläßlich; sie s<strong>in</strong>d ohne<br />

weiteres nachvollziehbar, aber dennoch längst nicht ausreichend.<br />

Deshalb kommt als zweites Element die historische Analyse h<strong>in</strong>zu: <strong>Das</strong> ist die Frage nach der<br />

Entwicklung und den tatsächlichen Ausprägungen (Formen) jener notwendigerweise vorhandenen<br />

Strukturen zur Erzeugung und Verteilung <strong>von</strong> Nahrungsmitteln. Produktion muß se<strong>in</strong>. Aber<br />

wie wird tatsächlich produziert? Was s<strong>in</strong>d die materiellen Voraussetzungen zu e<strong>in</strong>em bestimmten<br />

Zeitpunkt? Wie werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gegebenen Gesellschaft die Produktionsziele bestimmt?<br />

Welchen Regeln folgt die Verteilung der Produktion? Fragen dieser Art s<strong>in</strong>d nur aus dem historischen<br />

(empirischen) Stoff heraus zu beantworten; dieser Stoff s<strong>in</strong>d unsere tatsächlichen Kenntnisse<br />

über die Gesellschaft und ihre Entwicklung. Ohne e<strong>in</strong>e solche Menge an historischem Wissen<br />

ist auch M.s Methode nur Gerede. Dieser Stoff aber soll über die Bildung geeigneter Begriffe<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren Zusammenhängen "begriffen" werden. Die Vielfalt des Stoffs wird auf das<br />

Wesentliche reduziert, da wir ja nicht Geschichtsschreibung im Detail betreiben. <strong>Das</strong> ist die E<strong>in</strong>wirkung<br />

der strukturellen Analyse auf den historischen Stoff.<br />

Beide Elemente, strukturelle und historische Analyse, existieren nicht nebene<strong>in</strong>ander oder nache<strong>in</strong>ander,<br />

sondern <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander. Wie sollte der nahezu unendliche historische Stoff gegliedert, selektiert,<br />

auf das Wesentliche zurückgeführt werden, wenn nicht se<strong>in</strong>e Aneignung durch strukturelle<br />

Analyse gelenkt würde? Andererseits: Wie sollten wir auf unsere verständigen Abstraktionen<br />

wie Produktion, Distribution, Eigentum, Staat und andere kommen, wenn nicht aus Kenntnis<br />

des historischen Stoffs? Und wie anders könnten wir, <strong>von</strong> unseren verständigen Abstraktionen<br />

ausgehend, e<strong>in</strong>en Begriff wie "Produktion" so fortentwickeln, dass er über das Allgeme<strong>in</strong>e<br />

h<strong>in</strong>aus dann auch das historisch Besondere e<strong>in</strong>er Produktionsweise erschließt und zu e<strong>in</strong>em Begriff<br />

<strong>von</strong> der kapitalistischen Produktionsweise wird?<br />

23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!