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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Exploitationsgrad der Arbeit oder jede solche Steigerung des Arbeitspreises ausschließt, welche die stetige Reproduktion<br />

des Kapitalverhältnisses und se<strong>in</strong>e Reproduktion auf stets erweiterter Stufenleiter ernsthaft gefährden<br />

könnte." (MEW 23, S.649)<br />

327 Was wir hier wie e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>heitlichen Prozess behandeln, ist <strong>in</strong> der Wirklichkeit vielfältig gegliedert. Der Rückgang<br />

der Akkumulationsrate erfolgt niemals <strong>in</strong> allen Sektoren der gesellschaftlichen Produktion gleichzeitig. In<br />

den Bereichen, <strong>in</strong> denen die Akkumulation nachläßt, wird sich das Geldkapital da<strong>von</strong>machen, um <strong>in</strong> solche Sektoren<br />

zu wandern, <strong>in</strong> denen mehr zu holen ist. In solchen Bereichen können dann auch durchaus überdurchschnittliche<br />

Löhne gezahlt werden, während gleichzeitig <strong>in</strong> anderen Bereichen durch Technisierung das Lohnniveau<br />

gedrückt wird. Dennoch ist es wichtig, zunächst den Prozess der Akkumulation unter Weglassung der Vielfalt<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Grundstruktur zu untersuchen, aus der sich die Vielfalt der Ersche<strong>in</strong>ungen entwickelt.<br />

328 Der gesellschaftliche Durchschnitt der organischen Zusammensetzung, <strong>von</strong> der M. <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Analyse ausgeht,<br />

verändert sich auch durch die Entstehung neuer Produktionszweige mit <strong>von</strong> Anfang an höherer organischer Zusammensetzung.<br />

Neue Produktionszweige können <strong>in</strong> der Regel nicht durch die Akkumulationskraft e<strong>in</strong>zelner Unternehmen<br />

entstehen, sondern s<strong>in</strong>d Neugründungen durch Kredit, also durch Kapital aus dem Fonds der gesellschaftlichen<br />

Akkumulation, das sich <strong>in</strong> den Händen darauf spezialisierter Kapitalisten sammelt oder überhaupt<br />

erst durch Gründung <strong>von</strong> Aktiengesellschaften gesammelt wird. Überhaupt spielt der Kredit für die Akkumulation,<br />

also das Wachstum der Unternehmen <strong>in</strong> der Konkurrenz, e<strong>in</strong>e enorme Rolle. Wie der Kredit und der Investor<br />

als neue Rollen des Kapitalisten aus der Akkumulation entsteht? Darüber mehr <strong>in</strong> wenigen Seiten.<br />

329 "Die Akkumulation und die sie begleitende Konzentration s<strong>in</strong>d also nicht nur auf viele Punkte zersplittert,<br />

sondern das Wachstum der funktionierenden Kapitale ist durchkreuzt durch die Bildung neuer und die Spaltung<br />

alter Kapitale. Stellt sich die Akkumulation daher e<strong>in</strong>erseits dar als wachsende Konzentration der Produktionsmittel<br />

und des Kommandos über Arbeit, so andrerseits als Repulsion vieler <strong>in</strong>dividueller Kapitale <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander."<br />

(MEW 23, S.654)<br />

Mit der Entstehung neuer Kapitale beschreibt M. nur e<strong>in</strong>e historische Entwicklung. Es ist ihm durchaus klar, dass<br />

mit wachsender organischer Zusammensetzung die Gründung neuer selbständiger Unternehmen immer mehr<br />

Gründerkapital erforderte und damit die Möglichkeiten des <strong>in</strong>dividuellen Kapitalisten zu übersteigen beg<strong>in</strong>nt.<br />

Aber "<strong>in</strong>dividuelles Kapital" bedeutet ja nicht "<strong>in</strong>dividueller Kapitalist"; dah<strong>in</strong>ter kann ebenso e<strong>in</strong>e Aktiengesellschaft<br />

mit tausenden Eigentümern stecken. Daher kommt es im Zuge technologischer Entwicklung immer wieder<br />

auch zu neuen Gründerphasen für neue Unternehmen: Ob es sich um die Erf<strong>in</strong>dung des Verbrennungsmotors und<br />

se<strong>in</strong> Verknüpfung mit den Interessen der Öl-Verwerter oder um die Entwicklung der Mikrocomputer handelt, die<br />

viele zehntausend Neugründungen im Hard- und Softwarebereich zur Folge hatten.<br />

Am Rande der kapitalistischen Reproduktion entstehen laufend neue Kle<strong>in</strong>unternehmen, <strong>von</strong> Friseurgeschäften<br />

über Tattoo-Läden bis zu Wollstübchen und Event-Kneipen, die nicht weniger <strong>in</strong> die Gesetze der Verwertung e<strong>in</strong>gebunden<br />

s<strong>in</strong>d. Unter denen waren die "Ich-AGs" der Bundesagentur für Arbeit e<strong>in</strong>e spezielle polit-ökonomische<br />

Perversion, ganz darauf abgestellt, ihre Betreiber aus den Arbeitslostenstatistiken zu entfernen und <strong>in</strong> den existentiellen<br />

Stress und die Schuldenfalle zu treiben. Denn spätestens, wenn sie erkennen, wie kapitalkräftige Konkurrenten<br />

ihnen das Geschäft verderben, lernen große und kle<strong>in</strong>e Unternehmen die Lektion: Akkumulation ist<br />

ke<strong>in</strong>e Option, sondern e<strong>in</strong> Zwang.<br />

330 "Es ist dies nicht mehr e<strong>in</strong>fache, mit der Akkumulation identische Konzentration <strong>von</strong> Produktionsmitteln und<br />

Kommando über Arbeit. Es ist Konzentration bereits gebildeter Kapitale, Aufhebung ihrer <strong>in</strong>dividuellen Selbständigkeit,<br />

Expropriation <strong>von</strong> Kapitalist durch Kapitalist, Verwandlung vieler kle<strong>in</strong>eren <strong>in</strong> weniger größere Kapitale.<br />

Dieser Prozeß unterscheidet sich <strong>von</strong> dem ersten dadurch, daß er nur veränderte Verteilung der bereits<br />

vorhandnen und funktionierenden Kapitale voraussetzt, se<strong>in</strong> Spielraum also durch das absolute Wachstum des<br />

gesellschaftlichen Reichtums oder die absoluten Grenzen der Akkumulation nicht beschränkt ist. <strong>Das</strong> Kapital<br />

schwillt hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hand zu großen Massen, weil es dort <strong>in</strong> vielen Händen verlorengeht. Es ist die eigentliche<br />

Zentralisation im Unterschied zur Akkumulation und Konzentration." (MEW 23, S.654)<br />

331 M. leitet den folgenden Zwischentext mit den Worten e<strong>in</strong>: "Die Gesetze dieser Zentralisation der Kapitale<br />

oder der Attraktion <strong>von</strong> Kapital durch Kapital können hier nicht entwickelt werden. Kurze tatsächliche Andeutung<br />

genügt." (MEW 23, S.654) Es s<strong>in</strong>d also nicht M.s abschließende Worte zu dieser Angelegenheit; wir werden im<br />

dritten <strong>Teil</strong> der <strong>Spurensuche</strong> darauf zurückkommen und sehen, was <strong>Marx</strong>isten nach <strong>Marx</strong>, wie Hilferd<strong>in</strong>g und Len<strong>in</strong>,<br />

daraus gemacht haben.<br />

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