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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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M. stirbt 1883 und h<strong>in</strong>terläßt für die noch fehlenden Bände des "Kapital" umfangreiche Manuskripte,<br />

<strong>von</strong> denen nur der zweite Band <strong>in</strong> <strong>Teil</strong>en fertiggestellt war. 20 Friedrich Engels gibt 1885<br />

den 2. Band und 1894 den 3. Band des "Kapital" heraus. Diese Ausgaben liegen uns als MEW<br />

Bände 24 und 25 vor. Während der mühsamen Arbeit an der Herausgabe des 4. Bandes stirbt<br />

Engels 1895 <strong>in</strong> London. 21<br />

Nach Engels Tod setzt <strong>Karl</strong> Kautsky die Arbeit als Herausgeber fort und veröffentlicht <strong>in</strong> den Jahren<br />

1904 bis 1910 e<strong>in</strong>en <strong>Teil</strong> <strong>von</strong> M.s vorbereitenden Manuskripten zum "Kapital" unter dem<br />

Titel "Theorien über den Mehrwert". In überarbeiteter und stark erweiterter 22 Fassung liegt dieser<br />

vierte Band des "Kapital" seit 1965 als MEW Bd. 26.1 bis 26.3 vor.<br />

M.s politisch-ökonomisches Werk umfaßt darüberh<strong>in</strong>aus zahlreiche Entwürfe und Vorstudien,<br />

aber auch parallele Arbeiten zur Technik, zur Geldtheorie und zum Kreditwesen, <strong>von</strong> denen e<strong>in</strong>ige<br />

erst <strong>in</strong> unserer Zeit als Bände der <strong>Marx</strong>-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) publiziert wurden 23 ,<br />

andere noch gar nicht veröffentlicht s<strong>in</strong>d. Thematisch gehen diese Manuskripte über das "Kapital"<br />

h<strong>in</strong>aus, das ja auch nicht den Endpunkt, sondern e<strong>in</strong>e erste Etappe der Analyse markiert,<br />

und sie bezeugen <strong>in</strong>sgesamt M.s ehrgeiziges, geradezu monumentales Vorhaben.<br />

"Soll ich es Glück oder Unglück nennen?"<br />

Jetzt soll aufgedeckt werden, was es <strong>in</strong> der Überschrift zu diesem E<strong>in</strong>leitungskapitel mit der<br />

"miesen Handschrift" auf sich hat. Wir s<strong>in</strong>d es gewohnt, M.s Schriften <strong>in</strong> gedruckter Form zu<br />

lesen. Doch bevor es dazu kam, waren se<strong>in</strong>e Schriften wirklich Geschriebenes. Schreibmasch<strong>in</strong>en<br />

waren erst <strong>in</strong> der Entwicklung 24 . <strong>Das</strong> Geld, um e<strong>in</strong>em Sekretär zu diktieren, gab es nur ausnahmsweise.<br />

Für M. war Schreiben und Denken außerdem viel zu eng verwoben, se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>fälle<br />

zu purzelnd, um an geordnete Manuskripte auch nur zu denken. Die Vielzahl und die Verschachtelung<br />

der Manuskripte, wodurch sich zusammenhängende Texte auf viele verschiedene<br />

Blätter verteilten, war aber nur das e<strong>in</strong>e Problem. <strong>Das</strong> andere war M.s Handschrift.<br />

Welche Schwierigkeiten Engels und Kautsky und spätere Herausgeber mit den nachgelassenen<br />

Manuskripten zu bewältigen haben, zeigt die abgebildete Manuskriptseite zum "Kapital". Im<br />

Vorwort zum 2. Band bezeichnet Engels das zurückhaltend als "die bekannte, dem Verfasser<br />

selbst manchmal unleserliche Handschrift." Ke<strong>in</strong> Wunder, wenn mit der Herausgabe <strong>von</strong> M.s<br />

Schriften <strong>in</strong> den letzten 60 Jahren zahlreiche nachträgliche Korrekturen gegenüber früheren Lesarten<br />

notwendig wurden. Wir jedenfalls s<strong>in</strong>d bereit, diese Handschrift ohne zu zögern e<strong>in</strong>e Sauklaue<br />

zu nennen.<br />

Nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>sicht müssen wir für M.s charakterstarke Handschrift ausgesprochen dankbar<br />

se<strong>in</strong>. Als er nämlich wegen des amerikanischen Bürgerkriegs se<strong>in</strong>en Nebenerwerb als Korrespondent<br />

der "New York Tribune" 25 verlor, mußte er "e<strong>in</strong>e Masse W<strong>in</strong>kelarbeiten" übernehmen,<br />

wie er an Ludwig Kugelmann schrieb, um der stets klammen Familienkasse Geld zuzuführen:<br />

"Ich hatte mich sogar entschlossen, 'Praktiker' zu werden und sollte anfangs nächsten Jahres <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Eisenbahnoffice e<strong>in</strong>treten. Soll ich es Glück oder Unglück nennen? Me<strong>in</strong>e schlechte Handschrift<br />

war der Grund, dass ich die Stelle nicht erhielt." 26<br />

E<strong>in</strong> dickes Lob der unternehmerischen Weitsicht jenes namenlosen Officers der Eisenbahn. Wir<br />

sehen ihn vor uns, mit trauriger Miene, wie er bedauernd tönt: "Wirklich, dear Mr. <strong>Marx</strong>, Kanzleischrift<br />

ist das aber nicht, was Sie zu produzieren belieben! Wollen Sie uns ru<strong>in</strong>ieren?" Recht<br />

so! M.s Handschrift ist für jeden geordneten Bürobetrieb ebenso unzumutbar, wie sie e<strong>in</strong> großes<br />

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