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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Lafargue die theoretischen Positionen der französischen Sozialisten, die sich selbst und ihre Positionen als marxistisch<br />

priesen. Daraufh<strong>in</strong> hat M. nach Mitteilung <strong>von</strong> Friedrich Engels festgestellt: "Wenn diese Leute <strong>Marx</strong>isten<br />

s<strong>in</strong>d, dann b<strong>in</strong> ich selbst ke<strong>in</strong> <strong>Marx</strong>ist."<br />

Später wurde daraus die schon erwähnte drollige Anekdote mit deutlich anderem Akzent. In dieser Form wird sie<br />

hauptsächlich <strong>von</strong> Leuten kolportiert, die <strong>Marx</strong> e<strong>in</strong>e bedeutende Persönlichkeit der Geschichte nennen und damit<br />

alle<strong>in</strong> die Vergangenheit me<strong>in</strong>en.<br />

<strong>Marx</strong>ismus ist <strong>in</strong> mancherlei H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong> Etikett geworden, das nur Vermutungen über den Inhalt zuläßt. Aus<br />

Sicht der politischen Ökonomie ist der Spielraum enger: Hier zählen wir Werttheorie, Mehrwerttheorie und die<br />

Theorie vom tendenziellen Fall der Profitrate, wie auch immer für die heutigen Bed<strong>in</strong>gungen konkretisiert, zum<br />

unverwechselbaren Markenzeichen. <strong>E<strong>in</strong>e</strong> politische Ökonomie wäre ohne diese Elemente natürlich möglich, aber<br />

eben nicht marxistisch.<br />

495 Hübsch ist auch dieses Zitat aus gleicher Quelle: "Die sich als ordoliberal verstehenden deutschsprachigen<br />

Ökonomen haben die aus den USA importierte Mathematikgläubigkeit nie geteilt. Aber genau diese Ökonomie<br />

wurde an den europäischen Universitäten ausgetrocknet. Während Modellschre<strong>in</strong>erei sowie das Zählen, Messen<br />

und das Berechnen <strong>von</strong> Korrelationen Reputation und e<strong>in</strong>e akademische Karriere versprechen, fristet die Ordnungstheorie<br />

e<strong>in</strong> <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Elendsvierteln der Nationalökonomie. Da und dort wurde sie sogar durch e<strong>in</strong>e<br />

moralistische Wirtschaftsethik ersetzt." Vom modischen neoliberal geht’s schnell zum altväterischen ordoliberal.<br />

Der Unterschied? Die erstgenannten s<strong>in</strong>d Schuld an der Krise. Den letztgenannten sollte man die Sache überlassen.<br />

Interfraktioneller Kampf um Pfründe, Fettlebe und E<strong>in</strong>fluß.<br />

496 Auch <strong>in</strong> der Volkswirtschaftslehre bzw. <strong>in</strong> der Makroökonomik wird die Frage nach der wirtschaftlichen<br />

Macht, nach Kapitalkonzentration und Großunternehmen gestellt. Aber wie! Sogar <strong>in</strong> den Lehrbüchern der 70er<br />

Jahre, als die Systemause<strong>in</strong>andersetzung zwischen BRD und DDR noch alles überschattete und man auch die<br />

"heiklen Themen" aufgreifen mußte, wurde "wirtschaftliche Macht" nur als störender Faktor e<strong>in</strong>er effizienten<br />

Wirtschaftspolitik behandelt. Es war <strong>in</strong> dieser Sicht nur e<strong>in</strong> untergeordneter, kartellrechtlich beherrschbarer Faktor<br />

und ke<strong>in</strong>eswegs der Kern der Machtverhältnisse.<br />

497 M. stimmt mit se<strong>in</strong>em Rezensenten dar<strong>in</strong> übere<strong>in</strong>, dass Russland, wenn es e<strong>in</strong>en kapitalistischen Entwicklungsweg<br />

e<strong>in</strong>schlägt, dies nicht fertig br<strong>in</strong>gen werde, "ohne vorher e<strong>in</strong>en guten <strong>Teil</strong> se<strong>in</strong>er Bauern <strong>in</strong> Proletarier<br />

verwandelt zu haben; und dann, e<strong>in</strong>mal h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gerissen <strong>in</strong> den Wirbel der kapitalistischen Wirtschaft, wird es die<br />

unerbittlichen Gesetze dieses Systems zu ertragen haben, genauso wie die andern profanen Völker. <strong>Das</strong> ist alles.<br />

Aber das ist me<strong>in</strong>em Kritiker zu wenig. Er muß durchaus me<strong>in</strong>e historische Skizze <strong>von</strong> der Entstehung des Kapitalismus<br />

<strong>in</strong> Westeuropa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e geschichtsphilosophische Theorie des allgeme<strong>in</strong>en Entwicklungsganges verwandeln,<br />

der allen Völkern schicksalsmäßig vorgeschrieben ist, was immer die geschichtlichen Umstände se<strong>in</strong> mögen, <strong>in</strong><br />

denen sie sich bef<strong>in</strong>den, um schließlich zu jener ökonomischen Formation zu gelangen, die mit dem größten Aufschwung<br />

der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit die allseitigste Entwicklung des Menschen sichert. Aber<br />

ich bitte ihn um Verzeihung. (<strong>Das</strong> heißt mir zugleich zu viel Ehre und zu viel Schimpf antun.). Nehmen wir e<strong>in</strong><br />

Beispiel. An mehreren Stellen im 'Kapital' spiele ich auf das Schicksal an, das die Plebejer des alten Roms ereilte.<br />

<strong>Das</strong> waren ursprünglich freie Bauern, die, jeder auf eigne Rechnung, ihr eignes Stück Land bebauten. Im Verlauf<br />

der römischen Geschichte wurden sie expropriiert. Die gleiche Entwicklung, die sie <strong>von</strong> ihren Produktions- und<br />

Subsistenzmitteln trennte, schloß nicht nur die Bildung des Großgrundbesitzes, sondern auch die großer Geldkapitalien<br />

e<strong>in</strong>. So gab es e<strong>in</strong>es schönen Tages auf der e<strong>in</strong>en Seite freie Menschen, die <strong>von</strong> allem, außer ihrer Arbeitskraft,<br />

entblößt waren, und auf der andern, zur Ausbeutung dieser Arbeit, die Besitzer all der erworbenen<br />

Reichtümer. Was geschah? Die römischen Proletarier wurden nicht Lohnarbeiter, sondern e<strong>in</strong> faulenzender Mob,<br />

noch verächtlicher als die sog. 'poor whites' der Südstaaten der Vere<strong>in</strong>igten Staaten, und an ihrer Seite entwickelte<br />

sich ke<strong>in</strong>e kapitalistische, sondern e<strong>in</strong>e auf Sklavenarbeit beruhende Produktionsweise. Ereignisse <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er<br />

schlagenden Analogie, die sich aber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unterschiedlichen historischen Milieu abspielten, führten also<br />

zu ganz verschiedenen Ergebnissen. Wenn man jede dieser Entwicklungen für sich studiert und sie dann mite<strong>in</strong>ander<br />

vergleicht, wird man leicht den Schlüssel zu dieser Ersche<strong>in</strong>ung f<strong>in</strong>den, aber man wird niemals dah<strong>in</strong> gelangen<br />

mit dem Universalschlüssel e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en geschichtsphilosophischen Theorie, deren größter Vorzug<br />

dar<strong>in</strong> besteht, übergeschichtlich zu se<strong>in</strong>." (Brief an die Redaktion der 'Otetschestwennyje Sapiski', MEW 19,<br />

S.111f)<br />

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