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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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275 Wenn wir <strong>von</strong> M.s Zeit leichtfüßig <strong>in</strong> die unsere spr<strong>in</strong>gen und zurück, dürfen wir nicht die dazwischen liegenden<br />

Veränderungen außer Acht lassen. So spielen die Löhne heute e<strong>in</strong>e andere ökonomische Rolle. Zu M.s Zeit<br />

war das, was wir Arbeiterklasse nennen, e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheit der Gesellschaft. Diese M<strong>in</strong>derheit war für den sich erst<br />

noch entwickelnden kapitalistischen Warenmarkt <strong>von</strong> untergeordneter Bedeutung. Mit dem Wachstum der Arbeiterklasse<br />

bei gleichzeitigem Wachstum der kapitalistischen Produktion wandelt sich das Bild. Die lohngebundene<br />

Kaufkraft gew<strong>in</strong>nt rapide an Bedeutung. Die Gesamtsumme der Nettolöhne und -gehälter <strong>in</strong> Deutschland 2008<br />

betrug 642,5 Mrd.Euro. <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d 26% des Brutto<strong>in</strong>landprodukts.<br />

Wir werden uns mit dem daraus resultierenden Problemen noch beschäftigen: Jeder Unternehmer möchte selber<br />

so wenig Lohn wie möglich zahlen. Gleichzeitig aber sollen die Beschäftigten aller anderen Unternehmen <strong>in</strong> ihrer<br />

zweiten Rolle als Konsumenten so viel kaufen wie nur eben möglich, am besten bei ihm. Daraus leitet sich auch<br />

e<strong>in</strong> Gesamt<strong>in</strong>teresse der Kapitalisten an niedrigen Lebenshaltungskosten ab. Denn was vom Lohne<strong>in</strong>kommen<br />

nicht für Miete, Heizung, Energie oder Gesundheit (die sogenannten Fixkosten) gebunden ist, liefert am Markt<br />

die Mittel, ohne die e<strong>in</strong>e Expansion des Warenangebots nicht möglich gewesen wäre. Wer sollte Autos kaufen?<br />

Urlaubsreisen buchen? Den neuesten Elektroniktrends kauffreudig folgen?<br />

276 Man könnte noch viele Beispiel anführen, die durchaus das Interesse der Kapitalisten an niedrigen Lebenshaltungskosten<br />

belegen: Sie s<strong>in</strong>d sehr dafür, teuren Wohnraum oder teure K<strong>in</strong>der über Mietgeld und K<strong>in</strong>dergeld sozial<br />

auszugleichen. Auch gegen die Rückerstattung <strong>von</strong> beruflichen Kosten für Arbeitswege, Fortbildung usw.<br />

über den Steuerausgleich haben sie nichts e<strong>in</strong>zuwenden. Solche flankierenden Maßnahmen m<strong>in</strong>dern den Druck<br />

bei Lohnforderungen und sorgen dafür, dass e<strong>in</strong> <strong>Teil</strong> der Kosten für die Arbeitskraft <strong>von</strong> vornhere<strong>in</strong> vergesellschaftet<br />

und gar nicht erst als Frage der Lohnhöhe behandelt werden.<br />

277 Man darf sich auch durch die die nom<strong>in</strong>elle Entwicklung der Löhne und durch die gerne vorgebrachten Kaufkraftvergleiche<br />

für e<strong>in</strong>en Monatslohn nicht täuschen lassen. Würden wir die jährlichen Warenkäufe e<strong>in</strong>es Arbeiterhaushalts<br />

<strong>von</strong> 1870 <strong>in</strong> die Anteile dieser Waren an der gesellschaftlichen Gesamtarbeit umrechnen (was nicht<br />

möglich ist) und dasselbe für e<strong>in</strong>en vergleichbaren Arbeiterhaushalt heute tun (was ebenfalls nicht geht), fiele der<br />

Vergleich gewiß nicht mehr so krass aus. E<strong>in</strong> DVD-Player 2008 repräsentiert weniger an gesellschaftlicher Arbeit<br />

als e<strong>in</strong> Küchentisch <strong>von</strong> 1870. Ursache ist die enorm gestiegene Arbeitsproduktivität. Sie sorgt für die steigende<br />

Kaufkraft des Lohns, wenn wir die Gebrauchswerte betrachten, <strong>von</strong> denen wir heute viel mehr erwerben können<br />

als unsere Vorfahren, unabhängig da<strong>von</strong>, dass es die meisten Produkte, die heute e<strong>in</strong>en Arbeiterhaushalt ausmachen,<br />

1870 noch gar nicht gab. Was aber e<strong>in</strong>em Arbeiterhaushalt 1870 als Anteil am gesellschafttlichen Gesamtprodukt<br />

zugestanden wurde, dürfte sich vom heutigen Anteil gar nicht so sehr unterscheiden. Wenn wir e<strong>in</strong>ige<br />

Indizien der Armuts-Reichtums-Forschung h<strong>in</strong>zuziehen, ist dieser Anteil zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> den letzten 30 Jahren<br />

sogar wieder relativ gesunken.<br />

278 "Aber mit der wachsenden Produktivität der Arbeit geht... die Verwohlfeilerung des Arbeiters, also wachsende<br />

Rate des Mehrwerts, Hand <strong>in</strong> Hand, selbst wenn der reelle Arbeitslohn steigt. Er steigt nie verhältnismäßig mit<br />

der Produktivität der Arbeit." (MEW 23, S.631)<br />

279 requiescas <strong>in</strong> pace bedeutet Ruhe <strong>in</strong> Frieden. Kann man auf Grabste<strong>in</strong>en katholischer Friedhöfe als Wunsch<br />

der H<strong>in</strong>terbliebenen lesen.<br />

Gäbe es e<strong>in</strong>en Friedhof für gerne beerdigte Theorien, gäbe es dort gewiß e<strong>in</strong>en Grabste<strong>in</strong> für den Mehrwert mit<br />

dieser Aufschrift - sponsered by Unternehmerverband, Bundesregierung und dem Berufsverband Deutscher<br />

Volkswirte und Nationalökonomen.<br />

280 Auch hier ist zu beachten, dass die Reallöhne gerade durch die s<strong>in</strong>kenden Preise vieler Waren als Folge gestiegener<br />

Arbeitsprodukivität gewachsen s<strong>in</strong>d, ohne dass der Wert der Arbeitskraft dadurch gewachsen wäre.<br />

281 Die Grafik zeigt die Entwicklung seit 2000: Die Löhne s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt gesunken, während die Arbeitsproduktivität<br />

steil angestiegen ist. <strong>Das</strong> läßt die Unternehmensgew<strong>in</strong>ne und die Vermögense<strong>in</strong>kommen noch steiler ansteigen.<br />

Die Bereicherung zu Lasten der Lohnentwicklung ist e<strong>in</strong>e der Quellen für die ungeheuren Geldmittel <strong>in</strong><br />

der Hand der Kapitalisten, mit denen seit 2003 die F<strong>in</strong>anzmarktspekulation befeuert wurde und die Mitte 2008<br />

e<strong>in</strong>bricht und die zyklische Krise verstärkt. Im doppelten S<strong>in</strong>ne also e<strong>in</strong>e Entwicklung auf Kosten der Arbeiter und<br />

Angestellten, die nicht nur die Krise vorher, sonder gerade auch h<strong>in</strong>terher bezahlen müssen, durch Massenentlassungen,<br />

Sozialabbau und vermutlich Inflation.<br />

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