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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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und Kneipe und Tr<strong>in</strong>khalle und dergleichen, die wenigstens nicht völlig außerhalb der f<strong>in</strong>anziellen Reichweite e<strong>in</strong>es<br />

normalen Menschen liegen, der ohne Millionenerbe auskommen muß. Tatsächlich gibt es die Option, sich<br />

selbständig zu machen: Mit e<strong>in</strong>er Kneipe, e<strong>in</strong>em Friseursalon, e<strong>in</strong>em Wollstübchen oder F<strong>in</strong>gernagelstudio. Aber<br />

was <strong>in</strong> wenigen E<strong>in</strong>zelfällen, unter günstigen Voraussetzungen, e<strong>in</strong>e Option se<strong>in</strong> mag, ist es nicht für die Gesellschaft.<br />

Solche Kle<strong>in</strong>betriebe heutiger Art, die übrigens zunehmend <strong>von</strong> großen Unternehmen betrieben werden,<br />

kommen nicht ohne die massenweise Lohnarbeit der Produktionsbetriebe aus. Andernfalls hätten wir die bereits<br />

zitierte kuriose Gesellschaft, die sich am Leben erhält, weil man sich gegenseitig Pizzas verkauft oder Haare<br />

schneidet oder F<strong>in</strong>gernägel manikürt. Nur: Irgendwo muß das Zeug, mit dem man backt und schneidet und manikürt,<br />

produziert werden. Und all die Waren, mit denen wir unser Leben bestreiten, wie Wohnung, E<strong>in</strong>richtung,<br />

Essen, Strom usw., müssen schließlich auch noch bereitstehen.<br />

182 Damit aber niemand <strong>in</strong>mitten der strukturellen Analyse zu dem Gedanken verleitet wird, es gehe hier um natürliche<br />

oder zeitlose Verhältnisse, fügt M. sofort h<strong>in</strong>zu: "E<strong>in</strong>s jedoch ist klar. Die Natur produziert nicht auf der<br />

e<strong>in</strong>en Seite Geld- oder Warenbesitzer und auf der andren bloße Besitzer der eignen Arbeitskräfte. Dies Verhältnis<br />

ist ke<strong>in</strong> naturgeschichtliches und ebensowenig e<strong>in</strong> gesellschaftliches, das allen Geschichtsperioden geme<strong>in</strong> wäre.<br />

Es ist offenbar selbst das Resultat e<strong>in</strong>er vorhergegangenen historischen Entwicklung, das Produkt vieler ökonomischer<br />

Umwälzungen, des Untergangs e<strong>in</strong>er ganzen Reihe älterer Formationen der gesellschaftlichen Produktion."<br />

(MEW 23, S.183) <strong>Das</strong> Glück der Geldbesitzer bestand dar<strong>in</strong>, mit der richtigen Menge Geld zur richtigen Zeit am<br />

richtigen Ort gewesen zu se<strong>in</strong>. Und natürlich über die richtigen Verb<strong>in</strong>dungen und die notwendige Skrupellosigkeit<br />

zu verfügen, denn der Weg vom Geldbesitzer zum echten Kapitalisten brauchte ebenso geneigte Ohren <strong>in</strong><br />

der noch feudalen Staatsverwaltung wie Unbekümmertheit <strong>in</strong> moralischen Fragen.<br />

183 MEW 23, S.181<br />

184 E<strong>in</strong>ige Autoren haben immer mal wieder die Frage aufgeworfen, ob denn die "Arbeitskraft" wirklich als Ware<br />

betrachtet werden könne, da ja nichts verkauft, sondern vielmehr nur das Arbeitsvermögen zeitweilig überlassen<br />

wird. Aber ob man diese Aneignung der Arbeitskraft durch den Kapitalisten nun als Kauf oder Verd<strong>in</strong>gung oder<br />

Leas<strong>in</strong>g oder Werkvertrag oder Mandatum oder sonstwie bezeichnet, soll uns hier nicht weiter beschäftigen. Im<br />

weiten Feld der Rechtsverhältnisse gäbe es vermutlich noch weitere Optionen. Nur: Wenn etwas aussieht wie e<strong>in</strong>e<br />

Ente, quakt und watschelt wie e<strong>in</strong>e Ente, dann kann man das Tier auch mit Orangen füllen und <strong>in</strong> den Ofen<br />

schieben. (Entschuldigung an alle Vegetarier!) Wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt<br />

wie Warenkäufer und Warenverkäufer verhalten, behandeln wir auch die Arbeitskraft weiterh<strong>in</strong> so: wie e<strong>in</strong>e Ware.<br />

<strong>Das</strong>s sie <strong>in</strong> jeder H<strong>in</strong>sicht als besondere Ware zu betrachten ist und das Potential besitzt, die ganze wunderbare<br />

Ordnung der re<strong>in</strong>en Warenwelt zu sprengen, würde M. als letzter <strong>in</strong> Abrede stellen.<br />

185 Wir stellen uns vor, dass manchem das ganze Wertgehube auf den Zeiger geht. Aber sorry, anders lassen sich<br />

unsere anfangs aufgeführten Grundfragen nicht beantworten. Wem jedoch unsere Art der Argumentation nicht<br />

gefällt, kann sich auch <strong>von</strong> h<strong>in</strong>ten anschleichen und sich selbst beliebige Argumentationen ausdenken. Viele Wege<br />

führen ans Ziel. Etwa dieser: Akzeptieren wir, dass nützliche Produkte nur durch menschliche Arbeit entstehen?<br />

<strong>Das</strong> müssen wir, auch wenn wir jetzt vielleicht mit frei wachsenden Brombeeren und Pilzen kommen. Aber<br />

selbst dieses bescheidene Segment der Warenproduktion will erstmal gepflückt werden. Und wer sie auf den<br />

Wochenmarkt trägt, wird zum Warenproduzenten, sogar mit der Aussicht auf "Extraprofit", wenn sich se<strong>in</strong>e<br />

Brombeeren oder Ste<strong>in</strong>pilze als gefragte lustvolle Luxuswaren bewähren. S<strong>in</strong>d die Brombeeren verkauft, hat die<br />

private Pflückarbeit auch den gesellschaftlichen Segen erhalten. Wenn nicht, erfährt man die volle Bedeutung<br />

dessen, was wir das Grundrisiko des Warenproduzenten nannten. Aber immerh<strong>in</strong> hätte man <strong>in</strong> diesem Fall noch<br />

die Gelegenheit, sich se<strong>in</strong>e Waren selbst e<strong>in</strong>zuverleiben...<br />

Weiter: Für die arbeitsteilige Warenwirtschaft müssen wir akzeptieren, dass sich Waren auf dem Markt nur bewähren,<br />

wenn sie sich für andere, für die potentiellen Käufer als nützlich erweisen. Auch diese Nützlichkeit für<br />

andere kann nur das Ergebnis menschlicher Arbeit se<strong>in</strong>. Und der Mehrwert? In dem hier verwendeten Modell des<br />

e<strong>in</strong>fachen Warentauschs ist der "Mehrwert", der auch e<strong>in</strong>en für sich ganz alle<strong>in</strong>e arbeitenden Handwerker reicher<br />

machen kann, <strong>in</strong> der Marktbewegung enthalten. Als gesonderter Mehrwert tritt er erst dann zutage, wenn<br />

wir es mit der Wertform des Kapitals zu tun bekommen, also mit der Regie des "Geldgebers" über die Lohnarbeit.<br />

<strong>Das</strong> zeigt zweierlei: Der Mehrwert als Resultat der menschlichen Arbeit ist ke<strong>in</strong>e Erf<strong>in</strong>dung des Kapitals und<br />

entspr<strong>in</strong>gt deshalb auch nicht aus dem Geld. So wie der Wert, also die Tauschbarkeit oder Verkäuflichkeit e<strong>in</strong>er<br />

Ware durch die lebendige Arbeit entsteht, entspr<strong>in</strong>gt auch der zum Wert gehörende Mehrwert derselben Quelle.<br />

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