09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

F<strong>in</strong>anzmarktakteure würden auf alle Staatsbürger abgewälzt und für die Verursacher der Krise weniger spürbar<br />

werden.<br />

160 Wir sehen hier noch völlig <strong>von</strong> spekulativen Preisbewegungen ab. Sie kommen zustande, wenn vorübergehend<br />

e<strong>in</strong> Warensegment der <strong>in</strong>teraktiven Wertbestimmung entzogen wird und sich nur <strong>in</strong> nom<strong>in</strong>ellen Preisen mit<br />

e<strong>in</strong>geschränkter Zirkulation bewegt. Kl<strong>in</strong>gt hochgestochen, ist aber e<strong>in</strong>fach: E<strong>in</strong> Beispiel s<strong>in</strong>d Luxussegmente, <strong>in</strong><br />

denen weniger die Ware, als vielmehr der Besitz <strong>in</strong>teressiert. Da werden für Kunstgegenstände oder handgefertigte<br />

Uhren überschießende Preise gezahlt. Allerd<strong>in</strong>gs funktioniert auch das nur so lange, wie strikte Exklusivität<br />

gewahrt und Kaufkraft weit über die Anforderungen der Lebenshaltung h<strong>in</strong>aus vorhanden ist. Sprich: Es muß genügend<br />

reiche Käufer geben, denen es auf e<strong>in</strong>e Million nicht ankommt.<br />

E<strong>in</strong> anderes Beispiel s<strong>in</strong>d Preisbildungen <strong>in</strong> Spekulationsblasen. Als Anfang des 17. Jahrhunderts Tulpenzwiebeln<br />

<strong>in</strong> Holland immer beliebter und zu e<strong>in</strong>em modischen Bedarfsartikel der Wohlhabenden wurden, stieg der Tulpenpreis<br />

rasant. Die sogenannte Große Tulpenmanie brach aus. Der Kauf <strong>von</strong> Tulpen erschien Kaufleuten, Handwerkern<br />

und Stadtverwaltungen als sicherer Weg zu enormen Gew<strong>in</strong>nen.<br />

Nur vergaß man bei dieser wie bei jeder späteren Spekulationsblase, dass e<strong>in</strong> auf die Börsentafel geschriebener<br />

Tulpenzwiebelpreis gar ke<strong>in</strong> Preis, sondern nur e<strong>in</strong>e spekulative Vermutung ist. Weil aber e<strong>in</strong>e gewisse Zeit lang<br />

wirklich die aufgeschriebenen Summen als Preis gezahlt wurden, g<strong>in</strong>gen viele dazu über, Häuser und Handwerksbetriebe<br />

zu verkaufen, um stattdessen <strong>in</strong> Tulpenzwiebeln zu <strong>in</strong>vestieren. Es wurden sogar Term<strong>in</strong>geschäfte<br />

auf künftige Tulpenzwiebelernten abgeschlossen.<br />

Wie bei jeder Spekulation gilt: Wer rechtzeitig aussteigt und noch jemanden f<strong>in</strong>det, der den spekulativen Preis<br />

bezahlt, kann gew<strong>in</strong>nen. Die anderen holt der Pleiteteufel. Natürlich dämmerte den Spekulanten irgendwann,<br />

dass e<strong>in</strong>e Tulpenzwiebel unmöglich 4000 Gulden wert se<strong>in</strong> konnte. Drei Tulpenzwiebeln sollten dem Wert e<strong>in</strong>es<br />

Hauses entsprechen? Der Traum vom schnellen Reichtum platzte für die meisten. Die Preise konnten nur so lange<br />

steigen, wie auch die Nachfrage nach Tulpenzwiebeln weiter zunahm. Als die Verlangsamung des Karussells<br />

spürbar wurde, machten mehr und mehr Spekulanten ihre gehorteten Tulpenzwiebeln wieder zu Geld und leiteten<br />

den für jede Spekulationsblase typischen Knalleffekt e<strong>in</strong>.<br />

Da wurde schnell der Unterschied deutlich, der zwischen e<strong>in</strong>em spekulativen und e<strong>in</strong>em wirklich bezahlten Preis<br />

besteht. <strong>Das</strong> Wertgesetz holte sie alle wieder auf den Boden zurück. Nach dem Ende der Tulpenzwiebelkrise <strong>von</strong><br />

1637 waren e<strong>in</strong>ige dadurch viel reicher geworden, andere um denselben Betrag viel ärmer. Wirkliche Gew<strong>in</strong>ner<br />

waren alle, die den Spekulanten die Häuser und Handwerksbetriebe zu günstigen Preisen abgekauft hatten.<br />

161 <strong>Das</strong> gilt une<strong>in</strong>geschränkt nur für die Geldwirtschaft mit direkter Edelmetallwährung. Jede im Mittelalter neu<br />

eröffnete Silbergrube, jedes verbesserte Förderungs- und Extraktionsverfahren bee<strong>in</strong>flußte den Geldwert. Die E<strong>in</strong>fuhr<br />

riesiger Gold- und Silbermengen im Zuge der ersten kolonialen Eroberungen des 16. Jahrhunderts führte europaweit<br />

zu e<strong>in</strong>er Geldentwertung. Heute haben wir e<strong>in</strong>e sehr weitgehende Loslösung vom Goldstandard und<br />

und mit der Freigabe der Wechselkurse zwischen den Währungen ist die Geldwertbildung noch komplizierter geworden.<br />

162 Unter dem Stichwort "Transformationsproblem" streiten sich kluge Leute (v.a. mathematisch orientierte<br />

Ökonomen) um die Frage, ob überhaupt und mit welchem Verfahren die gesellschaftlichen Warenwerte, die <strong>in</strong><br />

gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit gemessen werden, <strong>in</strong> Preise (besser: Produktionspreise) umgerechnet<br />

werden können, so dass am Ende M.s Annahme, wonach die Summe der Preise gleich der Summe der Werte sei,<br />

sich als Wert-Preis-Rechnung nachvollziehen läßt. Letztlich geht es um den Versuch, für M.s Werttheorie e<strong>in</strong> mathematisches<br />

Modell mit "Beweiskraft" zu entwickeln. <strong>Das</strong> ist durchaus anregend, aber auch nicht frei <strong>von</strong> akademischen<br />

Kuriositäten. Und letztlich gehen diese Bemühungen haarscharf an M.s Werttheorie vorbei, da der<br />

Kern des Wertgesetzes eben nicht auf die Preisbildung zielt, sondern die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit<br />

und die Verteilung der stofflichen Elemente des Kapitals regelt. Mittel dieser Regulation s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie nicht<br />

mehr die Preise, sondern die zyklischen Krisen und die Wechsel <strong>in</strong> den Akkumulationsregimes, die <strong>in</strong> der Abfolge<br />

der Krisenphasen auftreten. Damit eilen wir aber gehörig voraus. Nehmen wir diese Anmerkungen als Trailer für<br />

den zweiten <strong>Teil</strong> unserer <strong>Spurensuche</strong>.<br />

163 Über Jahrtausende h<strong>in</strong>weg vollzog sich der Wirtschaftskreislauf auf praktisch gleicher Stufe. <strong>Das</strong> Leben der<br />

Menschen war mit der Sicherung der Lebensgrundlagen gegen alle Unbilden der Natur völlig ausgefüllt, Jahr für<br />

Jahr, Generation für Generation. Sogar die Entwicklung e<strong>in</strong>facher Vorratshaltung, um den <strong>in</strong> guten Jahren erzielten<br />

Überschuß zu speichern, war begrenzt. Dazu mußten erst e<strong>in</strong>mal verschiedene Methoden zur Haltbarmac-<br />

275

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!