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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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können; abgesehn ebenfalls <strong>von</strong> allem Rückschlag e<strong>in</strong>es Wechsels der Wertelemente des produktiven Kapitals<br />

auf den Wert des vorhandnen Warenkapitals, der gesteigert oder gesenkt werden kann, wenn Vorrat da<strong>von</strong> vorhanden.<br />

W', die 10000 Pfund Garn, seien zu ihrem Wert <strong>von</strong> 500 Pfd. St. verkauft; 8440 Pfund = 422 Pfd. St.<br />

ersetzen den <strong>in</strong> W' enthaltnen Kapitalwert. Ist aber der Wert <strong>von</strong> Baumwolle, Kohle etc. gestiegen (da wir hier<br />

<strong>von</strong> bloßen Preisschwankungen absehn), so reichen vielleicht diese 422 Pfd. St. nicht h<strong>in</strong>, um die Elemente des<br />

produktiven Kapitals ganz zu ersetzen; es ist zuschüssiges Geldkapital nötig. Geldkapital wird gebunden. Umgekehrt,<br />

wenn jene Preise gefallen; Geldkapital wird freigesetzt. Ganz normal verläuft der Prozeß nur, wenn die<br />

Wertverhältnisse konstant bleiben; er verläuft faktisch, solange sich Störungen <strong>in</strong> der Wiederholung des Kreislaufs<br />

ausgleichen; je größer die Störungen, um so größres Geldkapital muß der <strong>in</strong>dustrielle Kapitalist besitzen, um<br />

die Ausgleichung abwarten zu können; und da im Fortgang der kapitalistischen Produktion sich die Stufenleiter<br />

jedes <strong>in</strong>dividuellen Produktionsprozesses, und mit ihm die M<strong>in</strong>imalgröße des vorzuschießenden Kapitals erweitert,<br />

so kommt jener Umstand zu den andren, die die Funktion des <strong>in</strong>dustriellen Kapitalisten mehr und mehr <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Monopol großer Geldkapitalisten, vere<strong>in</strong>zelter oder assoziierter, verwandeln." (MEW 24, S.110f)<br />

M. macht auf se<strong>in</strong>e Weise klar, warum er das Kreditsystem erst später behandeln will. Er bleibt se<strong>in</strong>er L<strong>in</strong>ie treu,<br />

die Prozesse zunächst <strong>in</strong> re<strong>in</strong>er Form, ohne die H<strong>in</strong>zunahme weitere E<strong>in</strong>flüsse zu analysieren. Allerd<strong>in</strong>gs gel<strong>in</strong>gt es<br />

ihm nicht recht. Immer wieder drängt ihn die Begründung, warum erst die re<strong>in</strong>e Form zu analysieren und <strong>von</strong> unvermeidlichen<br />

Störungen abzusehen habe, genau zur Diskussion dieser unvermeidlichen Störungen. Wir nutzen<br />

das, um schon mal Proviant für spätere Debatten zu bunkern.<br />

450 Ganz unabhängig <strong>von</strong> der gegenwärtigen Wirtschaftskrise ist vielleicht diese Verdrängung der Kreditfrage <strong>in</strong><br />

den 3. Band der e<strong>in</strong>zige Mangel im "Kapital"-Aufbau.<br />

451 Vergesellschaftung me<strong>in</strong>t hier nicht die Überführung <strong>von</strong> Großunternehmen und Banken <strong>in</strong> gesellschaftliches<br />

Eigentum. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>e alte, heute leider <strong>von</strong> vielen vergessene Forderung der Arbeiterbewegung, die ebenfalls als<br />

Vergesellschaftung bezeichnet wird. Diese Forderung zielte gerade auf die Lösung des Widerspruchs ab, der sich<br />

aus dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion bei gleichzeitiger Ausrichtung an den bornierten Privat<strong>in</strong>teressen<br />

ergibt, die sich wiederum durch ihr privates Eigentum am Kapital rechtfertigen.<br />

Wir verwenden hier Vergesellschaftung (= gesellschaftlicher Charakter der Produktion) <strong>in</strong> M.s Bedeutung: Durch<br />

tiefe Arbeitsteilung mite<strong>in</strong>ander verbundene Produktionsprozesse. Da diese Produktionsprozesse durch privates<br />

Kapital <strong>in</strong> privatem Interesse betrieben werden, entsteht e<strong>in</strong> Konflikt, der standardmäßig <strong>in</strong> der marxistischen Literatur<br />

als "Grundwiderspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privaten Aneignung"<br />

bezeichnet wird.<br />

452 Wir geben unseren anekdotischen Gullydeckel-Ausflügen bewußt diesen leicht skurrilen Touch. Schließlich<br />

handelt es sich nicht um Nacherzählung wirklicher Ereignisse, sondern um Veranschaulichung unserer strukturellen<br />

Analyse. Hier sche<strong>in</strong>t es aber angebracht darauf zu verweisen, dass tatsächlich lange Zeit Eisenschienen im<br />

Bau früher, durch Pferde bewegter Straßenbahnen verwendet wurden. Sogar im englischen Eisenbahnbau g<strong>in</strong>g<br />

man erst Ende der 1860er Jahre schrittweise zu Stahlschienen über, die zwar teurer, dafür aber auch haltbarer<br />

waren. Auch solche Details f<strong>in</strong>det man übrigens im "Kapital" (MEW 24, S.170).<br />

453 M. kannte diesen Zusammenhang zu se<strong>in</strong>er Zeit ebenso gut wie viele der erst gestreichelten, dann gestrauchelten<br />

Hightech-Unternehmen unserer Zeit, die das am eigenen Leib erfahren mußten. Technische Pioniertaten<br />

scheitern nämlich sehr oft, wie M. schreibt, an den "viel größern Kosten, womit überhaupt e<strong>in</strong> auf neuen Erf<strong>in</strong>dungen<br />

beruhendes Etablissement betrieben wird, verglichen mit den spätern, auf se<strong>in</strong>en Ru<strong>in</strong>en, ex suis ossibus<br />

(= wörtlich: aus se<strong>in</strong>en Knochen) aufsteigenden Etablissements. Dies geht so weit, daß die ersten Unternehmer<br />

meist Bankrott machen und erst die spätern, <strong>in</strong> deren Hand Gebäude, Masch<strong>in</strong>erie etc. wohlfeiler kommen, florieren.<br />

Es ist daher meist die wertloseste und miserabelste Sorte <strong>von</strong> Geldkapitalisten, die aus allen neuen Entwicklungen<br />

der allgeme<strong>in</strong>en Arbeit des menschlichen Geistes und ihrer gesellschaftlichen Anwendung durch<br />

komb<strong>in</strong>ierte Arbeit den größten Profit zieht." (MEW 25, S.114)<br />

<strong>Das</strong> beschreibt ziemlich genau den Mechanismus sogenannten "Gründerkapitals" oder "Risikokapitals", bei dem<br />

das ganze Risiko der Geldkapitalisten dar<strong>in</strong> besteht, e<strong>in</strong> bißchen Geld hier und da zu verlieren, sofern nicht sogar<br />

der Steuervorteil auch diese Verluste ausgleicht. Aber die Chance ist groß, dabei e<strong>in</strong>en Treffer zu landen, mit dem<br />

man sich den Erf<strong>in</strong>dungsreichtum der Erf<strong>in</strong>der preiswert aneignen, den Wohltäter spielen und e<strong>in</strong> Vielfaches verdienen<br />

kann. Oder es s<strong>in</strong>d Private Equity Funds, die sich als Kapitalgeber den Firmen andienen, die nicht trotz,<br />

sondern wegen ihrer Innovationen regelmäßig <strong>in</strong> F<strong>in</strong>anzierungsnöte geraten. So ist es auch hier wieder die "mi-<br />

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