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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Tempel vertrieben werden. Gelänge das nicht und würde menschliches Mitgefühl das Handeln der Bank fortan<br />

leiten, würde man der Konkurrenz erliegen und nach wenigen Quartalen als <strong>in</strong>ternationale Großbank nicht mehr<br />

existieren. Alternative: Von Verwertungszwang und Konkurrenz überwältigt, betreibt auch unsere Inkarnation der<br />

Menschenliebe das Geschäft wie irgend so e<strong>in</strong> Ackermann. Nur die Regeln für Good Governance werden moralisch<br />

aufgerüstet und für Ethic Codes und ethische Investments und Mikrokredite* würde flugs e<strong>in</strong>e eigene Abteilung<br />

gebildet. <strong>Das</strong> Geschäft muss schließlich <strong>in</strong> allen Bereichen wachsen.<br />

*Mikrokredite s<strong>in</strong>d Kle<strong>in</strong>- bis W<strong>in</strong>zkredite, die an arme Menschen vergeben werden, die nach üblichen Kriterien<br />

nicht kreditwürdig s<strong>in</strong>d. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>e lukrative Angelegenheit, und es gibt <strong>in</strong>zwischen zahlreiche Investmentfonds,<br />

die ihren Anlegern e<strong>in</strong>erseits hohe Rendite, andererseits e<strong>in</strong>e gute Tat im "Kampf gegen die Armut" versprechen.<br />

<strong>Das</strong> Anleger-Magaz<strong>in</strong> der CreditSuisse zitiert ihren Leiter für das Private Bank<strong>in</strong>g, Arthur Vayloyan: "Natürlich<br />

war ich als Banker anfangs auch skeptisch. Ich konnte mir fast nicht vorstellen, dass die Vergabe e<strong>in</strong>es Kredits<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong> paar hundert Dollar für den Dienstleistungserbr<strong>in</strong>ger profitabel se<strong>in</strong> kann. Doch dann musste ich mit Erstaunen<br />

feststellen, dass es sich so organisieren lässt, dass selbst bei diesen kle<strong>in</strong>en Beträgen – natürlich über<br />

e<strong>in</strong>e grosse Anzahl <strong>von</strong> Kreditnehmern verteilt – unter dem Strich e<strong>in</strong> Geschäft herausschaut. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>erseits<br />

erklärbar aufgrund der Z<strong>in</strong>ssituation, die man lokal anwendet, und andererseits – was ebenfalls erstaunlich ist –<br />

aufgrund der enorm guten Rückzahlungsquote. Beides komb<strong>in</strong>iert führt dazu, dass sogar Geld verdient werden<br />

kann, wenn auch nicht auf e<strong>in</strong>em wahns<strong>in</strong>nig hohen, aber doch attraktiven Niveau. <strong>Das</strong> macht Mikrokredite auch<br />

als Investitionsmöglichkeit <strong>in</strong>teressant." In Bangladesh hat Muhammad Yunus mit se<strong>in</strong>er <strong>in</strong> den 70er Jahren gegründeten<br />

Grameen-Bank <strong>in</strong>zwischen über Mikrokredite 7,5 Millionen Menschen, überwiegend Frauen, unter<br />

Kontrolle. Yunus bekam dafür den Friedensnobelpreis als Bekämpfer der Armut. Se<strong>in</strong>e Bank bekommt 20% Z<strong>in</strong>sen<br />

auf jeden Kredit. <strong>Das</strong> ist offenbar die "Z<strong>in</strong>ssituation, die man lokal anwendet", <strong>von</strong> der oben der Banker<br />

wohlwollend sprach. Wie unabhängige Untersuchungen an der Jahangirnagar Universität <strong>in</strong> Dhaka ergaben, profitieren<br />

tatsächlich weniger als 10% der Kreditnehmer <strong>von</strong> den Krediten; das s<strong>in</strong>d die, die ohneh<strong>in</strong> noch andere<br />

E<strong>in</strong>kommen haben. Der Rest hat große Mühe, die wöchentlichen Z<strong>in</strong>sen zurückzuzahlen. 40% der Schuldner<br />

müssen weitere Kredite zu noch schlechteren Konditionen nehmen, um die Z<strong>in</strong>sen der alten Kredite aufzubr<strong>in</strong>gen,<br />

mit verheerenden Wirkungen für die Familien und die Dorfgeme<strong>in</strong>schaften.Der schon zitierte Arthur Vayloyan <strong>von</strong><br />

der CreditSuisse schließt mit dieser Botschaft für se<strong>in</strong>e wohlhabenden Kunden: "In den Siebzigerjahren hätte<br />

niemand geglaubt, dass man mit armen Frauen <strong>in</strong> Bangladesch <strong>in</strong>s Geschäft kommen könnte. Dreissig Jahre später<br />

steht fest, dass man dies sogar Gew<strong>in</strong>n br<strong>in</strong>gend tun kann." Nützlich? <strong>E<strong>in</strong>e</strong> gute Tat? Weg aus der Armut?<br />

Für die Mehrzahl der Kreditnehmer handelt es sich um dasselbe Geschäftsmodell, mit dem sie <strong>in</strong> der Welt der<br />

Armut schon immer <strong>von</strong> Wuchererern und Pfandleihern traktiert wurden. Ergiebig und anschaulich, aber leider<br />

nur <strong>in</strong> englischer Sprache verfügbar, das Buch <strong>von</strong> Farooque Chowdhury: Microcredits - Myth Manufactured (Verlag<br />

Shrabon Prokashani ISBN 984-70088-0003-1).<br />

476 Selbstverständlich gibt es solche äußeren Störungen. Aber es s<strong>in</strong>d eben nur deshalb Störungen, weil sie die<br />

Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen verändern. Der politische Machtwechsel im Iran 1979 wirkte durch Veränderung der<br />

Erdölpreise auf die Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>. Andere nicht weniger gravierende Ereignisse, etwa Bürgerkriege<br />

oder Dürrekatstrophen und Hungersnöte <strong>in</strong> Afrika, gehen praktisch spurlos an den Verwertungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

vorüber.<br />

477 <strong>Das</strong> er<strong>in</strong>nert uns an die Formulierung aus dem "Manifest", der wir im Zwischentext begegneten: "Die bürgerlichen<br />

Verhältnisse s<strong>in</strong>d zu eng geworden, um den <strong>von</strong> ihnen erzeugten Reichtum zu fassen." Präziser formulierte<br />

M. diesen Widerspruch im Zwischentext zum Gegenstand der Politischen Ökonomie: "Auf e<strong>in</strong>er gewissen<br />

Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft <strong>in</strong> Widerspruch mit den vorhandenen<br />

Produktionsverhältnissen... Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse <strong>in</strong><br />

Fesseln derselben um." (MEW 13, S.9) Tatsächlich bekommen wir hier <strong>in</strong> den periodischen Krisen bereits e<strong>in</strong>en<br />

Zipfel dieses Widerspruchs zu fassen.<br />

478 "In demselben Maße also, wor<strong>in</strong> sich mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise der Wertumfang<br />

und die Lebensdauer des angewandten fixen Kapitals entwickelt, entwickelt sich das Leben der Industrie<br />

und des <strong>in</strong>dustriellen Kapitals <strong>in</strong> jeder besondren Anlage zu e<strong>in</strong>em vieljährigen, sage im Durchschnitt zehnjährigen.<br />

Wenn e<strong>in</strong>erseits die Entwicklung des fixen Kapitals dieses Leben ausdehnt, so wird es andrerseits abgekürzt<br />

durch die beständige Umwälzung der Produktionsmittel, die ebenfalls mit der Entwicklung der kapitalistischen<br />

Produktionsweise beständig zunimmt. Mit ihr daher auch der Wechsel der Produktionsmittel und die Notwendigkeit<br />

ihres beständigen Ersatzes <strong>in</strong>folge des moralischen Verschleißes, lange bevor sie physisch ausgelebt s<strong>in</strong>d.<br />

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