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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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abgebenden Märkten billig, auf den aufnehmenden Märkten aber stark nachgefragt und daher<br />

teuer waren.<br />

Damit das funktionieren kann, muß am aufnehmenden Markt, auf dem der Händler schließlich<br />

den Gew<strong>in</strong>n erzielen will, genügend Kaufkraft <strong>in</strong> Geld oder es müssen auf dem Zielmarkt Waren<br />

vorhanden se<strong>in</strong>, die am Quellmarkt gute Preise erzielen. In jedem Fall entstammt die Wertsubstanz<br />

dieses Fernhandels zwischen verschiedenen Märkten dem dort vorhandenen gesellschaftlichen<br />

Mehrprodukt, setzt also bereits erweiterte Reproduktion im gesellschaftlichen Maßstab voraus.<br />

Deshalb zielt der antike und mittelalterliche Fernhandel zunächst auf die Luxusbedürfnisse<br />

der herrschenden Klasse und der städtischen Oberschicht.<br />

Der Fernhandel erzeugt se<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n nicht, sondern erzielt ihn nur. Grundlage ist der Kauf<br />

und Verkauf begehrter Waren. Auch wenn dabei die oben beschriebene Symmetrie <strong>von</strong> Märkten<br />

ausgenutzt wird, ist das ke<strong>in</strong>e Wertschöpfung. Es ist überwiegend Abschöpfung des Mehrprodukts<br />

am jeweiligen Zielmarkt durch nachgefragte Waren. Die Differenz zwischen Kaufpreis<br />

auf dem Quellmarkt und Verkaufspreis auf dem Zielmarkt muß ausreichen, um die Aufwendungen<br />

des Fernhandels und se<strong>in</strong>e unvermeidlichen Verluste aufzufangen und dem Händler dennoch<br />

e<strong>in</strong>en reizenden Gew<strong>in</strong>n zu bescheren.<br />

Die Befriedigung <strong>von</strong> Luxusbedürfnissen spielt auch heute noch e<strong>in</strong>e Rolle. Wenn e<strong>in</strong> japanischer<br />

Milliardär für 90 Mio. Pfund <strong>in</strong> London e<strong>in</strong> Picasso-Bild kauft oder irgende<strong>in</strong> Depp für e<strong>in</strong>e fleckige<br />

Unterhose Bill Cl<strong>in</strong>tons 120.000 Dollar zahlt, ist das genauso Abschöpfung des gesellschaftlichen<br />

Mehrprodukts. Auch <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>erem Maßstab wird abgeschöpft, wenn wir etwa bereitwillig<br />

für e<strong>in</strong>en Markenturnschuh das Doppelte bezahlen wie für denselben Turnschuh, dem<br />

das Markenetikett fehlt. Wir können uns solche Extravaganzen nur erlauben, wenn wir über e<strong>in</strong>e<br />

freie Spitze im Lohne<strong>in</strong>kommen verfügen, also e<strong>in</strong>en Lohn erhalten, der nach Befriedigung der<br />

unabweisbaren Lebensbedürfnisse immer noch etwas übrig läßt, das wir zur eigenen Freude für<br />

eigentlich überflüssige D<strong>in</strong>ge ausgeben können. Für mehrere Villen an verschiedenen schönen<br />

Orten dieser Welt reicht unsere freie Spitze im E<strong>in</strong>kommen freilich nicht aus. Da gibt es zwischen<br />

unserem Kle<strong>in</strong>e-Leute-Luxus und dem der Mehrwertsauger dieser Welt doch noch gravierende<br />

Unterschiede.<br />

4<strong>1.</strong> Ist M.s Politische Ökonomie auf e<strong>in</strong> bestimmtes Menschenbild oder auf bestimmte<br />

anthropologische Merkmale wie Habgier oder Nutzenstreben oder Besitztrieb<br />

angewiesen?<br />

Eben nicht. Mit Entwicklung der Werttheorie g<strong>in</strong>g es M. gerade darum, e<strong>in</strong>e befriedigende Erklärung<br />

für die Austauschbarkeit der Waren und den Wertzuwachs zu erhalten, ohne dabei Eigenschaften<br />

wie Habgier, Neigung zu Betrug, Hang zur Verschwendung etc. bemühen zu müssen.<br />

Solchen Annahmen über die verme<strong>in</strong>tliche Natur des Menschen begegnet man <strong>in</strong> den Arbeiten<br />

praktisch aller bürgerlichen Ökonomen immer wieder. Dort ist der homo oeconomicus zu<br />

Hause, dem man "natürliche" Eigenschaften wie Nutzenoptimierung, Gew<strong>in</strong>nstreben, Handelstrieb<br />

und anderes unterstellen muß, um die eigenen re<strong>in</strong> psychologischen Erklärungen zu fundieren.<br />

Der entscheidende Grund, warum M. überzeugt war, mit se<strong>in</strong>er Werttheorie den gordischen<br />

Knoten durchschlagen zu haben, lag gerade <strong>in</strong> der Unabhängigkeit <strong>von</strong> vagen anthropologischen<br />

Konstrukten. Er konnte e<strong>in</strong>e überzeugende Erklärung liefern, die weder bestimmte<br />

menschliche Geme<strong>in</strong>heiten noch menschliche Tugenden erforderte. Dennoch konnten sich Geme<strong>in</strong>heit<br />

und Tugend nach Herzenslust austoben, ohne die Gültigkeit der Theorie zu bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

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