09.01.2013 Aufrufe

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ner zu eng verstandenen, zu sehr e<strong>in</strong>em naturwissenschaftlichen Ideal nacheifernden, stark angelsächsisch<br />

geprägten neoklassischen Ökonomie."<br />

Auf wunderbare Weise br<strong>in</strong>gt sich durch diesen Trick der Neoliberalismus, <strong>in</strong>dem er sich <strong>in</strong> europäischen<br />

Ordo-Liberalismus 495 verwandelt, nicht nur aus der Schußl<strong>in</strong>ie. Er stellt sich damit auch<br />

noch als Opfer dar, das <strong>von</strong> Hyper-Optimisten, Modellschre<strong>in</strong>ern, unhistorischen Banausen und<br />

Technokraten, kurz: <strong>von</strong> angelsächsischen Umtrieben an den Rand gedrängt wird und fordert<br />

"an den Universitäten <strong>in</strong> Zukunft wieder mehr Anerkennung", sprich: noch mehr Lehrstühle.<br />

Genug der Jeremiade. Es hat e<strong>in</strong>en gewissen Unterhaltungswert, wenn bürgerliche Wirtschaftsleute<br />

über andere bürgerliche Wirtschaftsleute herziehen. Aber es br<strong>in</strong>gt uns nicht weiter. Die<br />

stecken nunmal mit der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise nicht nur im ökonomischen, sondern<br />

auch im ideologischen Morast.<br />

Zurück zur Frage: Ist unsere Kritik überzogen? Antwort: Wenn man sieht, was Volkswirte derzeit<br />

<strong>von</strong> den Klassenkameraden an Keile beziehen, ist unsere Kritik der bürgerlichen Volkswirtschaft<br />

eher zurückhaltend und e<strong>in</strong> bißchen sogar <strong>von</strong> Mitleid geprägt, aber nur e<strong>in</strong> bißchen.<br />

5. Was ist der Gegenstand der Politischen Ökonomie? Was s<strong>in</strong>d die Unterschiede zur<br />

"bürgerlichen" Wirtschaftswissenschaft?<br />

Die Politische Ökonomie untersucht, wie sich e<strong>in</strong>e Gesellschaft ihre Lebensbed<strong>in</strong>gungen schafft<br />

und sich dadurch <strong>von</strong> Jahr zu Jahr, <strong>von</strong> Generation zu Generation reproduziert. Sie untersucht,<br />

mit welchen technischen und organisatorischen Mitteln das geschieht, welche Beziehungen die<br />

Menschen dabei zue<strong>in</strong>ander e<strong>in</strong>gehen und wie sich solche Beziehungen zu sozialen Klassen und<br />

Eigentumsverhältnissen formen.<br />

Die ("bürgerlichen") Wirtschaftswissenschaften s<strong>in</strong>d vielfältig zergliedert, untersuchen die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Momente des Wirtschaftslebens, wie sie sich vom Standpunkt des Unternehmers darstellen.<br />

Der Gesamtzusammenhang, Macht- und Eigentumsfragen s<strong>in</strong>d weitgehend ausgespart und<br />

werden, bestenfalls, an die Wirtschaftsgeschichte und Soziologie delegiert. Etwas vere<strong>in</strong>fachend<br />

gesagt: Die Wirtschaftswissenschaften betrachten Geld, Arbeit, Ressourcen, Vertrieb, Technik,<br />

Investition usw. als d<strong>in</strong>gliche Faktoren der Produktion, der Zirkulation und des Konsums. Sie untersucht<br />

die Beziehungen der Menschen als Funktionsträger ("Konsument", "Arbeitskraft", "Investor",<br />

"Unternehmer") zu diesen Faktoren, bevorzugt <strong>in</strong> Begriffen wie Nachfrage, Intention,<br />

Motiv oder Bedürfnis.<br />

Die Politische Ökonomie untersucht die Beziehungen zwischen den Menschen als soziale Wesen<br />

("Klassen") und wie sich diese Beziehungen zwischen den Menschen <strong>in</strong> den "D<strong>in</strong>gen" darstellen.<br />

<strong>E<strong>in</strong>e</strong> Masch<strong>in</strong>e ist zweifellos e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g. Aber es ist auch e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g, das jemandem gehört und<br />

<strong>von</strong> jemandem <strong>in</strong> Bewegung gesetzt wird. Auch wenn Eigentümer und Beweger verschiedene<br />

Menschen s<strong>in</strong>d, die sich womöglich nicht e<strong>in</strong>mal kennen, stehen sie durch die Masch<strong>in</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

bestimmten Verhältnis zue<strong>in</strong>ander, ob sie das wollen oder nicht. Und warum gehen sie e<strong>in</strong><br />

Verhältnis e<strong>in</strong>, das außerhalb ihres Willens liegt?<br />

Die Politische Ökonomie stellt Fragen wie diese. Macht- und Eigentumsverhältnisse s<strong>in</strong>d da<strong>von</strong><br />

ebenso wenig zu trennen wie die historische Perspektive. 496 Wenn wir nur fragen, was macht<br />

e<strong>in</strong>en Menschen zu e<strong>in</strong>em Unternehmer, werden wir uns mit dem Ökonomen der anderen Seite<br />

vermutlich sogar auf e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Formulierung e<strong>in</strong>igen können. Fragen wir aber mal so:<br />

Woher kommen die Unternehmer als soziale Klasse? Warum spielen sie heute e<strong>in</strong>e beherrschende<br />

Rolle? Worauf gründet ihre Macht? Dann wird die Gegenseite als nicht <strong>in</strong>teressiert abw<strong>in</strong>ken<br />

165

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!