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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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240 Es ist wichtig, aus dem 2-Phasen-Modell des Arbeitstags nicht auf e<strong>in</strong>e wirkliche zeitliche Trennung <strong>von</strong><br />

Wertübertragung und Wertschöpfung zu schließen. Es gibt ke<strong>in</strong>en Gongschlag, der das Ende der notwendigen<br />

und den Beg<strong>in</strong>n der Mehrarbeitszeit anzeigt. M. betont das an vielen Stellen. E<strong>in</strong> Beispiel: "Da aber der Zusatz<br />

<strong>von</strong> neuem Wert zum Arbeitsgegenstand und die Erhaltung der alten Werte im Produkt zwei ganz verschiedne<br />

Resultate s<strong>in</strong>d, die der Arbeiter <strong>in</strong> derselben Zeit hervorbr<strong>in</strong>gt, obgleich er nur e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> derselben Zeit arbeitet,<br />

kann diese Doppelseitigkeit des Resultats offenbar nur aus der Doppelseitigkeit se<strong>in</strong>er Arbeit selbst erklärt werden.<br />

In demselben Zeitpunkt muß sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Eigenschaft Wert schaffen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er andren Eigenschaft Wert<br />

erhalten oder übertragen." (MEW 23, S.214)<br />

Auf dieser Grundlage karikiert M. auch das Gejammer englischer Ökonomen zur Arbeitszeitverkürzung, die exakt<br />

nachwiesen, dass aller Profit gerade <strong>in</strong> der letzten Stunde des Arbeitstags geschaffen werde und dass daher<br />

durch Kürzung des Arbeitstags der gesamte Profit verloren gehe (siehe dazu M.s Kapitel "Seniors 'Letzte Stunde'"<br />

<strong>in</strong> MEW 23, S.237ff). Tatsächlich ist die notwendige Arbeitszeit immer kürzer als die Gesamtarbeitszeit. Wäre<br />

sie es nicht, wäre e<strong>in</strong>e kapitalistische Produktionsweise nicht nur s<strong>in</strong>nlos; die Existenz jeder Gesellschaft wäre<br />

unter solchen Voraussetzungen gefährdet. Denn alle Arbeitskräfte zusammen müssen doch wohl m<strong>in</strong>destens so<br />

viel erwirtschaften, als für sie selbst und den Rest der nicht arbeitenden Gesellschaft erforderlich ist, um wenigstens<br />

den status quo zu erhalten.<br />

241 "Den <strong>Teil</strong> des Arbeitstags also, wor<strong>in</strong> diese Reproduktion vorgeht, nenne ich notwendige Arbeitszeit, die<br />

während derselben verausgabte Arbeit notwendige Arbeit. Notwendig für den Arbeiter, weil unabhängig <strong>von</strong> der<br />

gesellschaftlichen Form se<strong>in</strong>er Arbeit. Notwendig für das Kapital und se<strong>in</strong>e Welt, weil das beständige <strong>Das</strong>e<strong>in</strong> des<br />

Arbeiters ihre Basis. Die zweite Periode des Arbeitsprozesses, die der Arbeiter über die Grenzen der notwendigen<br />

Arbeit h<strong>in</strong>aus schanzt, kostet ihm zwar Arbeit, Verausgabung <strong>von</strong> Arbeitskraft, bildet aber ke<strong>in</strong>en Wert für ihn.<br />

Sie bildet Mehrwert, der den Kapitalisten mit allem Reiz e<strong>in</strong>er Schöpfung aus Nichts anlacht. Diesen <strong>Teil</strong> des Arbeitstags<br />

nenne ich Surplusarbeitszeit, und die <strong>in</strong> ihr verausgabte Arbeit: Mehrarbeit (surplus labour). So entscheidend<br />

es für die Erkenntnis des Werts überhaupt, ihn als bloße Ger<strong>in</strong>nung <strong>von</strong> Arbeitszeit, als bloß vergegenständlichte<br />

Arbeit, so entscheidend ist es für die Erkenntnis des Mehrwerts, ihn als bloße Ger<strong>in</strong>nung <strong>von</strong><br />

Surplusarbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Mehrarbeit zu begreifen. Nur die Form, wor<strong>in</strong> diese Mehrarbeit<br />

dem unmittelbaren Produzenten, dem Arbeiter, abgepreßt wird, unterscheidet die ökonomischen Gesellschaftsformationen,<br />

z.B. die Gesellschaft der Sklaverei <strong>von</strong> der der Lohnarbeit." (MEW 23, S.230f)<br />

242 Der <strong>in</strong>nere Mechanismus der Mehrwertproduktion und die Aneignung des Mehrwerts erfolgt als normaler<br />

ökonomischer Warentausch. <strong>Das</strong> macht die Sache allen Beteiligten auch so e<strong>in</strong>leuchtend und überzeugend und<br />

die bürgerliche Gesellschaft so anpassungsfähig. Dennoch spielt Gewalt zweifellos e<strong>in</strong>e Rollle: Als staatliche Gewalt<br />

zur Sicherung der Eigentumsverhältnisse, also z.B. auch zur Abwehr <strong>von</strong> Diebstahl und Betrug und Körperverletzung,<br />

oder als kriegerische Gewalt zur Durchsetzung ökonomischer Interessen. Wir werden noch sehen, wie<br />

für den gegenwärtigen Kapitalismus außerökonomische Maßnahmen sogar zunehmend an Bedeutung gew<strong>in</strong>nen.<br />

Aber auch das erwächst nicht aus den schlechten Angewohneiten der Menschen, sondern aus se<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren<br />

Entwicklungsgesetzen, die freilich den miesen Angewohnheiten unserer Mitmenschen breiten Entfaltungsraum<br />

bieten.<br />

243 <strong>Das</strong> s<strong>in</strong>d die logischen Alternativen <strong>in</strong> M.s Modell: "Vorausgesetzt, die Arbeitskraft werde zu ihrem Wert bezahlt,<br />

stehn wir dann vor dieser Alternative: Die Produktivkraft der Arbeit und ihren Normalgrad <strong>von</strong> Intensität<br />

gegeben, ist die Rate des Mehrwerts nur erhöhbar durch absolute Verlängrung des Arbeitstags; andrerseits, bei<br />

gegebner Grenze des Arbeitstags, ist die Rate des Mehrwerts nur erhöhbar durch relativen Größenwechsel se<strong>in</strong>er<br />

Bestandteile, der notwendigen Arbeit und der Mehrarbeit, was se<strong>in</strong>erseits, soll der Lohn nicht unter den Wert der<br />

Arbeitskraft s<strong>in</strong>ken, Wechsel <strong>in</strong> der Produktivität oder Intensität der Arbeit voraussetzt." (MEW 23, S.534)<br />

Daraus leitet er die Varianten zur Veränderung der Mehrwertgröße ab, die er als Produktion <strong>von</strong> absolutem<br />

Mehrwert und <strong>von</strong> relativem Mehrwert unterscheidet: "Durch Verlängrung des Arbeitstags produzierten Mehrwert<br />

nenne ich absoluten Mehrwert; den Mehrwert dagegen, der aus Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit<br />

und entsprechender Verändrung im Größenverhältnis der beiden Bestandteile des Arbeitstags entspr<strong>in</strong>gt – relativen<br />

Mehrwert." (MEW 23, S.334)<br />

Beide Verfahren haben unterschiedliche Wirkungen auf die Organisation der Arbeit: "Die Verlängrung des Arbeitstags<br />

über den Punkt h<strong>in</strong>aus, wo der Arbeiter nur e<strong>in</strong> Äquivalent für den Wert se<strong>in</strong>er Arbeitskraft produziert<br />

hätte, und die Aneignung dieser Mehrarbeit durch das Kapital – das ist die Produktion des absoluten Mehrwerts.<br />

Sie bildet die allgeme<strong>in</strong>e Grundlage des kapitalistischen Systems und den Ausgangspunkt der Produktion des re-<br />

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