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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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sem Maße. Ihre besondere Qualität, nicht nur den Wert der toten Stoffe, sondern auch den eigenen<br />

Warenwert an die Produkte zu übertragen und die eigene Arbeitskraft ständig zu reproduzieren,<br />

kann über viele Jahre h<strong>in</strong>weg praktisch unverändert genutzt werden. Ja, weil die Arbeitskraft<br />

untrennbarer <strong>Teil</strong> e<strong>in</strong>es lernfähigen Menschen ist, nimmt die Produktivität ihres E<strong>in</strong>satzes<br />

sogar zu.<br />

Wenn Energie und Rohstoffe verbraucht s<strong>in</strong>d, existieren sie wertmäßig im neuen Produkt. Als<br />

Rohstoffe s<strong>in</strong>d sie nicht mehr verfügbar. Masch<strong>in</strong>en s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrer Lebensdauer beschränkt: Je<br />

mehr sie genutzt werden, desto schneller verschleißen sie und müssen ersetzt werden. Die lebendige<br />

Arbeitskraft kennt e<strong>in</strong>e solche stoffliche Grenze der eigenen Verwertung nicht; dafür<br />

sorgt die tagtägliche Wiederherstellung der eigenen Arbeitsfähigkeit. Welche Masch<strong>in</strong>e kann<br />

das schon? Wertmäßig geht die Arbeitskraft wie zirkulierendes Kapital <strong>in</strong> die Wertbildung e<strong>in</strong>.<br />

Gleichzeitig hat sie für den Kapitalisten den Charme e<strong>in</strong>er komplizierten Masch<strong>in</strong>e, die über viele<br />

Jahre h<strong>in</strong>weg immer wieder gekauft und praktisch mit unveränderter Leistungsfühigkeit e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden kann. Ja <strong>in</strong> der Regel ist es sogar so, dass diese Masch<strong>in</strong>e sich nicht nur außerhalb<br />

ihrer Arbeitszeit für den nächsten Arbeitstag selbständig regeniert, sondern Erfahrungen ansammelt<br />

und daher im Laufe der Zeit sogar immer besser funktioniert.<br />

Natürlich verschleißt die Arbeitsfähigkeit letztenendes doch. <strong>Das</strong> weiß jeder ab e<strong>in</strong>em bestimmten<br />

Lebensalter <strong>von</strong> sich selbst sehr gut. Aber das geht <strong>in</strong> den Wert der Arbeitskraft und, abhängig<br />

vom Klassenkampf, auch <strong>in</strong> den Lohn e<strong>in</strong>. Dieser sichert Familie und Vermehrung, auch mediz<strong>in</strong>ische<br />

Versorgung, Schutz vor Unfall und Invalidität und Unterhalt im Alter <strong>in</strong> bestimmten<br />

Grenzen. Je höher die Kosten der Arbeitskraft s<strong>in</strong>d, desto mehr wird gleichzeitg deren möglichst<br />

ökonomische Abnutzung zur unternehmerischen Maxime – das plumpe "quick&dirty" aus der<br />

Frühzeit der Verwertungsmasch<strong>in</strong>e ist out. Stattdessen gibt es Arbeitsschutzmassnahmen, Gymnastik<br />

am Computer, Biokost <strong>in</strong> der Kant<strong>in</strong>e, Yogakurse für den Stressabbau und vieles mehr.<br />

Aber selbstverständlich steht über allem die Rationalisierung mit "Freisetzung" und "gesteigerter<br />

Effizienz", also mit noch mehr Belastung. Und dann gibt es die Überredung <strong>in</strong> die Rente,<br />

wenn der Verschleiß spürbar wird, oder e<strong>in</strong>en schlichten Rausschmiß mit Abf<strong>in</strong>dung, weil man<br />

schnell und sauber (ohne Konflikte) die Zahl der Mitarbeiter reduzieren will.<br />

Doch wie immer auch die Bed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d, unter denen sich die Arbeitskraft verwertet: Die<br />

menschliche Fähigkeit zur tagtäglichen Wiederherstellung der eigenen Arbeitsfähigkeit und das<br />

Durchhaltevermögen über viele Arbeitsjahre bei großer körperlicher und psychischer Belastung<br />

bleibt erstaunlich und ist sozusagen e<strong>in</strong> Gratisdient für den Arbeitskraftkäufer.<br />

48. Ist Geschichte nur e<strong>in</strong> wirres Knäuel aus vielen Milliarden tagtäglicher Handlungen oder<br />

liegt ihr e<strong>in</strong>e Richtung zugrunde?<br />

Die Vorstellung <strong>von</strong> Geschichte, die <strong>von</strong> den Menschen selbst gemacht, aber eben nicht unter<br />

selbst gemachten Umständen gemacht wird 515 , die also tatsächlich aus den vielen Milliarden alltäglicher<br />

Handlungen besteht, widerspricht ke<strong>in</strong>eswegs unserer Vorstellung e<strong>in</strong>er geschichtlichen<br />

Struktur.<br />

Die Geschichte ist nicht regellos, nicht willkürlich. Sie hat e<strong>in</strong>e Struktur, die sich aus der Notwendigkeit<br />

der materiellen Existenzsicherung ableitet. Diese Struktur ergibt sich aus der gesellschaftlichen<br />

Anwendung der jeweiligen Produktivkräfte, ihrer Fortentwicklung durch Anwendung<br />

und der daraus wieder resultierenden Veränderung der sozialen Verhältnisse: E<strong>in</strong>facher<br />

Ackerbau br<strong>in</strong>gt andere Gesellschaftsstrukturen hervor als die Dreifelderwirtschaft. Die Fabrikproduktion<br />

erfordert e<strong>in</strong>e andere Gesellschaft als die auf der Arbeitsteilung <strong>von</strong> Stadt und Land<br />

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