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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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Produktion und Verteilung der Güter besser als bisher nach den Bedürfnissen der Gesellschaft zu<br />

organisieren.<br />

Wenn es <strong>in</strong> der politischen Praxis darauf ankommt, möglichst viele Menschen da<strong>von</strong> zu überzeugen,<br />

die Macht der Großkonzerne, Banken und Investmentfonds e<strong>in</strong>zuschränken, wird man<br />

freilich, ob man will oder nicht, an der geltenden Moral anknüpfen müssen. Man wird Werte<br />

wie "soziale Gerechtigkeit" oder "Solidarität" gegen "Habgier" und "Eigensucht" setzen, um<br />

den alternativen Vorstellungen e<strong>in</strong>e Begründung zu geben, die auch ohne wissenschaftliche<br />

Schulung e<strong>in</strong>leuchtet. Dabei wissen wir sehr genau, dass die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit<br />

noch ke<strong>in</strong>eswegs soziale Gerechtigkeit verwirklicht. Und dass soziale Gerechtigkeit mehr<br />

verlangt, als e<strong>in</strong>e Erhöhung der Hartz IV Regelsätze.<br />

15. Spielt denn die Moral für die Politische Ökonomie überhaupt ke<strong>in</strong>e Rolle?<br />

Natürlich spielt die Moral auch <strong>in</strong> der Politischen Ökonomie wie <strong>in</strong> allen Feldern menschlicher<br />

Aktivitäten e<strong>in</strong>e Rolle. Zu allererst bei der Entscheidung für das Thema. M. hätte sich ja auch der<br />

Mollusken-Forschung oder der antiken Philosophie zuwenden können. Nach Fertigstellung des<br />

<strong>1.</strong> Bands vom "Kapital" formulierte M. das so: "Ich lache über die sog. 'praktischen' Männer<br />

und ihre Weisheit. Wenn man e<strong>in</strong> Ochse se<strong>in</strong> wollte, könnte man natürlich den Menschheitsqualen<br />

den Rücken kehren und für se<strong>in</strong>e eigene Haut sorgen. Aber ich hätte mich wirklich für unpraktisch<br />

gehalten, wenn ich krepiert wäre, ohne me<strong>in</strong> Buch, wenigstens im Manuskript, ganz<br />

fertigzumachen." (MEW 31, S.542) Aber nicht nur die Moral des Autors ist wichtig. Ebenso<br />

spielt unsere eigene Moral e<strong>in</strong>e wichtige Rolle, nämlich bei unserer Entscheidung, uns mit M.s<br />

Politischer Ökonomie näher zu befassen (und durchzuhalten).<br />

Und auch der Forschungsprozess selbst ist niemals frei <strong>von</strong> moralischen E<strong>in</strong>flüssen, wie er überhaupt<br />

niemals frei <strong>von</strong> außerwissenschaftlichen E<strong>in</strong>flußnahmen ist. <strong>Das</strong> anzunehmen wäre überheblich.<br />

Etwas ganz anderes ist die Frage, ob sich wissenschaftliche Forschung externen Vorgaben<br />

unterordnet, mögen die auch noch so "gut geme<strong>in</strong>t" se<strong>in</strong>. Ob sie sich die Problemstellung<br />

servieren und damit das Feld abstecken läßt, <strong>in</strong> dem sie sich bewegt. Ob sie sich nach Gegenstand<br />

oder Methode der Untersuchung <strong>in</strong> "gute" (förderungswürdige) und "schlechte" (subversive)<br />

Wissenschaft teilen läßt. Wo solche Bed<strong>in</strong>gungen herrschen (und das ist für Deutschland <strong>in</strong><br />

allen Bereichen der organisierten gesellschaftswissenschaftlichen Forschung der Fall), ist wissenschaftliche<br />

Erkenntnis nur noch e<strong>in</strong>geschränkt möglich.<br />

Wer sich dem antikapitalistischen Kampf anschließt, hat se<strong>in</strong>en eigenen Zugang: Betriebliche Erfahrungen<br />

mit den geme<strong>in</strong>en Tricks und Kniffen der Manager, Arbeitslosigkeit und entwürdigende<br />

Erfahrungen mit der Bürokratie, Irak-Krieg oder Korruption, Ausbeutung der armen Länder<br />

oder Umweltvernichtung und Klimawandel... In all diesen Punkten und vielen anderen wird<br />

man die kapitalistische Produktionsweise schuldig sprechen müssen.<br />

Und wer daraus den Schluß zieht, etwas dagegen tun zu müssen - immer zu! Dabei spielt unsere<br />

Moral e<strong>in</strong>e zentrale Rolle, denn sie läßt uns die Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten überhaupt<br />

erkennen und kann uns <strong>in</strong> Bewegung setzen. Aber die eigene moralische Position ist noch<br />

ke<strong>in</strong> Leitfaden für die Analyse der kapitalistischen Produktionsweise. Und sie ist deshalb auch<br />

ke<strong>in</strong>e Garantie dafür, dass wir uns im Kampf gegen die Ungerechtigkeit auch wirklich <strong>in</strong> die richtige<br />

Richtung bewegen, nämlich auf die Ursachen zu.<br />

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