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Spurensuche Teil 1. Eine Studienreise in "Das Kapital" von Karl Marx

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498 Wie es Cohen, der Barbar, hellsichtig formulierte, als er bei den Bauern des achatenen Reiches nur auf dünne<br />

Suppen aus Hühnerfüßen und Schwe<strong>in</strong>ehufen traf: Irgendwo haben sich irgendwelche Mistkerle e<strong>in</strong>e Menge<br />

Hühner- und Schwe<strong>in</strong>efleisch unter den Nagel gerissen.<br />

499 Mit dem Begriff <strong>von</strong> der "Parteilichkeit" wird ke<strong>in</strong>eswegs die Treue der Wissenschaftler zu irgende<strong>in</strong>er (bevorzugt<br />

e<strong>in</strong>er kommunistischen) Partei bezeichnet. <strong>Das</strong> ist nur e<strong>in</strong>e propagandistische Verdrehung. Solchen Verdrehungen<br />

wurde es allerd<strong>in</strong>gs leicht gemacht.<br />

Denn ganz entgegen dem theoretischen Gehalt des Begriffs wurde daraus e<strong>in</strong> politisches Pr<strong>in</strong>zip abgeleitet und <strong>in</strong><br />

der UdSSR und anderen sozialistischen Ländern wie auch <strong>in</strong> kommunistischen Parteien tatsächlich als Herrschaftsmittel<br />

mißbraucht, um die "eigenen" Gesellschaftswissenschaftler auf den beschlossenen Parteikurs zu<br />

zw<strong>in</strong>gen.<br />

500 "Wertfreiheit" und "Objektivität" ist <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht ke<strong>in</strong> Standpunkt, sondern e<strong>in</strong>e Ausrede, um se<strong>in</strong>en<br />

Standpunkt nicht klären zu müssen. Wertfreiheit und Objektivität, also der beständige Versuch, e<strong>in</strong>e <strong>von</strong> Erwartungen<br />

und Setzungen, kurz: <strong>von</strong> Vor-Urteilen freie Forschung zu betreiben, ist e<strong>in</strong> Gebot der Methode. Die<br />

kommt aber erst nach dem Standpunkt. Ich kann den Kapitalismus für den Abschluß der Geschichte halten und<br />

<strong>von</strong> diesem Standpunkt aus methodisch korrekte Forschung betreiben. Nach Alternativen zum Kapitalismus werde<br />

ich freilich nicht forschen; die kommen mir gar nicht <strong>in</strong> den S<strong>in</strong>n. Ich kann andererseits den Kapitalismus für<br />

das mögliche Ende der Geschichte halten und me<strong>in</strong>e Kraft auf die (methodisch korrekte) Erforschung <strong>von</strong> alternativen<br />

Produktionsweisen konzentrieren. Der Standpunkt schlägt sich zunächst <strong>in</strong> den Forschungsfragen nieder.<br />

Deshalb sollte man sich über se<strong>in</strong>en Standpunkt Klarheit verschaffen und immer prüfen, welche bl<strong>in</strong>den Flecke er<br />

nebenbei auch noch produziert.<br />

501 Die harmlose Form dieser B<strong>in</strong>dung an die Verhältnisse ist uns allen als Betriebsbl<strong>in</strong>dheit bekannt. Weil man<br />

mitten dr<strong>in</strong> steckt, sieht man oft den Wald vor lauter Bäumen nicht. Aber solche <strong>in</strong>nigen B<strong>in</strong>dungen an die Verhältnisse<br />

entwickeln sich oft auch zu pe<strong>in</strong>lich-tragischer Ergebenheit. Wie etwa bei diesem Verteidiger der Misere,<br />

der die Feststellung, dass Millionen Arbeitnehmer mit Drogen ihre Arbeitsleistung fördern, mit den Worten<br />

kommentiert: "Mit den steigenden Anforderungen am Arbeitsplatz können offenkundig viele Beschäftigte nicht<br />

umgehen." (WAZ 13.2.2009)<br />

Hier wird die Arbeitsbelastung als natürliche und daher unveränderliche Größe ausgegeben, der man sich vernünftigerweise<br />

richtig anpassen muß. Nicht dem Urheber der Belastung, sondern dem Belasteten wird zusätzlich<br />

die Verantwortung dafür aufgebürdet. Nur ist es wohl genau andersrum: Offenbar ist die Arbeitsbelastung auf<br />

e<strong>in</strong> für viele Menschen nicht mehr erträgliches Maß hochgeschraubt worden. Daraus resultieren die Versuche, mit<br />

Hilfe <strong>von</strong> Aufputschmitteln den Anforderungen zu entsprechen.<br />

Dieser naheliegende Gedanke kommt dem Kommentator offenbar nicht <strong>in</strong> die Tastatur. Zu fest ist er mit den kapitalistischen<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen als "natürlichen Bed<strong>in</strong>gungen" verwachsen.<br />

502 <strong>Das</strong> kl<strong>in</strong>gt vielleicht etwas giftiger, als es se<strong>in</strong> müßte. Auch Gesellschaftswissenschaftler müssen essen. Es soll<br />

auch den Wissenschaftlern ke<strong>in</strong> Vorwurf gemacht, nur ihre wissenschaftliche Arbeit soll korrekt bewertet werden.<br />

Würde man e<strong>in</strong> Institut gründen und jährlich <strong>1.</strong>000 Forschungsarbeiten über das Perpetuum mobile <strong>in</strong> Vergangenheit<br />

und Zukunft vergeben, würde alle Welt kichern. Dieselbe Zahl an Forschungsarbeiten, um mit Korrelationen<br />

<strong>in</strong>dividueller Merkmale <strong>von</strong> Arbeitslosen die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, wird weith<strong>in</strong> für beispielhaft gehalten.<br />

503 M. analysiert <strong>in</strong> den "Theorien über den Mehrwert" die Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit, die im Arbeitsprozess<br />

als sche<strong>in</strong>bare Produktivität des Kapitals auftritt. Er schreibt: "In diesem Prozess, wor<strong>in</strong> die gesellschaftlichen<br />

Charaktere ihrer Arbeit ihnen (den Produzenten) gewissermaßen kapitalisiert gegenübertreten - wie<br />

z.B. <strong>in</strong> der Masch<strong>in</strong>erie die sichtbaren Produkte der Arbeit als Beherrscher der Arbeit ersche<strong>in</strong>en -, f<strong>in</strong>det natürlich<br />

dasselbe statt für die Naturkräfte und die Wissenschaft, das Produkt der allgeme<strong>in</strong>en geschichtlichen Entwicklung<br />

<strong>in</strong> ihrer abstrakten Qu<strong>in</strong>tessenz - sie treten ihnen als Mächte des Kapitals gegenüber. Sie trennen sich <strong>in</strong> der Tat<br />

<strong>von</strong> dem Geschick und der Kenntnis des e<strong>in</strong>zelnen Arbeiters - und obgleich sie, an ihrer Quelle betrachtet, wieder<br />

das Produkt der Arbeit s<strong>in</strong>d - ersche<strong>in</strong>en sie überall, wo sie <strong>in</strong> den Arbeitsprozess e<strong>in</strong>treten, als dem Kapital e<strong>in</strong>verleibt."<br />

(MEW, 26.1, S.367)<br />

504 Andererseits erlebten wir <strong>in</strong> den ersten Wochen des Jahres 2009 wöchentlich Prognosen der Wirtschafts<strong>in</strong>stitute,<br />

der OECD, des Internationalen Währungsfonds und vieler anderer gut bezahlter Fachleute zum Verlauf der<br />

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